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 "Dass man in seine Bankfiliale geht und dort eine drittklassige Beratung bekommt, ist längst überholt", sagt Stalf.
© Doris Spiekermann-Klaas

Smartphone-Bank N26: "Wir haben bald eine Million Kunden"

Die Smartphone-Bank N26 aus Berlin wächst rasant. Neben der Expansion in die USA und Großbritannien will N26 auch im Inland neue Kunden gewinnen, zum Beispiel über ein Partner-Konto. Gründer Valentin Stalf im Interview.

Herr Stalf, welche Bank hat Sie so frustriert, dass Sie mit N26 Ihre eigene gegründet haben?

Ich bin gebürtiger Österreicher, habe in der Schweiz studiert und in Deutschland gearbeitet – überall habe ich Erfahrungen mit Banken gemacht. Bei welchen, werde ich hier nicht verraten. Aber bei allen habe ich gemerkt, wie schwer ihnen die Digitalisierung fällt. Als Kunde hat mich das frustriert. Schließlich hat sich mein Nutzerverhalten wie das der meisten Verbraucher in den letzten Jahren stark verändert. Nehmen Sie die Überweisung, die hat man früher auf Papier gemacht. Heute machen wir das per Smartphone. Diese Veränderung ist eine große Chance für eine Bank wie N26.

Onlinebanking kann man bei jeder Bank machen und eine App haben die meisten auch.

Das allein reicht aber nicht. Das ist wie bei anderen Gütern auch. Kleidung zum Beispiel wähle ich nicht nur danach aus, ob man sie tragen kann, sondern auch danach, was ich gerne anziehe und was bequem ist. Für Banken heißt das: Es geht nicht nur darum, ein Konto anzubieten, sondern zum Beispiel auch um die Frage, wie schnell man es eröffnen kann. Wie dann mit dem Kunden kommuniziert wird. Und letztlich auch wie transparent die Preise sind.

Was die anderen Banken machen, nennen Sie in Ihrer Werbung „Bullshit“. Was ist an denen so schlimm?

Wir haben das bewusst überspitzt formuliert. Gemeint ist damit, dass Sie bei Ihrer Hausbank oft nicht automatisch das beste Angebot bekommen – sei es für die Kreditkarte oder den Immobilienkredit. Dass man in seine Bankfiliale geht, dort eine drittklassige Beratung bekommt und am Ende mit einem schlechten Angebot nach Hause geht, das ist längst überholt.

Und Sie können das besser?

Die klassischen Geldinstitute bieten meistens eigene Bankprodukte an, nicht die besten am Markt,  und haben durch ihre veraltete IT und die vielen Filialen enorm hohe Kosten. Bei uns ist das in der Tat anders. Wir haben eine moderne IT und keine Zweigstellen. Dadurch haben wir Kostenvorteile, die wir an die Kunden weitergeben können. Außerdem wollen wir auch gar nicht alle Produkte selbst anbieten, wie es die klassischen Geldinstitute machen. Wir entwickeln zum Beispiel bewusst keine eigenen Sparprodukte. Stattdessen arbeiten wir mit anderen Fintechs zusammen, die sich darauf spezialisiert haben. Das ist für uns günstiger und bringt dem Kunden die besten Zinsen.

Trotzdem müssen auch Sie Geld verdienen. Wie funktioniert das?

Unsere Einnahmequellen sind sehr ähnlich wie bei einer klassischen Geschäftsbank. Beim Girokonto verdienen wir vor allem durch unsere Premiumkonten. Für die verlangen wir anders als für das Basiskonto Geld, dafür bekommen die Kunden auch mehr geboten. Zum Beispiel sind wir eine Partnerschaft mit dem Coworking-Anbieter Wework eingegangen, so dass Besitzer unserer Metall-Karte weltweit  die Gemeinschaftsbüros nutzen können. So etwas kommt bei den Kunden gut an. Inzwischen haben über ca. 30 Prozent ein kostenpflichtiges Premiumkonto. Zusätzlich verdienen wir über Kredite, die wir selbst vergeben oder an unseren Kooperationspartner Auxmoney vermitteln. Außerdem haben wir weitere Dienste eingebunden wie Festgeldkonten des Berliner Start-ups Weltsparen oder den internationalen Überweisungsanbieter Transferwise. Von ihnen bekommen wir Provisionen, wenn unsere Kunden die Dienste nutzen.

