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Michael O'Leary
© dpa

Ryanair: "Wir bleiben als einziger Billigflieger übrig"

Ryanair-Chef Michael O’Leary über die Finanzkrise, Air Berlin, die Schließung von Tempelhof und hohe Gebühren in Schönefeld.

Herr O’Leary, profitieren Sie von der Krise?

Ja. Immer wenn es eine Rezession gibt – und es wird eine wirklich tiefe Rezession in Europa geben – wächst Ryanair schneller und wird profitabler. Alle anderen Gesellschaften, egal ob sie nun Air Berlin oder Germanwings heißen, streichen Strecken und Flüge, weil sie kein Geld mehr machen. Wir wachsen.

Haben Sie nicht gerade den Standort Valencia geschlossen?

Ja, aber aus anderen Gründen; Valencia hat die getroffenen Verabredungen nicht eingehalten. Trotzdem lassen wir europaweit insgesamt mehr Flugzeuge fliegen und befördern mehr Passagiere. Allein in diesem Jahr waren es 20 Millionen mehr als im Vorjahr. Gerade haben wir zwei neue Standorte aufgemacht, in Algerien und auf Sizilien. Für uns ist es egal, wohin wir fliegen, Hauptsache wir befördern viele Passagiere.

Wie viele sind es aktuell?

In diesem Jahr 58 Millionen und im Jahr darauf ungefähr 65 Millionen. Die Nachfrage nach Billigflügen wird wachsen, auch bei Geschäftsleuten, die schon auf einen Anteil von 45 Prozent kommen.

Für die wäre eine Business Class sinnvoll.

Champagner können Sie bei uns schon jetzt bekommen, Sie müssen aber dafür bezahlen. Wenn Sie mehr Service wollen, sollten Sie mit teureren Gesellschaften fliegen, mit Air Berlin zum Beispiel.

Ihr Konkurrent scheint Probleme zu haben und hat den Wachstumskurs daher erst einmal aufgegeben. Welche Zukunft erwarten Sie für Air Berlin?

Keine, um ehrlich zu sein. Das Geschäftsmodell funktioniert nicht. Weil sie nicht mit unseren Preisen konkurrieren konnten, mussten sie durch Übernahmen wachsen. Also haben sie die vergangenen Jahre damit verbracht, Konkurrenten wie dba, LTU und Condor zu kaufen, was nicht immer geklappt hat. Sie haben immer Geld verloren, und werden auch künftig Geld verlieren. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie bankrott gehen oder Lufthansa sie aufkauft.

Hat Ryanair kein Interesse?

Nein. Wir würden Air Berlin nicht mal geschenkt nehmen. Die sind nichts mehr wert. Die Investmentbank Dresdner Kleinwort hat das Kursziel vor ein paar Wochen auf Null gesetzt und sie hatte absolut Recht. Es gibt allerdings auch sonst wenige Fluggesellschaften, die wir kaufen würden.

Warum nicht?

Die meisten europäischen Fluggesellschaften verlieren Geld. In den nächsten drei bis vier Jahren werden wir hier nur noch vier große Gruppen von Unternehmen haben. Air Berlin könnte als Teil der Lufthansa-Gruppe enden. Daneben wird es die Air-France-Gruppe eventuell mit Alitalia geben sowie British Airways mit Iberia. Ryanair wird als einziger Billigflieger übrigbleiben.

Dann können Sie die Preise anheben.

Warum sollten wir die Preise anheben? So wie Ikea billige Möbel verkauft und Aldi billige Lebensmittel, verkaufen wir billige Flüge. Das ist unsere Strategie, unsere Nische, in der wir überleben.

Sie werben damit, dass Ryanair-Tickets durchschnittlich 42 Euro kosten. Allerdings sind Sie berüchtigt dafür, alle möglichen Posten extra zu berechnen, wie das Aufgeben des ersten Gepäckstücks. Was ist in Ihren 42 Euro alles drin?

Da ist alles inklusive außer der Gepäckbeförderung. Aber wer nur Handgepäck mitnimmt, zahlt nicht extra. Wer eine Tasche eincheckt, zahlt eben mehr.

Sie haben angekündigt, die Tickets noch günstiger zu machen. Wo können Sie noch sparen? Bei den Pilotengehältern?

