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Greta Thunberg hat eine Forderung an das Treffen in Davos: Raus aus den fossilen Brennstoffen - sofort.
© REUTERS
Update

Vom Weltwirtschaftsforum zum Weltklimaforum: Wie Greta Thunberg das Davos-Programm verändert

Statt um Freihandel und offene Märkte geht es um Umwelt und Klima: Das Weltwirtschaftsforum in Davos wandelt sich grundlegend.

Das 50. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) beginnt erst am Dienstag, doch der Ton ist schon gesetzt – und er kommt nicht vom Ausrichter. Es ist die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die selbst bei der Veranstaltung (21. bis 24. Januar) in Davos erwartet wird, die klarmacht, was in den Schweizer Bergen passieren soll.

„Wir verlangen“, schrieb Thunberg im Namen der weltweiten Klimabewegung in einem offenen Brief in der britischen Zeitung „Guardian“, dass alle Teilnehmer, ob Unternehmen, Organisationen oder Regierungen, „unverzüglich und vollständig“ alle Investitionen in fossile Brennstoffe beenden.

Am Montag, unmittelbar vor Beginn des Davoser Treffens, riefen Wissenschaftler alle Politiker und Wirtschaftsbosse auf, wissenschaftliche Fakten zum Klimawandel in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen.

Dazu rief Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, am Montag in Davos auf, der gemeinsam mit anderen Klimaforschern und Aktivisten die Initiative „Versammelt Euch hinter der Wissenschaft“ („Unite Behind The Science“) ins Leben gerufen hat, zu deren Unterstützern Thunberg gehört, die ihre Teilnahme am Start aber aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. „Ich will nicht, dass Führungskräfte mir zuhören. Ich will, dass sie den Wissenschaftlern zuhören und sich hinter der Wissenschaft vereinen“, sagte Thunberg einer Mitteilung zufolge. „Und dann sollen sie die notwendigen Handlungen unternehmen, die helfen, die Klimaziele zu erreichen.“

„Ich will, dass Ihr in Panik geratet“, sagte Thunberg im vergangenen Jahr

Klima und Umwelt: Schon im Vorjahr wurde Thunberg zum Gesicht des WEF-Jahrestreffens. „Ich will, dass Ihr in Panik geratet“, denn das gemeinsame Haus Erde stehe in Flammen, hatte die heute 17-Jährige damals Teilnehmern zugerufen. Fortan stand Thunberg im Mittelpunkt der Wahrnehmung, das „Time“-Magazin kürte sie schließlich zur Person des Jahres 2019.

In Davos wird Thunberg aller Voraussicht nach wieder eine zentrale Rolle einnehmen. Das WEF will die Aktivistin unterstützen, sich selbst aber vor Vereinnahmung schützen. „Wir haben sie wieder eingeladen, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum Werkzeug für den Hype werden, der um sie herum entstanden ist“, sagte WEF-Gründer Klaus Schwab vor kurzem der Zeitung „Die Welt“.

Wichtig sei, den Blick zu weiten. „Es geht nicht um Greta allein, es geht um die Sorge einer ganzen Generation, dass wir nicht genug tun, um unsere Umwelt so zu erhalten, dass sie uns auch weiterhin Freude machen wird.“ Daher hat das WEF neun weitere Jugendliche eingeladen, die „weniger bekannt sind als Greta“, so Schwab.

Die Organisatoren um Klaus Schwab wollen die Marke WEF erwachsen machen und die Folgen der Globalisierung in den Blick nehmen. Das scheint auch notwendig: Im Vergleich zum ersten Forum im Jahr 1971 ist die Weltbevölkerung mit 7,7 Milliarden Menschen mehr als doppelt so groß, Chinas Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung über fünf Mal - und die Durchschnittstemperaturen sind etwa ein Grad höher.

Thunberg und Trump – wer stiehlt wem die Schau?

Aus den etwa 3000 Teilnehmern ragt neben der Schwedin vor allem US-Präsident Donald Trump heraus. Dass ausgerechnet Thunberg ihm die Schau stehlen könnte, dürfte Trump ärgern. Nachdem sie zur „Person des Jahres“ gekürt worden war, bezeichnete er das auf Twitter als „lächerlich“. Giftig schob er nach: „Greta muss an ihrem Problem mit Aggressionsbewältigung arbeiten und dann mit einem Freund einen guten alten Film anschauen! Entspann dich, Greta, entspann dich!“

Trump bezeichnete den Klimawandel früher als „Scherz“; davon ist er mittlerweile abgerückt, aber er bezweifelt immer noch, dass die Klimaveränderungen menschengemacht sind. Vielmehr schwärmt er gerne von der Ölförderung in den USA und preist Kohle als Rohstoff an.

