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Elektroautos an einer Ladesäule auf einer Konferenz zu Elektromobilität in Leipzig. (Archiv)
© dpa/Jan Woitas

Alternative zu Diesel und Benziner: Wie sauber sind Elektroautos wirklich?

Sie produzieren keine klima- oder gesundheitsschädlichen Abgase. Aber die Herstellung und Stromversorgung von batteriebetriebenen Fahrzeugen werfen Fragen auf.

Kobalt ist kein Stoff, aus dem die Träume sind, eher die Albträume. Das harte und hitzebeständige Metall ist ein seltener Rohstoff. Er verbirgt sich vor allem im Erdreich Afrikas. Im Kongo wird mehr als die Hälfte des weltweit geförderten Kobalts aus dem Boden gekratzt – vor allem von Kindern.

Ihre Sklavenarbeit wird von Hilfsorganisationen seit Jahren angeprangert. Selbst der Bundesverband der deutschen Industrie würde den Kobalt-Lieferanten Kongo lieber heute als morgen vergessen. Doch es gibt mächtige Interessen, die dagegen sprechen. Der Weltmarktpreis für Kobalt ist in den vergangenen Monaten explodiert. Der Rohstoff ist unverzichtbar für die Produktion von Smartphone-Akkus – und für die Verkehrswende in Deutschland.

Elektroautos fahren nicht ohne Kobalt, denn in ihren Batterien ist ein hoher Anteil des Metalls verbaut. Die menschenverachtende und schmutzige Gewinnung nicht nur dieses Rohstoffs führt zu der Frage, wie umweltfreundlich E-Autos tatsächlich sind, wenn man nicht nur die (nicht vorhandenen) Abgase betrachtet, sondern auch die Produktion, den verwendeten Strom und die spätere Entsorgung. In der Debatte um den Abschied vom Verbrennungsmotor und die Förderung der Elektromobilität ist von „Umweltlüge“ und „Ökoschwindel“ die Rede. Die Klimabilanz der E-Fahrzeuge sei unter dem Strich so gut oder schlecht wie die von Diesel- und Benziner-Modellen.

Ein Drittel des Stroms stammt aus erneuerbaren Quellen

Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Ökobilanzen für batteriebetriebene Autos gibt es seit einigen Jahren, und mit dem technischen Fortschritt ändern sich die Parameter der Berechnungen ständig. Auf der Hand liegt, dass die Stromer das Klima schonen, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne und Wasser stammt. Im aktuellen Strommix Deutschlands kommen die Erneuerbaren auf einen Anteil von einem Drittel, der Rest wird vor allem in Kohlekraftwerken erzeugt.

Bei der Produktion einer Kilowattstunde (kWh) Strom wurden im Schnitt deshalb 2016 etwa 530 Gramm Kohlendioxid (CO2) emittiert. Umgerechnet auf den durchschnittlichen Verbrauch eines VW Elektro-Golf ergeben sich so gut 67 Gramm CO2 pro Kilometer. Der Golf Diesel 1.6 TDI kommt auf 106 Gramm, gemessen allerdings im Labor. Auf der Straße liegen die Werte bekanntlich um ein Vielfaches höher, Stickoxide, Benzol oder Kohlenmonoxid kommen hinzu.

Doch der Vergleich allein sagt noch nicht viel aus. „Das reine Elektroauto ist aus heutiger Sicht nicht per se sauberer oder schmutziger als ein herkömmlicher Diesel oder Benziner“, sagt Michael Held vom Fraunhofer Institut IBP in Stuttgart. „Es kommt immer auf die Art des Fahrzeugs und dessen Nutzung an.“

Der Ressourcenverbrauch beim E-Auto ist höher

Vergleicht man einen großen, schweren Tesla S mit einem Diesel-Kleinwagen, sieht die Bilanz aktuell anders aus. Eine Studie des schwedischen Umweltinstituts IVL ergab, dass bei der Herstellung einer 100-kWh-Batterie 15 bis 20 Tonnen CO2 entstehen. Das kleine Dieselauto oder ein vergleichbarer Benziner könnten der Studie zufolge 200 000 Kilometer fahren, bis sie so viel Klimagas ausgestoßen haben. Allerdings berücksichtigte das Institut nicht, wie viel Energie bei der Herstellung des Verbrennungsmotors verbraucht wird. Tesla hat zudem angekündigt, seine Batterien in der eigenen Fabrik klimaneutral zu produzieren.

