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Simulation eines Flugtaxis des Münchner Herstellers Lilium. Das Unternehmen will ab 2025 vollelektrische Jets produzieren.
©  Lilium/dpa

Aufbruch in eine neue Welt: Wie fahren, fliegen und reisen wir in Zukunft?

Klimakrise und verstopfte Großstädte verändern unsere Mobilität. Von selbstfahrenden Schiffen, Flugtaxis und autonomen Lastwagen - ein Blick in die Zukunft.

Wie fahren, fliegen und reisen wir in Zukunft? Welche Fahrzeuge stehen uns zur Verfügung? Wie können wir uns klimafreundlich fortbewegen, und wie wird der Transport von Waren und Paketen in unseren Städten künftig organisiert? Ein Blick in die Zukunft:

LUFTVERKEHR: In einem Hightech-Hangar am Flughafen Denver bleibt den Ingenieuren von Boom Technology nicht viel Zeit. Anfang Oktober wollen sie den Prototypen XB-1 enthüllen – ein Überschallflugzeug, das das Erbe der Concorde antreten soll. Die flog zwar schnell von London nach New York, rechnete sich aber kaum und war eine Umweltsau.

Im 21. Jahrhundert soll das anders werden. „Überschallflüge gibt es seit mehr als 50 Jahren, aber die Technologien und Materialien, um sie effizient zu machen, haben wir erst heute“, heißt es bei Boom. Die Vision: in dreieinhalb Stunden von Europa in die USA. Wieder würde die Welt ein Stück kleiner werden. Die ersten Airlines haben bereits bei Boom die neuen Highspeed-Jets vorbestellt.

Der Traum vom Fliegen ist in der Gegenwart zum Albtraum geworden. Flugzeuge stehen auf Dauerparkplätzen oder werden gleich in die Wüste geschickt – wortwörtlich.

Der Stillstand wegen der Coronakrise beschleunigte das Ende der „Königin der Lüfte“, der Boeing 747, und des weltgrößten Passagierflugzeugs A380, den viele Airlines für immer aus dem Flugplan gestrichen haben. An der Zukunft, wird beteuert, soll aber nicht gespart werden.

Zwei deutsche Unternehmen bei Entwicklung von Flugtaxis dabei

Dabei helfen Corona-Milliarden und damit verbundener politische Druck. Airbus etwa verspricht, die Entwicklung hybridelektrischer Antriebe für Regionaljets und Wasserstoff-Flugzeuge zu beschleunigen. Den Nachfolger des A320, dem Arbeitstier vieler Fluglinien, könnte es in zwei Varianten geben: als „supereffiziente“ Weiterentwicklung mit 30 Prozent weniger Kerosinverbrauch, und als Wasserstoffflieger.

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Bis es soweit ist, wird wohl der gesellschaftliche Druck weiter steigen: Sobald sich der Flugverkehr normalisiert hat, dürfte auch die Klimakritik wieder lauter werden.

Schneller abheben werden Flugtaxis. Sie stehen an der Schwelle zur Serienfertigung und Alltagstauglichkeit, drehen vor allem in Asien schon ihre Runden. Mit Volocopter und Lilium sind zwei deutsche Unternehmen vorne mit dabei, aber die Konkurrenz aus China und USA ist groß. Auch Autohersteller wie Daimler, Porsche und Toyota entdecken den Zukunftsmarkt für sich.

Der Volocopter 2X steht in dem Lufttaxi-Vertiport VoloPort.
Der Volocopter 2X steht in dem Lufttaxi-Vertiport VoloPort.
© Cover Images/ZUMA Press/dpa

So wie Menschen überall auf der Welt heute ein Uber oder ein Carsharing-Auto per App buchen, bestellen sie demnächst ein Flugtaxi, glauben Fans der neuen Fortbewegungsart. Während hierzulande die Skepsis überwiegt, wie eine Tagesspiegel-Umfrage zeigt, scheinen Flugtaxis angesichts schnell wachsender Millionenstädte und Umweltproblemen durch herkömmlichen Verkehr anderswo wie eine Verheißung auf die Mobilität der Zukunft.