 Dann bekommen Sie gerade bei lukrativen Produkten aber nur einen Bruchteil der Einnahmen. Wie viel ist das – zehn Prozent?

Nein, das ist deutlich größer als im Zehn-Prozent-Bereich. Wir sind mit der Umsatzaufteilung sehr zufrieden. Und sparen uns den Aufwand und die Kosten, viele Produkte aufwendig selbst zu entwickeln.

Wenn Sie so vieles besser machen, warum bekommen dann Kunden mit schlechter Bonität bei Ihnen nicht das kostenlose Konto, sondern müssen sechs Euro im Monat zahlen?

Grundsätzlich ist unser Konto kostenlos, auch für Kunden mit schlechterer Bonität. Ausschließlich Kunden die in der Vergangenheit Kredite oder Rechnungen tatsächlich nicht bezahlt haben und dadurch in ganz schlechten Bonitätsklassen sind, haben bei uns die Möglichkeit ein Flex Konto zu bekommen. Die meisten anderen Banken bieten dieser Kundengruppe gar kein Konto an. Wir haben uns bewusst dazu entschieden auch dieser Kundengruppe zugang zu modernem Banking zu ermöglichen. In diesem Fall müssen wir allerdings einen geringen Betrag pro Monat verlangen,  um unsere Fixkosten zu decken. Denn mit jemandem der eine extrem schlechte Bonität hat, weil er zum Beispiel in der Vergangenheit einen Kredit nicht abbezahlt hat, können wir einfach weniger Geschäft machen und haben ein deutlich höheres Risiko. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass Kunden mit sehr schlechter Bonität auch öfter Geld abheben und mehr Rückbuchungen haben und dadurch mehr Customer Service Aufwand nötig ist. Alles Themen die viel Geld kosten.

Auch Kunden mit guter Bonität können bei Ihnen nur noch bis zu fünf Mal im Monat kostenlos Geldabheben. Warum?

Wir haben das vor zwei Jahren beschränkt, weil es ausgeufert ist. Es hat zum Teil Kunden gegeben, die bis zu 20 Mal im Monat Geld abgehoben haben. Die Kosten dafür bleiben an uns hängen, in der Regel sind das 1,50 Euro pro Abhebung. Deshalb bieten wir heute fünf kostenlose Abhebungen im Monat an. Damit können die meisten Kunden aber auch gut leben. Jede weitere Abhebung  kostet 2 € und deckt damit unsere Selbstkosten.

Mit Ihrem Konto richten Sie sich vor allem an 18- bis 35-Jährige. Ältere wollen Sie nicht ansprechen?

Wir richten uns an jeden, der ein digitales Bankkonto schätzt. Das sind in der Regel eher jüngere Verbraucher, aber eine Altersgrenze gibt es nicht. Zumal ein digitales Konto gerade für Ältere von Vorteil sein kann: Wer nicht mehr so mobil ist, ist womöglich froh, alles übers Smartphone machen zu können.

Haben Sie damit wenigstens Ihre eigenen Eltern überzeugt?

Meine Eltern sind natürlich treue N26-Nutzer. Wenn mir das nicht gelungen wäre, müsste ich wohl Nachhilfe im Marketing nehmen.

Bislang nutzen vor allem Männer Ihr Konto. Wie viele sind das genau?

Leider ist es tatsächlich so, der Grossteil unserer Kunden sind Männer. Das liegt vermutlich daran, dass wir ein Technologie- und Finanzprodukt anbieten – beide Themen sprechen eher Männer an. Wir wachsen inzwischen aber auch verstärkt bei den Frauen. Wir werden in den nächsten Jahren sicher in Richtung 50% 50% verteilung gehen.  

