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Ausbilder Wolfgang Wonneberger (l) von der Jenaer Feinblech GmbH in Jena (Thüringen) mit dem 19-jährigen Flüchtling Rezwan Waziri aus Afghanistan.
© dpa

Flüchtlinge: Wie die Integration in der Vergangenheit gelang

Eine DIW-Studie zeigt: Flüchtlinge brauchen mehr Zeit als andere Migranten, um Arbeit zu finden. Sie sind aber ehrgeizig und lernen zum Teil schneller.

Flüchtlinge kommen mit schlechteren Sprachkenntnissen und Qualifikationen als andere Einwanderer nach Deutschland – aber machten mit der Zeit zum Teil größere Fortschritte. Das ist die Haupterkenntnis einer Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DIW und der Humboldt-Universität haben die Werdegänge von Menschen analysiert, die zwischen 1990 und 2010 nach Deutschland geflüchtet sind. Die Ergebnisse haben sie mit den Erfahrungen anderer Einwanderer, wie zum Beispiel Arbeitsmigranten, verglichen.

Bei ihrer Ankunft legten Flüchtlinge geringere formale Abschlüsse vor, sprachen noch weniger Deutsch, nahmen später ihren ersten Job auf und brachten ihre unter drei Jahre alten Kinder seltener in eine Kita als andere Zuwanderer. Nach einer Weile konnten sie aber ihre Sprachkenntnisse stärker verbessern und hatten nach einigen Jahren das Niveau anderer Migranten nahezu erreicht. Besuchten Flüchtlinge eine deutsche Schule, erreichten sie höhere Abschlüsse als Migranten ohne Fluchtgrund.

Jobsuche braucht sehr viel Zeit

Die Schwierigkeiten am Anfang erklärte Martin Kroh, stellvertretender Leiter des Sozioökonomischen Panels (SOEP), am Donnerstag so: Menschen, die aus der Not heraus fliehen, bereiten sich weniger auf ihr Zielland vor. Herrschte in ihrer Heimat lange Krieg, konnten Kinder und Jugendliche nicht zur Schule gehen und einen Abschluss machen. Und nicht jeder denkt bei der Flucht in ein anderes Land an Zeugnisse und Arbeitsnachweise.

Um einen Job zu finden, brauchten Flüchtlinge mehr Zeit als andere Zuwanderer. Selbst Jahre nach ihrem Ankommen waren sie häufiger erwerbslos und verdienten weniger. 2013 bekamen Flüchtlinge im Schnitt 11,80 Euro pro Stunde. Für alle anderen Migranten ermittelten die Forscher einen Bruttostundenlohn von 14,80 Euro. Deutsche ohne Migrationsgeschichte verdienten im Schnitt 16,60 Euro.

Innerhalb der ersten fünf Jahre fanden rund zwei Drittel der geflüchteten Männer und jede vierte Frau den ersten Job. Der späte Zeitpunkt liege daran, dass die Flüchtlinge mit geringeren formalen Qualifikationen nach Deutschland kamen. 20 Prozent verließen die Schule in ihrem Herkunftsland ohne Abschluss. Bei anderen Migranten waren es zehn Prozent. Die durchschnittliche Erwerbsdauer sei unter den Flüchtlingen zwar höher gewesen. Ihre formalen Abschlüsse oder informellen Arbeitserfahrungen werden in Deutschland aber selten anerkannt. Sie haben etwas gelernt, aber keinen Abschluss. Die Wissenschaftler fordern deshalb, die deutschen Einstellungsmodalitäten zu lockern.

Kinder nehmen Sportgruppen wahr

Wenn Flüchtlinge Arbeit finden, dann geschieht das meist über soziale Kontakte. Etwa die Hälfte von ihnen habe einen Job über Freunde, Verwandte oder Bekannte gefunden. 2013 arbeiteten sie vor allem in kleinen Unternehmen, im verarbeitenden Gewerbe und in der Gastronomie. Auf die Integration wirke es sich positiv aus, wenn die Migranten während der Arbeit deutsch sprechen.

Kinder von Flüchtlingen nehmen häufiger freiwillige Bildungsangebote in der Schule wahr als andere Migrantenkinder. Vor allem Sportgruppen. Kinder unter drei Jahren besuchten hingegen seltener eine Eltern-Kind-Gruppe oder eine Kita. Weil das frühe Erlernen der deutschen Sprache so wichtig sei, müssten geflüchtete Frauen von diesen Angeboten stärker überzeugt werden, meinten die DIW-Wissenschaftler.

Das Forschungsinstitut griff bei seiner Analyse auf Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Sozioökonomischen Panels (SOEP) zurück. Aus ihrer Studie leiten die Forscher nun Erkenntnisse darüber ab, wie die Integration der vielen Asylbewerber aus dem vergangenen Jahr gelingen kann. „Die Vielzahl der Maßnahmen und auch gesellschaftliche Initiativen lassen auf eine schnellere Integration der jüngst Geflüchteten hoffen“, sagte Kroh.

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