Bei den Flughafengebühren. Darum würden wir am liebsten alle Passagiere überzeugen, nur noch mit Handgepäck zu fliegen. Wenn alle nur einen kleinen Rollkoffer mitnähmen, könnte man den Check-In-Schalter abschaffen. Mit dem ganzen Personal. Der Großteil der Flughafengebühren entfällt auf den Service. Und es geht schneller: Passagiere müssten nicht mehr anstehen, wenn sie im Internet einchecken.

Was halten Sie von den EU-Plänen, an Flughäfen Nacktscanner einzusetzen?

Das ist Müll, wie die meisten Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen. Taschen zu röntgen, macht vielleicht noch Sinn, Passagiere zu röntgen, sicher nicht. Genauso wenig, wie Lippenstifte einzukassieren oder Wasserflaschen mit mehr als 100 Millilitern Inhalt einzukassieren, weil sie – anders als Flaschen mit 90 Millilitern – als Handwerkszeug von Terroristen gewertet werden. Die letzten großen Terroranschläge in London und Madrid haben in Zügen stattgefunden. Trotzdem führt dort niemand diese ineffizienten Kontrollen ein. Kein Sicherheitssystem der Welt wird einen Terroristen davon abhalten, sich in die Luft zu jagen, wenn er das wirklich will.

Teil ihrer Sparstrategie ist es, vor allem Dorf-Flughäfen anzusteuern wie Frankfurt-Hahn oder Weeze, 70 Kilometer von Düsseldorf entfernt. Nur in Berlin ist das anders. Ist Schönefeld so billig?

Nein, überhaupt nicht. Das ist zwar ein kleiner Flughafen, aber Gebühren verlangt er wie ein großer. Die große Tragik von Berlin ist, dass Tempelhof geschlossen wird. Dafür müsste man euch erschießen. Das ist ein wunderschöner kleiner Flughafen. Und dann kommen einige idiotische Politiker und machen eine Art Museum daraus. Stattdessen gibt es bald diesen Riesenflughafen in der Pampa.

Drei Flughäfen für eine arme Stadt sind ein bisschen viel.

Tempelhof war sehr billig, die Nazis haben bereits dafür bezahlt. Das hätte ein fantastischer Flughafen sein können, wunderbare Landebahnen, günstige Preise – wenn Ryanair von dort geflogen wäre. Ihn aufzuwerten, hätte außerdem einige tausend Jobs schaffen können.

Warum haben Sie sich nicht gemeldet, als es noch nicht zu spät war?

Hab ich vor ungefähr fünf Jahren. Aber die Stadt wollte nicht. Sie haben mir gesagt: Entweder du gehst nach Tegel oder nach Schönefeld. Tegel ist lächerlich teuer, und Schönefeld ist auch teuer.

Sie haben ein Ultimatum gestellt: Entweder Schönefeld senkt in den nächsten zwölf Monaten die Gebühren, oder...

... wir werden Berlin gar nicht mehr anfliegen.

Bei einer Stadt mit 3,4 Millionen Einwohner ist das schwer zu glauben.

Glaubt ihr, ihr seid das Zentrum des Universums? Berlin ist winzig im Vergleich zu anderen Metropolen. Wir haben in Europa 31 Flughäfen, in denen wir Flugzeuge fest stationiert haben. Berlin gehört nicht dazu. Wir brauchen Berlin nicht. Aber Berlin braucht Ryanair.

Freuen Sie sich wenigstens ein bisschen auf den neuen Großflughafen BBI?

Weil sie uns zwingen, dahin umzuziehen? Es macht keinen Sinn, den gesamten Flugverkehr einer Stadt auf einen verstopften Großflughafen zu zwingen.

Haben Sie eine bessere Idee?

Berlin sollte sich London zum Vorbild nehmen und vier oder fünf Flughäfen betreiben. Und dann die Flughäfen und Fluggesellschaften ermutigen, so viele Routen und Flüge wie möglich anzubieten, um so viel Wettbewerb wie möglich zu schaffen. Was hier in Berlin passiert, ist wirklich ein dummer Plan.

Weil Sie höhere Gebühren zahlen müssen.

Fluglinien und Passagiere werden künftig durch das BBI-Monopol ausgebeutet, das wird für alle teurer.

Wollen Sie denn den Flugverkehr nach Schönefeld komplett einstellen?

Wir werden so lange nach Berlin fliegen, wie es Schönefeld gibt. Und für die Zeit danach bietet uns der Betreiber entweder Konditionen an, die auf Billigflieger zugeschnitten sind, oder wir sind weg.

Das Interview führten Maren Peters und Juliane Schäuble.

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