Flüchtlinge in privaten Wohnungen: Wie kann ich einen Flüchtling bei mir aufnehmen?
Angesichts der überfüllten Unterkünfte wollen viele Berliner helfen, zum Beispiel mit privaten Wohnangeboten. Die wichtigsten Fragen und Schritte
Es herrschen zunehmend unhaltbare Zustände in Berlin: Obdachlose Flüchtlinge, Asylsuchende, die stundenlang in der Hitze auf ihre Aufrufnummer vor dem Lageso warten, immer wieder Bilder von überfüllten Erstaufnahmestellen und Sammelunterkünften, auch im Rathaus Wilmersdorf wohnen vorübergehend Flüchtlinge. Es scheint, als seien alle Beteiligten in Politik, Verwaltung und Vereinen überfordert. Die private Unterbringung von Flüchtlingen ist eines der ausgerufenen Ziele einer weiterdenkenden Flüchtlingspolitik. Viele Menschen, die die Geschehnisse verfolgen, fragen sich: Wie kann ich helfen? Das ist ganz einfach: Wer ein Zimmer oder eine Wohnung zu vermieten hat, kann die an einen Asylsuchenden oder eine Flüchtlingsfamilie vermieten. Wie genau? Ein Leitfaden.
Ich möchte einen Flüchtling bei mir aufnehmen. An wen wende ich mich?
Einzelpersonen, Familien oder auch Wohngemeinschaften, jeder, der ein geeignetes Zimmer oder eine freie Wohnung zur Verfügung hat, kann einen Flüchtling bei sich aufnehmen. Für Flüchtlinge zuständig ist je nach Wohnort das zuständige Sozialamt, in Berlin das Lageso. Im Auftrag des Lageso kümmert sich das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) um die Vermittlung von Flüchtlingen an privaten Wohnraum. Telefonisch erreichen Sie das EJF unter 030/30873652. Per Mail unter wohnungen-fuer-fluechtlinge@ejf.de
Wer sind die Menschen, die das EJF vermittelt?
Das Fürsorgewerk vermittelt ausschließlich Menschen, die sich im Asylverfahren befinden, also Asylsuchende, auch Asylbewerber genannt. Das heißt: Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und hier Anspruch auf Asyl geltend gemacht haben. Ihr Anspruch wird vom Bundesamt für Migration geprüft. Durchschnittlich dauert die Prüfung in Berlin 5,5 Monate, kann aber auch deutlich länger sein. Vom EJF vermittelt wird nur, wer zuvor drei bis sechs Wochen in einer Sammelunterkunft war. Das EJF vermittelt weder anerkannte Flüchtlinge noch Geduldete. Auch dafür gibt es Möglichkeiten – aber dazu später im Leitfaden.
Ich besitze eine freistehende Wohnung und möchte sie an einen Flüchtling vermieten. Wie ist das Prozedere beim EJF?
Jeder Eigentümer, der einen Flüchtling bei sich aufnehmen möchte, reicht ein Mietangebot und einen Eigentumsnachweis beim EJF ein, zum Beispiel eine Kopie des Grundbuchauszugs. Danach vereinbart die Beratungsstelle des EJF einen Besichtigungstermin mit bis zu drei Flüchtlingen. Der Vermieter kann sich dann für einen entscheiden – aber auch die Flüchtlinge haben die Möglichkeit, das Angebot abzulehnen. „Das ist auch durchaus schon vorgekommen“, sagt Julie von Stülpnagel, Sprecherin des EJF, „zum Beispiel, wenn die Wohnung zu weit draußen lag.“ Wenn beide Seiten sich füreinander entscheiden, bereitet das EJF den Antrag auf Mietkostenübernahme vor, der beim Lageso eingereicht wird. Das Lageso übernimmt auch die Kaution. In einem zweiten Beratungsgespräch wird dem künftigen Mitbewohner der Mietvertrag übersetzt und erläutert, anschließend unterschreibt er ihn. Zwei bis vier Wochen dauert dieser Prozess. Wenn die Wohnung unmöbliert ist, übernimmt das Lageso auch die Erstausstattung. Sie muss aber bezugsfertig sein, die Kosten für eine Renovierung übernimmt das Lageso nicht. Das Lageso akzeptiert keine befristeten Mietverträge, Vermieter sollten daran interessiert sein, dass der Mieter möglichst lange bei ihnen wohnen.
