Interview mit Sparkassen-Chef: „Wir halten Filialen offen, die sich kaum rechnen“
Andreas Schulz, Chef der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, über die Versorgung mit Finanzdienstleistungen auf dem Land, die NordLB-Rettung und Apple Pay.
Andreas Schulz ist seit Februar 2015 Vorsitzender des Vorstands der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS). Dort war er zuvor seit 1994 in diversen Funktionen tätig, bevor er 2010 in den Vorstand aufrückte. Schulz hat an der Universität Hannover Wirtschaftswissenschaften studiert und anschließend zunächst als Referent und Pressesprecher für den Niedersächsischen Sparkassen- und Giroverband gearbeitet.
Herr Schulz, Ihr Institut ist die größte Sparkasse Ostdeutschlands. Viele Ihrer Filialen liegen auf dem Land. Wie erhalten Sie die? Andere Banken schließen selbst in den Städten Zweigstellen mit dem Argument, dass sie sich nicht rechnen.
Es leben nun mal noch immer viele Menschen auf dem Land. Deshalb bemühen wir uns darum, auch im ländlichen Raum weiter mit Filialen und Geldautomaten präsent zu sein. Wirtschaftlich ist das aber natürlich ein Spagat. Wir haben uns selbst das Ziel gesetzt, dass auch auf dem Land kein Kunde mehr als 20 Kilometer zur nächsten Filiale fahren muss. Das erreichen wir im Großen und Ganzen auch. Das bedeutet aber, dass wir die eine oder andere Zweigstelle aufrechterhalten, die sich rein betriebswirtschaftlich eigentlich kaum rechnet.
Trotzdem haben auch Sie im vergangenen Jahr drei Filialen geschlossen ...
Ja, wir haben drei Standorte geschlossen, sind an 151 aber weiterhin präsent. In Zeiten, in denen die Kunden mehr online machen, müssen auch wir uns unser Filialnetz regelmäßig anschauen. Dazu kommt die demografische Entwicklung. Wir schließen nach Möglichkeit nur dann eine Zweigstelle, wenn wir in der näheren Umgebung noch vertreten sind. Das war zum Beispiel in Plaue nahe Brandenburg an der Havel der Fall. Dort ist unsere nächste Filiale nur drei Kilometer entfernt. Eine solche Wegstrecke zur nächsten Geschäftsstelle ist für brandenburgische Verhältnisse sehr gering.
Ihre Sparer vertrauen Ihnen sehr viel mehr Geld an, als Sie als Kredite an Firmen ausreichen können. Ist das ein Problem?
Das ist typisch für Ostdeutschland. Unter anderem weil die Industriebasis hier vergleichsweise schwach ist, sind fast alle Sparkassen hier in der Situation, dass sie mehr Spareinlagen einsammeln, als sie Kredite vergeben. Das heißt aber nicht, dass wir mit dem übrigen Geld nichts anzufangen wissen. Wir investieren es zum Beispiel in Schuldverschreibungen von Großunternehmen oder Bundesländern und leihen ihnen auf diese Weise Geld.
Das funktioniert aber nicht mit allen Spareinlagen. Einen Teil müssen Sie bei der Europäischen Zentralbank parken. Dafür zahlen Sie einen Strafzins. Wie sehr schmerzt Sie das?
Für Geld, das wir bei der EZB parken, zahlen wir wie alle Banken derzeit ein Verwahrentgelt von 0,4 Prozent. Das tut natürlich weh. Unser Haus hat das im vergangenen Jahr 3,7 Millionen Euro gekostet. Streng genommen müssten wir diese Kosten an den Kunden weitergeben. Das tun wir aber bewusst nicht. Lediglich einzelne Großanleger, die viele Millionen Euro bei uns anlegen, zahlen ein Verwahrentgelt. 95 Prozent unserer Firmenkunden sind davon nicht betroffen, und das wird auch so bleiben. Privatkunden überhaupt nicht.
Wie lange können Sie sich das leisten?
Die Niedrigzinsphase ist für unser Haus schmerzhaft, aber verkraftbar. Wenn die Zinsen nicht weiter ins Minus kippen, können wir damit umgehen.
Wenn man rein auf die Zahlen schaut, geht es Ihrem Institut gut. Welchen Anteil hat daran Ihre Berliner Tochter, die Weberbank?
Wir sind sehr zufrieden mit der Weberbank. Seitdem wir sie 2009 von der WestLB gekauft haben, hat sie sich sehr gut entwickelt. Sie ist die klare Nummer eins in Berlin. Derzeit verwaltet die Weberbank sechs Milliarden Euro für ihre Kunden. In den letzten Jahren hat das verwaltete Depotvolumen im Schnitt um zehn Prozent zugelegt.
Wie viel hat die Weberbank im letzten Jahr an Sie überwiesen?
Das ist ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag.
Sie haben die Weberbank auch gekauft, um Sie zu einem Dienstleister für andere Sparkassen auszubauen. Wie hat das bisher funktioniert?