SCHIFFFAHRT: Sie stinkt nicht und sie lärmt nicht. Die Ampere gleitet leise über den Sognefjord in Norwegen. Die erste elektrische Autofähre der Welt verbindet Lavik und das sechs Kilometer entfernte Oppedal. 20 Minuten dauert die Fahrt, dutzende Male schippert das aus leichtem Aluminium gebaute Schiff täglich hin und her.

Die CO2-und Stickstoffoxid-Emissionen der von Siemens mitentwickelten Fähre liegen um 95 Prozent unter denen des Vorgängerschiffs. Die Betriebskosten seien um 80 Prozent gesunken, so die Betreiber, denn preiswerte Wasserkraft liefert den Strom. Über 50 weitere Schiffe des Typs haben Fährbetreiber bereits bei der norwegischen Werft Fjellstrand bestellt.

Die Ampere gibt einen Vorgeschmack, was möglich ist in der Schifffahrt. Große Containerriesen wären zwar zu schwer für Batteriebetrieb. Aber Fähren, Binnenschiffe und Yachten lassen sich elektrifizieren. In Skandinavien ist die Entwicklung vorangeschritten. Dort sind besonders viele „Tesla-Schiffe“ in Küstennähe unterwegs.

Kapitän an Bord nicht mehr immer nötig

Auch Belgien und die Niederlande treiben maritime Elektromobilität voran. Dort verkehren 5000 der europaweit 7300 Binnenschiffe, so Schätzungen. Künftig wird nicht immer ein Kapitän an Bord sein.

„Selbstfahrende Schiffe sind die Zukunft der Schifffahrt und so disruptiv wie das Smartphone“, heißt es beim Technologiekonzerns Kongsberg. Dieser baut mit an der „Yara Birkeland“, dem weltweit ersten autonomen Frachtschiff. 80 Meter lang, 3200 Tonnen schwer, Elektroantrieb.

Der 250 Millionen Euro teure Frachter soll zukünftig Dünger von einer an einem Fjord gelegenen Produktionsstätte zu 50 Kilometer entfernten Containerhäfen fahren und so 40.000 Lkw-Fahrten pro Jahr ersetzen. In diesem Jahr sollte es losgehen, aber dann kam die Coronakrise. Der Auftraggeber stoppte das Leuchtturmprojekt vorerst.

Mit Künstlicher Intelligenz soll auch die „neue Mayflower“ den Atlantik überqueren. Genau 400 Jahre, nachdem die ersten Siedler 1620 mit dem Original von Plymouth ins spätere Massachusetts übersetzten, könnte die Software „AI Captain“ im Herbst das Hightech-Schiff sicher über den Atlantik steuern.

An Bord ist dann kein einziger Mensch, auch das ein Aufbruch in eine neue Welt. Mit Hilfe von KI soll das in Danzig gebaute Schiff allein „unter einigen der schwierigsten Bedingungen auf dem Planeten unabhängig operieren“. Die ersten Hochseetests sind bestanden. Hinter dem Vorhaben stecken das US-Forschungsinstitut Promare und Softwareriese IBM, der den Markt für autonome Schiffe bis 2030 auf 130 Milliarden Dollar anwachsen sieht.

STADTVERKEHR: Staus in den Zentren, knapper Parkraum: Urbane Mobilität wird sich in den kommenden Jahren stark wandeln. Das Privatauto verliert an Attraktivität, auch wegen steigender Parkgebühren, wegfallender Parkplätze zugunsten von Rad- und Fußgängerinfrastruktur und Einfahrtsverbote für Benziner und Diesel. Im Gegenzug wird der öffentliche Nahverkehr durch Sharing-Angebote erweitert – Fahrräder, E-Scooter, Tretroller, Taxi- Dienste.

Intermodalität wird ein großes Thema, also die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel. Mobilitätsservices wie ShareNow, Moovel oder Jelbi bündeln Verkehrsträger und machen sie über eine einzige App buchbar – irgendwann auch mit Abo-Modellen, eine Art Netflix für die Mobilität.

Wer etwa nur Räder leihen will, zahlt eine relativ niedrige Gebühr, in All-inclusive-Angeboten sind neben ÖPNV, Rädern, E-Scootern und Tretrollern auch Mietwagen und Taxi-Fahrten enthalten.