Was muss ich mitbringen, wenn ich einen Flüchtling als Mitbewohner aufnehmen möchte?
Für ein freistehendes Zimmer muss ein Mieter nachweisen, dass der Vermieter mit dem potenziellen Untermieter einverstanden ist. Das EJF prüft, ob das Zimmer eine angemessene Größe hat und ob der Preis angemessen ist. Es gelten dieselben Richtlinien wie für Hartz-IV-Empfänger: Zwei Personen sollten mindestens 30 Quadratmeter zur Verfügung haben, die Miete für beide darf aber etwa 440 Euro nicht übersteigen. Außerdem gilt – wie bei jedem anderen Mitbewohner auch – Gemeinschaft ist gut, Rückzug ist wichtig. Ein Mensch nach einer möglicherweise traumatisierenden Flucht braucht Ruhe und Sicherheit, eigene vier Wände, ob das nun eine Wohnung oder ein Zimmer ist. Pro Asyl weist auf die besonderen Herausforderungen von Zusammenleben in einer WG oder Gemeinschaftsunterkunft hin: Die Vorstellungen von gemeinsamem Wohnen können sehr unterschiedlich sein. Flüchtlinge sind so vielfältig wie Menschen eben sind.
Wie finde ich heraus, ob meine Wohnung oder mein Zimmer angemessen sind?
Entweder mit einem Anruf beim EJF oder mit einem Blick auf diese Tabelle.
Kann ich einen Flüchtling auch umsonst bei mir wohnen lassen?
Es besteht keine Pflicht, Miete zu erheben. Es gibt durchaus Initiativen, die Menschen solidarisch aufnehmen: Studentenbuden, die sich die Miete eines Flüchtlings teilen etwa oder Familien, die einen Flüchtling umsonst in einem freien Gästezimmer aufnehmen. Der Berliner Flüchtlingsrat warnt aber, dass so auch eine ungesunde Abhängigkeit entstehen könnte. Sich einen Flüchtling ins Haus zu holen und ihn wieder loswerden, weil man keine Lust mehr hat, ist keine Option. Am besten sei ein ganz normaler privatrechtlicher Mietvertrag zwischen zwei mündigen Parteien.
Habe ich besondere Verpflichtungen, wenn ein Flüchtling mein Mitbewohner wird?
Ein Flüchtling ist ein normaler Mitbewohner oder Mieter und so sollte auch mit ihm umgegangen werden. Auch die Mär von erhöhtem Risiko und Beitragserhöhung seitens der Versicherer ist „absurd“, wie ein Sprecher des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer bestätigt. „Sie müssen ihrer Versicherung natürlich nicht Bescheid sagen.“
Probleme, die auftreten könnten
Und wenn es Probleme mit dem neuen Mitbewohner gibt?
Das Mietverhältnis ist ein ganz normales Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten. Das bedeutet, es gibt Kündigungsfristen, mit der das Mietverhältnis zum Monatsende aufgelöst werden kann die gesetzliche liegt bei drei Monaten, Das EJF empfiehlt, die Hausordnung zum Teil des Mietvertrages zu machen und sie auch mit dem neuen Bewohner zu besprechen. Bei Konflikten hilft das EJF auch, es vermittelt oder schickt einen Dolmetscher.
Was, wenn wir keine gemeinsame Sprache sprechen?
Viele Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, sprechen je nach Herkunft auch Sprachen, die auch hier üblich sind, ein wenig Französisch oder Englisch etwa; die meisten sprechen aber noch kein oder nur schlechtes Deutsch. Man kann aber davon ausgehen, dass jeder, der hier ankommt, grundsätzlich willig ist, die Sprache seines neuen Zuhauses zu lernen. Viele Flüchtlinge, die schon länger in Deutschland sind, sprechen zumindest genug, um alltägliche Sachverhalte zu klären. Jede Berührung mit der deutschen Sprache hilft Flüchtlingen beim Lernen. Bis dahin muss eben mit Hand und Fuß kommuniziert werden. Angebote für Deutschkurse gibt es in Berlin sehr viele. Als erste Anlaufstelle kann man die Kontakt- und Beratungsstelle für außereuropäische Flüchtlinge e.V. (KUB) in der Oranienstraße nennen, erreichbar unter 030/6149400, die Volkshochschule Tempelhof-Schöneberg oder Multitude e.V..
