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Szene aus dem Werbespot "#heimkommen" der Supermarktkette Edeka.
© dpa

Imagewechsel: Wie sich Unternehmen neu erfinden

„Repositionierung“ nennt es der Fachmann: Wie Unternehmen versuchen, ihre Marken attraktiver zu machen.

Lidl tut es gerade, Opel hat es getan, genauso Jägermeister – und auch Edeka ist schon länger „supergeil“: Diese Unternehmen verpassten ihren Marken einen Neuanstrich. „Repositionierung“ nennt der Fachmann das – aus alt und verstaubt mach frisch und trendy.

Das Angebot selber muss dabei gar nicht unbedingt verändert werden. „Auch das Logo kann gleich bleiben“, sagt Christoph Sinemus, Kreativchef der Werbeagentur DeepBlue und seit 25 Jahren in der Branche unterwegs. „Das sollte man nur ändern, wenn es nicht mehr als zeitgemäß wahrgenommen wird.“ In erster Linie ist eine Neupositionierung eine Änderung in der Kommunikation.

Die aber ist zeitintensiv – und oft teuer. Fünf Jahre dauert es durchschnittlich, bis das neue Image als durchgesetzt gelten kann. Dabei darf das Unternehmen nicht nachlassen in seinen Anstrengungen, sein neues Selbstbild in den Köpfen der Verbraucher zu verankern. Gleichzeitig ist so ein Wandel ein großes Risiko: „Vielen Marken bekommt es nicht gut, wenn sie sich zu sehr von ihrem Markenkern entfernen“, meint Sinemus. Mithin wissen die Verbraucher hinterher gar nicht mehr, wofür die Marke nun eigentlich steht.

Wenn die Marke an Attraktivität verliert

Notwendig wird die Neuerfindung dann, wenn die Marke an Attraktivität verliert – und der Umsatz zurückgeht. Doch nicht nur Einbußen zwingen Unternehmen, sich neu zu definieren. „Märkte sind mittlerweile reine Verdrängungsmärkte“, sagt der Werbefachmann. Viele Produkte unterscheiden sich in Funktion oder Qualität kaum noch voneinander. Alle Shampoos reinigen die Haare und riechen gut. Will ein Hersteller seinen Marktanteil vergrößern, muss er etwas besonderes versprechen, die Emotionen der Käufer ansprechen.

Bei Opel ging es um alles. Vor zwei Jahren begann der Autobauer mit seiner strategischen Neuausrichtung. Seit den 90er Jahren hatte er kontinuierlich Marktanteile verloren. „Unsere klassische Kommunikation lief ins Leere“, sagt Tobias Gubitz, Director Brand Strategy bei Opel. Gleichzeitig schadete die Berichterstattung über drohende Werksschließungen dem Absatz nachhaltig.

Den Auftakt bildete schließlich die „Umparken“-Kampagne im Jahr 2014, in der Opel die Verbraucher aufrief, sich von gewohnten Denkmustern zu lösen. Darauf folgte eine weitere Kampagne, die die Autos in den Mittelpunkt stellte: „Wir wollen Opel als deutsche und nahbare Marke positionieren“, sagt Gubitz. „Autos, die man sich leisten kann und die aufregend sind.“ Besonders der Opel Adam wird in der Werbung als „Junger Wilder“ in Szene gesetzt. Schon jetzt ist der Erfolg messbar: Der Marktanteil in Deutschland hat sich stabilisiert, in vielen europäischen Ländern nimmt er sogar zu.

Direkt in die Bars und Kneipen gehen

Vorgemacht hat es Jägermeister. „Vor dieser Leistung habe ich Respekt“, sagt Martin Fassnacht, Marketingprofessor an der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz. Die Verjüngung der Marke liegt mittlerweile schon einige Zeit zurück. Damit reagierte Jägermeister auf immer mehr Importspirituosen wie Bacardi, Absolut oder Havana Club, die in den 80er Jahren auf den deutschen Markt drängten.

Jägermeisters Erfolgsrezept war, direkt in die Bars und Kneipen zu gehen, eine Strategie, die man sich in den USA abgeguckt hatte. Jägermeister erfand die „Jägerettes“, Promotionteams, die in die Gastronomie gingen und dort Schnapsverkostungen anboten. „Spirituosen sind eben Lifestyleprodukte“, sagt Unternehmenssprecher Christoph Eichel. So gelang es Jägermeister, aus dem lauwarmen Likörchen, das man nach dem Essen trank, ein cooles Szenegetränk zu machen, dessen Kühler auf den Theken der Bundesrepublik thronen.

Mit einer geschickten Repositionierung kann man sogar eine tote Marke wiederbeleben. Einst hatte fast jeder Berliner eine Flasche „Mampe Halb & Halb“ im Küchenschrank, ein Bitterlikör aus Kräutern und Bitterorangen. 1984 meldete die Spirituosenfirma Insolvenz an, die Produkte verschwanden. „Es wäre eine Schande gewesen, wenn man eine Marke, die so untrennbar mit Berlin verbunden ist, einfach sterben lässt“, sagt Tom Inden-Lohmar, Geschäftsführer des wiedergeborenen Mampe. Er kaufte Berentzen die Markenrechte ab und relaunchte die Marke 2012, verdoppelte den Preis. „Wir haben am Anfang eine Menge Prügel eingesteckt.“ Ein Jahr später entdeckte Edeka den Regionaltrend für sich, nahm Mampe ins Sortiment und andere zogen nach.

Ein Edelimage für den Discounter

Bei Lidl ist die Neuerfindung nicht ausgeschlossen. Der Discounter will sich ein Edelimage verpassen und stellt in seinen Kampagnen die Qualität in den Vordergrund. Ausgebaut hat Lidl vor allem den Frischebereich, also Backwaren, Obst und Gemüse. „Der Versuch, sich vom Discounter zur Marke zu entwickeln, ist konsequent“, meint Werber Christoph Sinemus.

Der Lebensmittelmarkt ist in Deutschland hart umkämpft. „Ein noch verschärfter Preiskampf wäre nicht sinnvoll, da verlieren alle.“ Skeptischer beurteilt Professor Fassnacht die Bemühungen: „Premiumqualität gehört nicht zu Lidls Markenkern.“ Der Händler laufe Gefahr, die Klientel abzuschrecken, die nur günstig und zügig einkaufen wolle.

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