Endgültig etablieren dürften sich Mobilitätsservices mit dem Durchbruch des autonomen Fahrens. Autos fahren dann selbständig von einer Person zur nächsten, um sie ans jeweilige Ziel zu bringen. Robotaxis werden irgendwann so günstig sein wie der ÖPNV – und damit auch als Alternative zum Auto enorm an Bedeutung gewinnen.

Ergänzen könnten sie autonome Shuttlebusse, die jetzt schon auf kleinen Strecken unterwegs sind. Außerdem schreitet die Vernetzung von Autos, Verkehrsschildern und Ampeln voran, wodurch Wartezeiten und Staus schrumpfen können. Zudem kommunizieren die Autos untereinander und können sich in Echtzeit verbinden – etwa, um in Kolonne zu fahren oder andere Verkehrsteilnehmer vor Gefahren wie Gegenständen auf der Fahrbahn oder Blitzeis zu warnen.

Ein autonomer Bus in der nordrhein-westfälischen Stadt Monheim.
Ein autonomer Bus in der nordrhein-westfälischen Stadt Monheim.
© picture alliance/dpa

Busse und Fahrzeuge der städtischen Betriebe werden elektrifiziert, die Ladeinfrastruktur ausgebaut. Neue Konzepte wie das Laden über Pantografen gewinnen an Bedeutung, weil sie die Reichweiten deutlich erhöhen. Gleichzeitig wird es für Busse und vor allem Schwerlastfahrzeuge als Alternative auch Lösungen mit Brennstoffzellenantrieb und Wasserstoff-Tankstellen geben.

Bei der Zustellung von Waren auf der „letzten Meile“ zum Kunden werden diese immer häufiger in Mikrohubs gesammelt und dann CO2-neutral per Lastenrad oder Sackkarre zugestellt. Ergänzen können die urbane Mobilität schließlich Drohnen-Taxis, die ab 2023 in die kommerzielle Nutzung gehen, in Ballungsgebieten zum Einsatz kommen und nicht nur Pakete, sondern auch Passagiere zwischen „Voloports“ hin- und hertransportieren sollen. Getestet werden die Taxis bereits in Dubai und Singapur.

LOGISTIK: Die Digitalisierung der Logistik wird die Branche gravierend verändern: Künstliche Intelligenz, autonome Lieferfahrzeuge und Gabelstapler machen Prozesse effizienter, erfassen Daten in Echtzeit und verhindern Ausfälle. Im Lager arbeiten Roboter künftig Seite an Seite mit Menschen und entladen Lkw, Mitarbeiter werden umgeschult.

Drohnen liefern fehlende Teile direkt ans Produktionsband. Durch das Internet der Dinge sind in Warenhäusern alle Objekte – etwa mit Sensoren ausgestattete Paletten – miteinander vernetzt, Logistikketten lassen sich in Echtzeit verfolgen. Transportaufträge werden papierlos mit digitalen Frachtbriefen abgewickelt.

Die Bezahlung erfolgt automatisch mit Smart Contracts über die Blockchain. Digitale Speditionen organisieren die logistischen Prozesse, wodurch neue Geschäftsmodelle entstehen („Logistics as a Service“, „Logistics Marketplaces“).

Der Logistikforscher Michael ten Hompel vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik arbeitet daran, eine Open-Source-Plattform für die Branche in Europa zu schaffen, um europäische Normen und Standards zu erhalten und Mittelständler im Wettbewerb mit großen Tech-Unternehmen aus den USA und China zu stärken.

Auch vollautonome Lkws könnten zum Einsatz kommen

Globalere und komplexere Wertschöpfungsketten führen zu einem neuen Supply-Chain-Management. Zum Beispiel: prognosebasierte Material- und Informationsflüsse, um Zuverlässigkeit und Qualität von Lieferungen zu verbessern. Güterverkehr wird zunehmend auf die Schiene verlagert, neue Schnittstellen zwischen Schiene und Straße geschaffen. Als neue Fahrzeuggeneration dürften auch vollautonome, als Schwarm organisierte Lkw zum Einsatz kommen. Sie orientieren sich über diverse Kameras und könnten gemeinsam große Teile transportieren.

Auf dem Weg zu einem CO2-neutralen Transport wird der Lkw-Verkehr elektrifiziert – zum Teil mit rein batterielektrischen Fahrzeugen, vor allem aber mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw. Aktuell laufende Tests von Lkw mit alternativen Antrieben im Werkspendelverkehr sind da erst der Anfang.