Wie kann ich sicher gehen, dass mein Mitbewohner gesund ist?
Jeder Asylbewerber hat, sobald er die Erstaufnahme verlassen hat, eine Krankenversicherung. In Berlin bekommt jeder einen Krankenschein pro Quartal, mit dem er einen Arzt besuchen kann. Man hat als Vermieter natürlich kein Recht darauf, die Krankenakte eines potenziellen Mieters einzusehen, genauso wenig, wie bei allen anderen Mitbewohnern. Diese Krankenversicherung bekommen auch nur Asylsuchende, die die Erstaufnahme bereits verlassen haben. Auch bereits anerkannte Flüchtlinge haben ein Anrecht auf eine Krankenversicherung. Bei kürzlich Angekommenen ist das anders: Wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, verbringen sie erst einmal mindestens drei Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung, meist deutlich länger. Dort werden sie auf alle üblichen Krankheiten gecheckt. Da viele Lager aber heillos überbelegt sind, kann man aber nicht davon ausgehen, dass die Versorgung dort auf besonders hohem Niveau stattfindet. Im Zweifel können Sie ihren künftigen Mitbewohner auch über das medizinische Prozedere in Deutschland aufklären und ihren eigenen Impfstatus überprüfen. Was die psychische Gesundheit angeht, ist die Situation eher noch schlechter: Geflüchtete sind oft von Krieg oder Flucht traumatisiert und reagieren darauf sehr unterschiedlich. Manchmal ist auch psychologische Unterstützung notwendig hier kann das Psychosoziale Zentrum BAFF weiterhelfen, Telefon: 030/31012463.
Kann ich auch einen minderjährigen Flüchtling aufnehmen?
Das EJF vermittelt keine Minderjährigen, für minderjährige Flüchtlinge sind die Jugendämter zuständig. Grundsätzlich sind Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF) in Berlin relativ gut versorgt. Nach einer kurzen Aufenthaltszeit in einem Erstaufnahmelager werden sie nach dem üblichen Verteilungsschlüssel Jugendämtern verschiedener Regierungsbezirke zugeteilt. Mit dem Verfahren erwachsener Asylbewerber hat die Versorgung von UMF wenig zu tun. Wer mehr darüber erfahren will, kann sich an den Bundesfachverband für UMF wenden.
Gibt es auch andere Möglichkeiten, Flüchtlinge aufzunehmen?
Das EJF vermittelt nur Asylsuchende, keine anerkannten Flüchtlinge, keine Menschen, die unter subsidiärem Schutz stehen, keine Geduldeten (also nicht anerkannte Flüchtlinge, deren Abschiebung aber ausgesetzt ist). Um diesen Menschen eine Wohnung anzubieten, kann man andere Wege gehen. Das EJF ist zwar die einzige zentrale Vermittlungsstelle in Berlin, aber es gibt noch eine Reihe anderer, die nicht direkt vom Lageso beauftragt sind. Das sind entweder andere Portale, die ebenfalls schon Erfahrung mit der Vermittlung von Flüchtlingen haben, oder man kann auch direkt mit Flüchtlingsorganisationen vor Ort sprechen. Es ist auch möglich, Nothilfe für ein paar Nächte leisten. Alternative Vermittler wären etwa die Website fluechtlinge-willkommen.de, die bereits 79 erfolgreiche Vermittlungen verbuchen kann oder das ähnliche klingende flüchtlingwillkommen.de, das auch auf der Website des EJF verlinkt wird. Außerdem vermittelt die Herz-Jesu-Kirche (Ulrike Meier, ulrike_meier@hotmail.com, Telefon: 0162 98 82 764) private Wohnungen und Zimmer. Für Nothilfe wendet man sich am besten an lokale Flüchtlingsorganisationen, der Berliner Flüchtlingsrat hat für Berlin eine Linkliste zusammengestellt. Auch mit der Aufnahme von anerkannten Flüchtlingen kann die lokale Flüchtlingsberatungsstelle weiterhelfen. Pro Asyl hat auf seiner Website einen ausführlichen Leitfaden, wie man Flüchtlinge aufnehmen kann – auch solche, die nicht zur Gruppe der Asylsuchenden gehören.