Städte- und Gemeindebund: Wie die Verkehrswende ohne Fahrverbote gelingen soll
DStGB-Chef Landsberg fordert langfristige Zusagen, um die Verkehrswende zu bewältigen. Am liebsten würde er aber endlich über andere Themen sprechen.
Wenn man das Inhaltsverzeichnis der Broschüre „Bilanz 2018 und Ausblick 2019“ des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) interpretieren wollte, so käme man möglicherweise zu folgendem Schluss: Der DStGB hofft, dass in diesem Jahr andere Themen im Vordergrund stehen als die Diesel-Debatte. Denn das Thema „Verkehrswende statt Fahrverbote“ ist ungeachtet der brennenden Aktualität erst Kapitel 20 von 24.
Passend dazu betonte der DStGB-Geschäftsführer Gerd Landsberg bei der Präsentation ebenjener Bilanz zunächst auch die anderen Aufgaben, die in diesem Jahr warten: Die Europawahl, der Handelsstreit und die Digitalisierung.
Das Inhaltsverzeichnis der Broschüre verrät jedoch auch, dass das Verkehrs-Kapitel so dick ist wie nur wenige andere. So weit man es auch nach hinten stellt, wartet noch eine Menge Arbeit, könnte man weiterdeuten. Und tatsächlich nutzte Landsberg die Präsentation der Bilanz dann doch, um die Position der Kommunen in der Diesel-Debatte erneut klarzustellen.
"Verkehrswende dauert fünf bis zehn Jahre"
„Das Thema ist von zentraler Bedeutung“, sagte er, meinte damit aber nicht nur den Dieselskandal, sondern die Verkehrswende im Ganzen. „Ich wünsche mir Investitionen in Milliardenhöhe für die Umwandlung des Verkehrs.“ Dabei sei Zeit sogar wichtiger als Geld. Es nutze nichts, wenn kurzfristig Mittel zur Verfügung gestellt würden. Kommunen bräuchten Planbarkeit und die Zusage von Unterstützung über mehrere Jahre. Die Verkehrswende, so schätzt Landsberg, werde fünf bis zehn Jahre dauern.
Fahrverbote hält er dabei für unsinnig. „Die Leute fahren dann einfach um die betroffenen Straßen herum“, führte Landsberg aus. So verlagere sich das Problem nur an eine andere Stelle. Er forderte zudem die Bundesregierung auf, das Bundes-Imissionsschutzgesetz zu ergänzen, wonach ein Fahrverbot in der Regel nicht verhängt werde, wenn die Grenzüberschreitung nicht mehr als 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel beträgt. Damit könnten bis zu 50 Städte von Fahrverboten verschont bleiben.
Von der Industrie verlangen die Städte einen Masterplan für die Nachrüstungen. Ohnehin hält der Städte- und Gemeindebund Diesel für einen wichtigen Bestandteil auf dem Weg zur Reduzierung der Schadstoffbelastung – auch im Vergleich zu E-Autos. „Gerade neuere Dieselfahrzeuge können erheblich zur Senkung des Schadstoffausstoßes des Verkehrs beitragen“, heißt es in der Broschüre. „Der Beitrag der Elektromobilität ist dagegen noch gering.“
Landsberg sieht in der Verkehrswende aber gleichzeitig eine Chance, das Gefälle zwischen Stadt und Land auszugleichen. Denn laut Umfragen würden nur 16 Prozent der Deutschen in Großstädten wohnen wollen. Folglich müsse man neue Bahntrassen schaffen, um mehr Menschen zu ermöglichen, in die Stadt zu pendeln. Das würde gleichzeitig den Verkehr in der Stadt entlasten.
Landsberg fordert Bürokratieabbau
Doch gerade der Verkehrssektor weist mittlerweile einen erheblichen Investitionsrückstand auf. Nach aktuellen Berechnungen der KfW liegt er in diesem Bereich bei 38,6 Milliarden Euro. Und der Verfall wird immer schneller. „Wir brauchen ein Programm für die nächsten 30 Jahre“, forderte Landsberg angesichts dieser Zahlen. Mindestens ebenso wichtig wie langfristige Pläne ist dem DStGB allerdings eine schnelle Umsetzung.
Und das bedeutet für Landsberg vor allem Bürokratieabbau. „Neue E-Busse zu bestellen, dauert für Kommunen manchmal ein Jahr“, erzählt er. „Hier brauchen wir deutlich einfachere Planungsverfahren, um schneller handeln zu können.“
Ähnlich sieht es beim Sofortprogramm Saubere Luft aus. Hier hat der Bund den Kommunen 1,5 Milliarden Euro für Maßnahmen zur Luftreinhaltung bereitgestellt. Die vorgesehene Förderung ist aber noch nicht bei allen Kommunen angekommen. Das liegt laut dem DStGB jedoch nicht daran, dass die Gemeinden es nicht abrufen wollen, sondern dass es so umständlich sei, an das Geld zu gelangen. Erst müsse für jede Maßnahme ein Masterplan erstellt werden, der müsse genehmigt werden, dann müsse die Kommune das Geld vorstrecken und erst nach der Umsetzung kommt das Geld vom Bund zurück, kritisiert der Verband.
Mietpreisbremse sei "wirkungslos"
Abseits der Diesel-Thematik forderte Landsberg, Klarheit über die Reform der Grundsteuer zu schaffen. Schließlich sei unsicher, ob die Bundesregierung „das ganze Jahr in dieser Form“ existiere. „Dann fallen 14 Milliarden Euro weg und dann gehen in vielen Städten die Lichter aus.“ Beim Thema Wohnen nannte Landsberg die Mietpreisbremse wirkungslos und forderte stattdessen schnellere Bautätigkeit.
Und bei der Digitalisierung stand wieder der Verkehr im Mittelpunkt. Denn smarte Systeme, so hofft der DStGB, könnten durch die Vernetzung der Verkehrsträger und durch intelligente Verkehrssteuerung ebenfalls zu besserer Luft beitragen.