Wasserstoff-Antriebe könnten sich auch im Drohnentransport durchsetzen, weil dadurch das Batteriegewicht deutlich verringert und damit die Reichweite gesteigert werden kann. Der Brennstoffzellenhersteller Ballard Power bringt sich bereits mit Tests und Kooperationen in Stellung. Ein weiteres Puzzleteil der Elektrifizierung sind Hybrid-Lkw, die Oberleitungsstrecken auf vielbefahrenen Bundesautobahnen nutzen. Derzeit errichten Bund und Land Baden-Württemberg die dritte Oberleitungs-Teststrecke in Deutschland.
AUTOMOBILE ZUKUNFT: Dem Auto kommt mit Blick auf die Mobilität der Zukunft eine besondere Rolle zu. Fahrzeuge werden schon bald aus digitalisierten Komponenten bestehen, die steuerbar und programmierbar sind. Ausgestattet sind sie mit moderner, intelligenter und umweltfreundlicher Antriebstechnik. Langfristig soll das Fahrzeug so intelligent sein, dass es das Verhalten des Menschen imitiert.

Nicht nur das Fahrzeug mit seinem Hochleistungsrechner wird intelligent sein. Auch die mit Sensoren und Kameras ausgestattete Straße und die Großrechner in der Cloud verfügen über Intelligenz.

Alle drei Instanzen werden ähnliche Fähigkeiten besitzen; sie werden Daten aus den verschiedenen Quellen zusammenführen, daraus wichtige Merkmale extrahieren und diese in verschiedene Repräsentationsformen überführen. Aus all diesen Merkmalen generiert sich ein aktuelles, digitales Bild des Verkehrsgeschehens. Das ist vergleichbar mit einer Flugraumkontrolle.

Auch dort bekommt der Pilot von seiner Leitstelle hochpräszise Informationen über den Flugraum. Mit diesem Überblick können die Autos weiterschauen als ihre Sensoren und Kameras reichen, sogar Aussagen über die Zukunft sind möglich.

Sahin Albayrak
Sahin Albayrak
© TU

Auf Basis dieser Fähigkeiten ist das Fahrzeug in der Lage, möglichst optimale Fahrmanöver zu planen und auszuführen. So werden die Fahrzeuge wissen, wenn sie langsamer fahren müssen, weil vor ihnen eine Baustelle liegt oder weil es in wenigen Minuten anfängt, stark zu regnen.

Für Passagiere ergeben sich durch die automatisierte Steuerung neue Möglichkeiten. Das Nutzerverhalten wird sich ändern. Je nachdem, wohin Menschen unterwegs sind, werden die Mobilitätsdienste entsprechende Umgebungen schaffen: Das Fahrzeug für den Weg zur Arbeit gleicht einem Büro, damit sich der Passagier auf den Tag vorbereiten kann, auf dem Weg nach Hause sorgt es für eine entspannte Atmosphäre.

Mit der Digitalisierung und zunehmenden Vernetzung ergeben sich allerdings auch neue Möglichkeiten für Angriffe und Manipulation der Systeme. Deshalb ist es wichtig, alle Komponenten mit geeigneter Sicherheitsfunktionalität auszustatten.

Dieses und andere offene Fragen begleiten Forschung und Wissenschaft. Für uns Forscherinnen und Forscher ist die Erprobung in sogenannten Reallaboren wichtig, in denen die Systeme trainiert und gesichert werden können. Dafür werden auf digitalisierte Teststrecken und Versuchsträgern qualitativ hochwertige Daten erzeugt. Reallabore unterstützen zudem die Entstehung von Ökosystemen, aus denen sich neue High-Tech-Unternehmen bilden und deren Lösungen für die Gesellschaft erlebbar gemacht werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer fördert und fordert diese Initiativen.

Der Abschnitt zur Automobilen Zukunft stammt von Sahin Albayrak. Er ist Professor für Informatik an der TU Berlin. 2019 hat er auf der Straße des 17. Juni die europaweit erste Teststrecke für automatisiertes und vernetztes Fahren eingerichtet.

Felix Wadewitz, Jutta Maier, Sahin Albayrak

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