Nicht nur Autos. Elektromobilität muss in ihrer Gesamtheit – vom Rohstoff bis zum Recycling – betrachtet werden.
Nicht nur Autos. Elektromobilität muss in ihrer Gesamtheit – vom Rohstoff bis zum Recycling – betrachtet werden.
© Getty Images/iStockphoto

Das Umweltbundesamt (UBA) rechnet aus, dass ein reines Elektrofahrzeug gegenüber einem konventionellen Benziner-Pkw schon beim heutigen Strommix einen Klimagas-Vorteil von 20 Prozent hat. Mit Blick auf den Ressourcenverbrauch ist es aber wohl so, dass die Bilanz der E-Auto-Produktion heute noch ungünstiger ist als beim Verbrenner. Laut UBA liegen die Schwächen in den höheren Feinstaubemissionen, dem größeren Wasser- und Rohstoffverbrauch.

„In den derzeitig gängigen E-Fahrzeugen sind Batterien von circa 200 bis 250 Kilogramm verbaut, je nach Modell und Reichweite auch mehr“, sagt Michael Held. Diese würden mit hohen Anteilen an Hightech-Werkstoffen realisiert, „welche im Vergleich zu den herkömmlichen Fahrzeugwerkstoffen mit höheren Umweltwirkungen verbunden sind“. Das, so Held, müsse in der Fahrzeugnutzung kompensiert werden, um die Ökobilanz auszugleichen – etwa bei der Stromgewinnung, bei der Fahrleistung, im Nutzungskontext des E-Autos.

Ausbau E-Mobilität und Erneuerbare muss parallel erfolgen

Bei insgesamt hoher Lebensfahrleistung und im Stadtverkehr, wo beim Bremsen viel Energie in die Batterie zurückfließt, sind Elektroautos den Verbrennern aus Klimasicht überlegen. Der Vorteil wird sich vergrößern, wenn die Energiewende so stattfindet wie geplant und der Anteil der Erneuerbaren am Strommix steigt. „Es bringt nichts, Strom aus erneuerbaren Quellen nur für die Nutzung in Elektroautos umzuwidmen“, sagt Fraunhofer-Forscher Held. Für eine bessere Klimabilanz der Fahrzeuge müsse zusätzlich erneuerbare Energie gewonnen und genutzt werden. Auch das Öko-Institut kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass der Ausbau der Elektromobilität Hand in Hand gehen muss mit einem Ausbau der erneuerbaren Energien. Steige ihr Anteil am Strommix parallel zur Nutzung von E-Autos, könnten 2030 für jede Tonne CO2, die bei der Stromerzeugung für ein Elektroauto entsteht, zwei Tonnen CO2 im Verkehr eingespart werden.

Und heute? Sind Elektroautos wirklich das umweltfreundlichste Vehikel, um die Energie- und Verkehrswende parallel zu schaffen? „Natürlich müssen und können auch Elektrofahrzeuge noch technologisch weiterentwickelt werden – zum Beispiel in Bezug auf Effizienz, Speicherkapazität, Reichweite, aber sicher auch im Hinblick auf die Batterieart“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dem Tagesspiegel. Am Ende gehe es darum, einerseits den öffentlichen Verkehr sowie Rad- und Fußgängerverkehr zu stärken und andererseits den Autoverkehr klimaverträglich zu machen. „Dazu müssen wir die E-Mobilität ausbauen“, sagte Hendricks.

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