Ärgernis KFZ-Zulassung: Wie in einer Bananenrepublik
In Berlin braucht man bei der Zulassung eines Autos starke Nerven, viele Wochen dauert das mittlerweile. Doch das liegt nicht am Personalabbau in den Ämtern - sondern eher an der Arbeitsmoral der Mitarbeiter.
Es gibt Geschichten, die glaubt einem außerhalb Berlins kein Mensch. Dafür muss man nicht gleich abheben und vom BER reden. Man kann auf der Erde bleiben und von dem Versuch erzählen, als Privatperson ein neu oder gebraucht gekauftes Auto anzumelden. Dabei wird man zunächst einmal verblüfft feststellen, dass es in der Millionenstadt Berlin nur zwei Zulassungsstellen gibt: eine in Kreuzberg, die andere in Hohenschönhausen.
Früher konnte man mit seinem Vehikel einfach dort hinfahren, eine Nummer ziehen und musste dann warten, bis man aufgerufen wurde. Das konnte im schlimmsten Fall vier oder fünf Stunden dauern; war dann aber erledigt. Seit 2013 wird nur noch vorgelassen, wer sich zuvor telefonisch oder via Internet angemeldet hat. In der Regel bekommt man nach vier Wochen einen Termin. Wenn man das telefonisch macht und einem dabei ein kleiner Fehler unterläuft (Beispiel: Der Vater macht einen Termin auf seinen Namen, das Auto soll dann aber auf den der Tochter zugelassen werden) wird man als Antragsteller erneut in die Warteschleife geschickt.
Lukrative Geschäfte für Terminhändler
Die Behörde hat Namenswechsel vor Ort ausgeschlossen, um die Geschäfte von Terminhändlern zu unterbinden. Für Autohändler oder Zulassungsdienste gibt es nämlich Extra-Schalter, an denen die professionellen Antragsteller Fahrzeuge gleich für mehrere Kunden anmelden können. Aber auch für die beträgt die Wartezeit mittlerweile schon rund eine Woche.
Alle Reglementierungsversuche der Behörde haben bisher nicht verhindern können, dass es geschäftstüchtige Vermittler gibt, die alle Tricks kennen und die zu Honoraren zwischen 40 und 200 Euro für schnellere Zulassungstermine sorgen. Wie in einer Bananenrepublik. Dass es so weit kommen konnte, liegt angeblich am Personalabbau. In der Zulassungsstelle Hohenschönhausen arbeiteten beispielsweise 2009 noch 243 Mitarbeiter; 2014 aber nur noch 210.
Die tatsächliche Anwesenheit der Mitarbeiter ist das Problem
In der freien Wirtschaft hätte man den Personalbestand unter den gegebenen Umständen wahrscheinlich halbiert. Denn die elektronische Datenverarbeitung hat den Beamten und Angestellten in den Zulassungsstellen inzwischen einen Großteil ihrer Arbeit abgenommen. Heute müssen kaum noch Formulare ausgefüllt werden. Sogar für die Bezahlung stehen Automaten bereit.
Nicht die theoretische Personalstärke, sondern die tatsächliche Anwesenheit der Mitarbeiter in den Zulassungsstellen ist nämlich das Problem. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der Hauptstadt sind durchschnittlich 40 Tage im Jahr krank. Damit liegen sie nicht nur in der Berliner Statistik, sondern auch bundesweit an der Spitze. Das erinnert fatal an die Zustände in der DDR, wo viele in Staatsbetrieben oder bei Behörden Beschäftigte zusätzliche sechs Wochen "SVK-Urlaub" im Jahr nahmen. SVK wurde mit "Sozial-Versicherungs-Kasse" übersetzt. Aber damals gab es ja auch noch kein modernes Personalmanagement.
Diese Kolumne erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen
Joachim Hunold