Die Weberbank verwaltet Vermögen für gehobene Privatkunden. Das ist ein Bereich, in dem viele Sparkassen keine eigene Expertise haben. Deshalb bietet die Weberbank ihnen an, das für sie zu übernehmen. Der Kunde bleibt bei der Sparkasse, das Vermögen aber wird von der Weberbank verwaltet. Aktuell arbeiten auf diese Weise 30 Sparkassen mit der Weberbank zusammen. Das klappt sehr gut, und das wollen wir weiter ausbauen.
Die WestLB, von der Sie die Weberbank übernommen haben, gibt es nicht mehr. Übrig geblieben sind nur noch fünf Landesbanken. Beim Sparkassenverband träumt man bereits davon, diese zu einer Super-Landesbank zusammenzuführen. Träumen Sie mit?
Was Sparkassenpräsident Helmut Schleweis da vorhat, unterstütze ich sehr. Ich muss allerdings dazusagen, dass wir als Mittelbrandenburgische Sparkasse an keiner Landesbank beteiligt sind. Deshalb kann ich da so offen darüber sprechen. Aus meiner Sicht zeigt der Fall der NordLB, dass es überfällig ist, eine Konsolidierung bei den Landesbanken voranzutreiben. Es wird aber Zwischenlösungen geben müssen, indem sich zunächst erst mal nur einzelne Institute zusammenschließen.
Was ist der Vorteil von einer Landesbank für alle Sparkassen?
Der Vorteil ist, dass dann nicht mehr mehrere Institute das Gleiche machen. Die Sparkassen brauchen einen starken Partner, der sie beim Kapitalmarktgeschäft oder bei der Betreuung von Großkunden unterstützt. Wenn zum Beispiel einer unserer Firmenkunden in die USA expandieren will, dann brauchen wir eine Landesbank, die in New York vertreten ist und die das für uns übernehmen kann. Dafür reicht uns aber eine Landesbank – wir brauchen keine fünf, die jeweils eigene Dependancen in New York haben.
Die NordLB wird gerade von den Sparkassen gerettet. Wie viel kostet Sie das?
Grob vier Millionen Euro. Gestützt wird die NordLB mit Geldern aus den Einlagensicherungsfonds der Sparkassen, die von den Mitgliedsinstituten wieder aufgefüllt werden müssen.
Nicht nur bei den Landesbanken stehen Fusionen im Raum. Auch Deutsche Bank und die Commerzbank führen derzeit Gespräche über einen Zusammenschluss. Ist das sinnvoll?
Ich kann nachvollziehen, dass der Bund mit seiner Beteiligung an einem der beiden Häuser über so etwas nachdenkt. Schließlich geht es auch um Steuergelder. Da ist es nur sinnvoll, dass der Bund versucht, das Beste aus seiner Beteiligung zu machen. Ob aber eine Fusion die Lösung ist, daran habe ich so meine Zweifel. Mir bleibt schleierhaft, was für ein Ziel man mit einem solchen Zusammenschluss eigentlich verfolgt. Wird aus zwei angeschlagenen Banken ein Champion?
Ein Projekt verbindet Sie mit der Deutschen Bank und der Commerzbank: Paydirekt. Mit dem Bezahldienst wollten Sie zusammen mit anderen Instituten eine Alternative zum US-Dienst Paypal schaffen. Warum will das nicht so recht glücken?
Paydirekt ist die Antwort der deutschen Banken auf einen Anbieter, der ein paar Jahre Vorsprung hat. So etwas holt man nicht so schnell auf. Gleichzeitig haben wir bei Paydirekt in der Anfangsphase aber auch Fehler gemacht. Zum Beispiel mussten wir erst lernen, wie man Händler anspricht oder wie wir es Kunden so leicht wie möglich machen, Paydirekt freizuschalten.
Haben Sie Verständnis dafür, dass große andere deutsche Banken wie die Hypovereinsbank, ING und Targobank bei Paydirekt wenig Geduld hatten und schon wieder ausgestiegen sind?
Nein. Zwar bin auch ich mit der Situation bei Paydirekt unzufrieden, trotzdem sollten wir den Machern noch etwas Zeit geben.
Sind Sie unzufrieden, weil zu wenige Kunden den Bezahldienst Paydirekt nutzen oder weil das Projekt für die Sparkassen zu teuer ist?
Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Wenn mehr Kunden Paydirekt zum Bezahlen nutzen würden, könnte man es leichter verschmerzen, dass es viel Geld kostet. Derzeit sind wir aber in der Situation, dass Paydirekt viel Geld kostet, aber zu wenige Kunden es einsetzen. Das muss sich ändern. Bei uns zum Beispiel hat sich bislang nur ein sehr kleiner Prozentsatz für Paydirekt registriert – und das bei über 300 000 Online-Konten. Es ist leider immer noch ein Nischenprodukt.
Die Sparkassen verhandeln derzeit mit Apple über die Einführung von Apple Pay, um auch iPhone-Besitzern das mobile Bezahlen zu ermöglichen. Wie stehen die Chancen, dass diese Gespräche erfolgreich abgeschlossen werden?
Wir bemühen uns als Sparkassen derzeit darum, unseren Kunden Apple Pay anbieten zu können. Klar ist aber auch: Beide Seiten müssen zufrieden sein. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass wir hier eine Einigung erzielen.
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