Schufa-Eintrag, Kreditkarte gesperrt: Wie ein unbescholtener Bürger zum Inkassofall wurde
Er hat seine Rechnung pünktlich bezahlt. Dennoch wurde ein Berliner plötzlich mit Schreiben eines Inkassodienstes bombardiert.
Mit Geld kann Klaus Bosch umgehen. Das ist sein Job. Für ein Berliner Unternehmen legt er regelmäßig große Summen an. Vertrauenswürdigkeit ist oberste Pflicht. Deshalb möchte er seinen wahren Namen nicht in der Zeitung lesen.
Die Geschichte, um die es geht, handelt von einer eher kleinen Summe: nämlich 85 Euro. So viel kostete der Beitrag, den Bosch für einen Monat Mitgliedschaft an das Fitnessstudio Fitness First in Berlin-Zehlendorf bezahlen sollte. Und auch getan hat. Denn in Gelddingen ist Bosch zuverlässig. Charakterlich darf man ihn wahrscheinlich mit Recht als ein wenig stur bezeichnen.
Nie eine Mahnung bekommen
Deshalb reagierte der Berliner nicht auf die zahlreichen Schreiben eines Münchner Inkassodienstes, der ihn mahnte, den angeblich noch offenen Beitrag für die Mitgliedschaft im Februar zu begleichen. „Der Inkassoverein ist nicht mein Vertragspartner“, sagt Bosch. „Ich habe nur einen Vertrag mit Fitness First“. Vom Fitnessstudio habe er niemals eine Mahnung bekommen, betont er. Wie auch, denn die Rechnung ist pünktlich bezahlt worden. Dennoch gibt es Ärger. Das erste Schreiben des Inkassounternehmens trudelt am 25. Juli ein, weitere folgen im Zwei-Wochen-Abstand. Bosch wendet sich an Fitness First. Dort wird ihm gesagt, es handele sich um ein Versehen. Man habe die Mitgliedsnummer fälschlicherweise doppelt vergeben. „Für mich war die Sache damit erledigt“, erzählt Bosch.
Schufa-Eintrag, Kreditkarte gesperrt
Doch für andere nicht. Denn offensichtlich vergaß Fitness First, diese Information an den Inkassodienst weiterzugeben. Der schreibt darauf hin immer dringlichere Briefe an den vermeintlichen Schuldner. Die Sache eskaliert. Am 23. August erfährt Bosch, dass er plötzlich einen Schufa-Eintrag hat, seine Kreditkarte wird gesperrt. Für ihn, der in Gelddingen stets korrekt ist, eine „Unverschämtheit“.
Summe verdoppelt sich
Er schreibt erneut zwei Mails an Fitness First und bittet um Richtigstellung. Ohne Erfolg. Am 6. September droht ihm das Inkassobüro mit gerichtlichen Schritten und dem Gerichtsvollzieher. So weit will es der Mann aber nun doch nicht kommen lassen. Erstmals schreibt er jetzt auch an das Inkassobüro, legt Kopien des Kontoauszugs bei. Die Forderung, die einst 85 Euro betrug, liegt inzwischen bei 181,68 Euro – die Kosten des Inkassobüros und Verzugszinsen haben die Summe auf mehr als das Doppelte aufgebläht.
Es ist ein Unding, dass ein mutmaßlicher Gläubiger einfach einen Schufa-Eintrag veranlassen kann, ohne dass die Rechtmäßigkeit geprüft wird. Diese Praxis gehört abgeschafft.
schreibt NutzerIn ollisuko
Marcus Köster von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kennt solche Fälle. Häufig stecken dahinter Identitätsdiebstähle, bei denen Betrüger unter fremdem Namen Waren bestellen und dann nicht bezahlen. Manchmal sind es auch einfach nur Verwechslungen.
Wo muss man reklamieren?
Hätte Bosch das Inkassounternehmen über den Irrtum aufklären müssen? „Rechtlich ist er dazu nicht verpflichtet“, betont Jurist Köster. Vertragspartner von Bosch ist Fitness First, das Studio hätte das Inkassounternehmen zurückpfeifen müssen. Gegen Fitness First hätten sich auch weitere rechtliche Schritte, die Bosch hätte unternehmen können, richten müssen: Per Feststellungsklage hätte der Mann Fitness First zu der Erklärung zwingen können, dass die Forderung gegen Bosch nicht besteht. Den Schufa-Eintrag hätte der Mann selber löschen lassen können, er hätte aber auch Fitness First in die Pflicht nehmen können.
Sollten ihm Nachteile durch die Sperrung der Kreditkarte entstanden sein, hätte Bosch den Schaden der Fitnesskette in Rechnung stellen können, meint der Verbraucherschützer. So weit die Rechtslage. Aus praktischen Gründen wäre es aber wahrscheinlich schon sinnvoll gewesen, das Inkassounternehmen auf den Irrtum hinzuweisen, gibt Köster zu bedenken.
Inkassounternehmen prüfen nicht
Was die Hartnäckigkeit betrifft, mit der der Dienst die Forderung gegen Bosch verfolgt, so sei dem Inkassobüro kein Vorwurf zu machen, räumt Köster ein. „Für das Inkassounternehmen ist das ein normaler Auftrag, der Dienst kann nicht sehen, ob die Forderung besteht oder nicht“. Das liegt an der Trennung von Vertragspartner und Geldeintreiber. Anders ist es, wenn das Inkassobüro weiß, dass es keine Grundlage gibt.
Darf der Inkassodienst nehmen, was er will?
Dennoch hält Köster das Vorgehen des Inkassodienstes für rechtswidrig: „Die Inkassokosten sind viel zu hoch“, sagt er. Gesetzlich sei festgelegt, dass Inkassodienste nur das an Gebühren nehmen dürfen, was ein Anwalt für eine Inkassodienstleistung berechnen darf. Bis zu einer Summe von 500 Euro seien das 27 Euro. Doch die Praxis sieht anders aus: „Aus zehn Euro, um die es ursprünglich geht, werden plötzlich 200 Euro“, ärgert sich der Verbraucherschützer.
Fitness First lenkt ein
Für Bosch geht die Sache gut aus. Man habe das Missverständnis aufklären können, erklärt eine Fitness-First-Sprecherin gegenüber dem Tagesspiegel. Aufgrund eines systemischen Fehlers habe man die Zahlung nicht zuordnen können. Fitness First habe den Kunden mehrfach um einen Beleg der Zahlung gebeten, dadurch, dass dieser nicht bei der Aufklärung geholfen habe, sei ein automatischer Mahnprozess gelaufen. Bosch widerspricht: „Ich habe Fitness First die Zahlungsdaten zunächst telefonisch und später schriftlich mitgeteilt“, betont er.
Am Ende trägt Fitness First die Inkassokosten und hat den Schufa-Eintrag löschen lassen. „Wir bedauern außerordentlich, dass es dazu gekommen ist, konnten aber mittlerweile alles im Sinne aller Beteiligten lösen“, heißt es.
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