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Weil die Baumwolle nicht reichen wird.
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Mode: H&M und Nachhaltigkeit: "Wir brauchen Partner, die eigentlich unsere Konkurrenten sind"

Hendrik Heuermann ist deutscher Nachhaltigkeitsmanager bei der schwedischen Modekette H&M. Er erzählt, wie das Unternehmen an neue Rohstoffe gelangen will.

Sieht sich H&M in einer Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit?

Schon durch unsere Größe fällt uns eine Verantwortung zu. Vor ein paar Jahren bedeutete Nachhaltigkeit in Zusammenhang mit H&M, fairere Arbeitsbedingungen in Asien zu schaffen. Aber wenn wir als Unternehmen auf der ganzen Welt nachhaltiger werden wollen, muss man sich auch überlegen, was die Kollegen in den Geschäften hier machen können.

Womit erreichen Sie das?
Als die Recycling-Kollektion in die Läden kam, war zum ersten Mal für alle spürbar: Ah, so funktioniert ein geschlossener Kreislauf in der Mode. Diese Kollektion besteht zu 20 Prozent aus den Altkleidern, die Kunden im Laden abgeben konnten.

Können Sie den Prozess genauer erklären?
Wir haben Ende 2013 angefangen, Kleidung zurückzunehmen, die wird dann nach dem besten Nutzen sortiert. Wir haben vor allem Jeans genommen. Die Stofffetzen sehen nach dem Zerhacken aus wie blauer Plüsch, dem kann man bis zu 20 Prozent neuer Baumwolle beimischen, dann wird daraus ein Faden gesponnen. So bekommen wir neuen Jeansstoff. Wir haben viele Grenzen aufgezeigt bekommen – zum Beispiel: Was machen wir eigentlich, wenn die Recyclingfasern zu kurz sind, wie bekommen wir daraus ein langes, haltbares Garn?

Ist das ein qualitatives Problem?
Ja, deshalb auch nur 20 Prozent. Klar, man kann auch mehr beimischen, aber dann halten die Stoffe nicht lange, und der Effekt des Recyclings wird ad absurdum geführt. Eine weitere Frage ist, wie man Mischgewebe recycelt. Rohstoffe müssen getrennt werden. Kleidung aus reiner Baumwolle ist leicht zu verarbeiten, aber wenn Stretch drin ist, wird es schwierig. Da steht die Industrie noch ganz am Anfang.

Was bedeutet das für H&M?

Wir brauchen Partner, die eigentlich unsere Konkurrenten sind. Wir haben uns mit Kering zusammengetan, einem großen Modekonzern, zu dem unter anderem Puma und Gucci gehören, und ein Joint Venture in Großbritannien finanziert, das erforscht, wie man Stoffe trennen kann.

Hat Ihr Engagement auch mit den knapper werdenden Ressourcen zu tun, die man als riesiges Unternehmen braucht?
Absolut, da muss man ja kein Prophet sein. Wenn man sich die wachsende Bevölkerung und die verfügbare Baumwolle anschaut, wird einem schnell klar, dass wir uns nach Alternativen umschauen müssen.

Was wollen Sie erreichen?
Wir haben sehr hohe Ziele: Bis 2020 wollen wir nur noch Baumwolle aus nachhaltigen Quellen verwenden. Das ist eine große Aussage, hat aber auch einen klaren Businessgedanken: Wir müssen die Rohstoffe sichern, die wichtig für uns sind.

Hendrik Heuermann.
Hendrik Heuermann.
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Wie machen Sie Ihr Engagement für Nachhaltigkeit publik?
Natürlich funktioniert es in der Öffentlichkeit sehr gut, wenn man eine besondere Kollektion vorstellt und sagt: Guckt mal auf die Rohstoffe. Unsere neueste Conscious-Kollektion kommt im April in die Läden. Wir können eben gut Mode inszenieren – und das funktioniert am besten, wenn Promis wie Olivia Wilde und Vanessa Paradis sie zeigen.

Das klingt doch gut.
Wenn aber unser Engagement auf eine Kollektion beschränkt bliebe, hinge das Schicksal der Biobaumwolle an dieser Kollektion. Wenn die sich nicht verkauft, haben wir ein Problem. Deshalb haben wir uns entschieden, dass Biobaumwolle im ganzen Sortiment auftaucht. In der Babyabteilung bestehen mittlerweile alle Produkte daraus.

Was macht eigentlich ein Nachhaltigkeitsmanager bei H&M?
Meine Position ist aus einem kommunikativen Impuls innerhalb des Unternehmens entstanden. Meine Kollegen meinten, wir müssen mehr über Nachhaltigkeit sprechen, und irgendwann finden auch die Kunden an, danach zu fragen. Meine Aufgabe war außerdem, den Umstieg auf den grünen Strom in Deutschland zu organisieren.

Ist Deutschland ein Vorzeigemarkt?
Man muss hier schon sehr ökologisch drauf sein, um aufzufallen. Es gibt ein sehr hohes Grundverständnis von Dingen, die man in Sachen Nachhaltigkeit wissen muss. Mit einem Wort wie Dosenpfand können alle etwas anfangen, und niemand würde Glas einfach so wegwerfen.
In der grünen Mode gibt es ja viele kleine Labels. Ist das etwas, das H&M auch wahrnimmt?
Ohne Experten, die gute Ideen haben, geht es nicht. Aber kleine Labels haben völlig andere Optionen, zum Beispiel gibt es eins, das tolle Accessoires aus Fischhaut macht, also aus den Resten von Schuppen. Aus Sicht der Nachhaltigkeit wäre es ein Albtraum, wenn H&M das machen wollte. Man muss immer aufpassen, dass der gut gemeinte Effekt nicht umschlägt.

Hendrik Heuermann, 30, ist Manager für Nachhaltigkeit bei H&M in Deutschland. Er sieht das Unternehmen in einer Vorreiterrolle, was den bewussten Umgang mit Rohstoffen angeht.

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