Sie wachsen derzeit sehr schnell. Wie viele Kunden haben sie aktuell und wie viele davon kommen aus Deutschland?

Wir gehen jetzt auf eine Million Kunden zu. Davon kommt derzeit ca. die Hälfte aus Deutschland und Österreich. Aber das verändert sich natürlich, weil wir stark im Ausland expandieren. Noch vor einem Jahr kam der Großteil unserer Kunden aus Deutschland.

Bald wollen Sie auch in den USA starten. Klappt das im Sommer?

Wahrscheinlich wird es eher Ende des Jahres. Wir sind dort auf unseren Bankpartner angewiesen, weil wir unsere europäische Banklizenz in den USA nicht nutzen können.

Warum glauben Sie, dass Sie in USA erfolgreich sein können? Dort gibt es schließlich schon sehr viele Fintechs.

Wir haben uns den US-Markt sehr genau angeschaut und festgestellt, dass dort viele Bankprodukte bei Preis und  Nutzerfreundlichkeit teils sogar noch schlechter sind als in Europa. Natürlich sind einzelne Fintechs in den USA auch schon sehr viel weiter, aber das können wir für uns nutzen. Schließlich wollen wir mit ihnen wie auch schon heute in Europa zusammenarbeiten und ihre Dienste in unsere Plattform einbinden.

Einer Ihrer Geldgeber ist Peter Thiel. Hilft er ihnen beim Aufbau des US-Geschäfts?

Peter Thiel ist über seine Risikokapitalfirma Valar Ventures bei uns beteiligt. Das Team von Valar sitzt direkt in New York, was für uns natürlich sehr hilfreich ist, nicht nur um Kontakte herzustellen. In Europa kennt man uns inzwischen, da sind wir eine Marke – in den USA müssen wir uns das erst noch erarbeiten.

Mit Tencent ist kürzlich auch ein großer chinesischer Techkonzern bei Ihnen eingestiegen. Haben Sie keine Angst, dass der chinesische Staat jetzt bei Ihnen Einfluss nimmt?

Nein, Tencent hat zwar bei uns investiert, hält aber  nur einen Anteil im einstelligen Prozentbereich. Der Einfluss ist also begrenzt. Tencent ist eines der weltweit renommiertesten und wertvollsten Unternehmen und börsennotiert. Durch das Investment hat Tencent keinerlei Zugriff auf unsere Kundendaten oder IT-Systeme.

Expandieren Sie bald auch nach China?

Nein, bislang wollen wir nicht mit N26 nach China gehen. Schließlich dominiert Tencent dort mit seinem Bezahldienst Wepay bereits den Markt. Und auch sonst sind die Chinesen bei der Digitalisierung von Finanzgeschäften sehr viel weiter als Europäer. Wir können aber noch viel von Tencent lernen und haben sie deshalb als Investoren an Bord geholt. Das Unternehmen ist für uns ein Vorbild. Vor fünfzehn Jahren war das noch ein kleines Start-up, heute hat es einen höheren Börsenwert als Facebook. Außerdem hat Tencent hat es geschafft, nicht nur in einer Nische erfolgreich zu sein sondern gleich in diversen Bereichen: Es gibt nicht nur den Bezahldienst Wepay sondern auch den Messengerdienst Wechat, Suchmaschinen und andere Bereiche. Wir können daraus lernen, wie man aus einer Banking-App noch mehr machen kann über die reinen Finanzdienste hinaus.

Und was steht kurzfristig an?

Zum einen steht mit dem Markteintritt in den USA und Großbritannien die weitere Internationalisierung ab. Zum anderen wollen wir aber auch unser Produkt weiterentwickeln. Bislang kann zum Beispiel nur eine Person auf ihr N26-Konto zugreifen. Zukünftig  wollen wir Partner-Konten anbieten. Dabei kann man andere Leute einladen, die dann ebenfalls Zugriff aufs Konto bekommen. Das wird ein neues, innovatives Produkt sein, das in den nächsten zwölf bis achtzehn Wochen auf den Markt kommen wird.

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