Klaus Schwab, Gründer und Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums (WEF), ist offen für neue Akzente des Treffens in Davos.
Klaus Schwab, Gründer und Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums (WEF), ist offen für neue Akzente des Treffens in Davos.
© dpa

Für Windräder und Solarenergie hat er dagegen meist nur Spott übrig – was auf seinen Wahlkampfveranstaltungen vor seinen republikanischen Anhängern immer gut ankommt. Zudem hat Trumps Regierung viele Umweltschutzvorschriften abgeschwächt oder ganz aufgehoben.

Das Weltwirtschaftsforum will eine Billion Bäume pflanzen

Das WEF allerdings signalisiert bereits mit dem Motto der 50. Jahrestagung, wie wichtig ihm die Umwelt ist. „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“, lautet es in der für das WEF typischen, etwas hölzernen Form. Wirtschaftsprofessor Schwab verspricht greifbare Resultate: „Das Jahrestreffen wird eine Werkstatt sein, keine Quatschbude.“

Die Vorhaben klingen riesig: Eine Milliarde Menschen will das Forum gemeinsam mit Partnern fit machen für Jobs in der digitalen Welt, außerdem bis Ende der 2020er Jahre eine Billion Bäume pflanzen.

Das WEF will aufholen. „Wir hätten den sozialen Faktoren und der Umwelt mehr Gewicht geben müssen“, räumte Schwab in einem Interview mit der Zeitschrift „Bilanz“ selbstkritisch ein. Wirtschaft und Gesellschaft haben sich rasant verändert, seitdem Schwab das Davoser Treffen 1971 ins Leben gerufen hat.

Werden sie einander wieder begegnen? US-Präsident Donald Trump, Klimaleugner, und die 17-jährige Greta Thunberg, Klimaaktivistin.
Werden sie einander wieder begegnen? US-Präsident Donald Trump, Klimaleugner, und die 17-jährige Greta Thunberg, Klimaaktivistin.
© REUTERS

Dabei seien viele Menschen vergessen worden – die sich nun dem Nationalismus zuwendeten. „Das Mantra der großen Öffnung war doch vor allem ein elitäres Projekt“, so Schwab. Es sind durchaus neue Töne.

Zwar hat das WEF entgegen der öffentlichen Wahrnehmung stets gefordert, dass Wirtschaft und Politik zuerst dem Allgemeinwohl dienen sollen und nicht dem Einzelnen. Doch hängen blieb stets das Bild des „Davos Man“, eines reichen, weißen, mächtigen und abgehobenen Managers, der unter seinesgleichen in elitären Zirkeln nur den eigenen Profit zu mehren versucht.

Auch dieses Jahr werden wieder umstrittene Staatschefs Reden halten

Auch deshalb lädt Schwab schon seit Jahren Kritiker und Globalisierungsgegner nach Davos. In den Schweizer Alpen wurden Initiativen gestartet wie die Impfallianz Gavi, dank der seither Hunderte Millionen Kinder weltweit geimpft wurden. Solchem Engagement will das WEF mehr Aufmerksamkeit sichern. „Wir stehen für ein vernünftiges Management unserer globalen Probleme“, betonte Schwab in der „Bilanz“.

Zum Konzept gehört auch, Politiker jeder Couleur zu Wort kommen zu lassen. Schwab will nicht urteilen, kein „Leader“ soll ausgeschlossen werden.

Auch in diesem Jahr werden wieder umstrittene Staats- und Regierungschefs Reden halten in Davos. Aus der Teilnahme der Staatenlenker in den Schweizer Alpen sind in der 50-jährigen Geschichte des Treffens durchaus konkrete Abmachungen entstanden, unvergessen ist etwa der Handschlag zwischen Israels Premier Shimon Peres und Palästinenserführer Jassir Arafat 1994.

Ankündigungen gab es schon viele – umgesetzt wurde wenig

Auch bei den jüngsten Jahrestreffen gab es viele schöne Ankündigungen. Doch umgesetzt wurde davon wenig, wie langjährige Beobachter kritisieren.

Beispiel Xi Jinping: Chinas Staats- und Parteichef inszenierte sich 2017 mit blumigen Worten als Kämpfer für Freihandel. Doch ausländische Konzerne klagen noch immer über hohe Hürden – und innenpolitisch lässt Xi immer härter Hand gegen Kritiker vorgehen.

Beispiel Trump: Der US-Präsident deutete 2018 in einer sehr zurückhaltenden Rede sein Interesse an Kooperationen an – seither ließ er den Handelskonflikt mit China eskalieren und fährt auch gegenüber der EU eine harte Linie.

Insgesamt ist das Treffen in mehrere Themenbereiche gegliedert. Doch das Augenmerk gilt der Geopolitik – und dem Klima. „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder sogar 2021 getan werden“, schreibt Aktivistin Thunberg den Davos-Teilnehmern ins Stammbuch. „Wir wollen, dass sie jetzt erledigt werden - „jetzt“ wie in „genau jetzt“.“ Das Weltwirtschaftsforum könnte zum Weltklimaforum werden. (dpa/AFP)

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