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Faszination Auto. Rund 500 000 Besucher kamen im vergangenen September zur IAA nach Frankfurt, das waren weniger als bei der vorletzten IAA vor zwei Jahren.
© picture alliance/dpa

Entscheidung über die Automobilmesse: Wie Berlin die IAA für sich gewinnen will

Am Mittwoch trifft der Verband der Autoindustrie eine Auswahl über den künftigen Standort der Automesse IAA. Berlin bietet einen entscheidenden Vorteil.

Michael Müller war gut in Form, Christian Göke sowieso, und Jürgen Klinsmann kommt immer gut an. Die 90-minütige Performance des Berliner Teams am vergangenen Donnerstag beim Verband der Autoindustrie (VDA) hat Eindruck hinterlassen. Von einer „Super- Präsentation“ war anschließend die Rede im VDA. Und trotz einiger kritischer Nachfragen zur Anti-Auto-Haltung der Berliner Grünen, zur Sicherheit in der Stadt und zur organisatorischen Kompetenz, wurde Berlin seiner Favoritenrolle gerecht.

Am Mittwoch befasst sich der 20-köpfige VDA-Vorstand mit dem künftigen Standort der IAA und wird eine Vorauswahl treffen. Von sieben Bewerbern bleiben vermutlich drei übrig: Frankfurt am Main, München und Berlin. Stuttgart und Hannover, Hamburg und Köln scheiden demnach aus.

Frankfurt am Main bietet gute Argumente für die Messe

Die Internationale Autoausstellung (IAA), Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin gegründet, findet aufgrund der Teilung von Stadt und Land seit den 1950er Jahren in Frankfurt am Main statt. Als mit dem Dieselbetrug, der Klimakrise und den Fahrverboten die Autoindustrie in Verruf geriet, traf das auch die IAA: Im vergangenen September gab es weniger Aussteller und Besucher aber viele Protestierende auf dem Frankfurter Messegelände.

Demonstranten gegen die IAA stehen am Eröffnungstag 2019 an der Hauptwache in der Frankfurter Innenstadt.
Demonstranten gegen die IAA stehen am Eröffnungstag 2019 an der Hauptwache in der Frankfurter Innenstadt.
© dpa/Frank Rumpenhorst

Der VDA will deshalb die Veranstaltung neu konzipieren und mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten am künftigen Veranstaltungsort verknüpfen. Mehr als 500.000 Besucher, darunter Zehntausende Motorjournalisten und Branchenvertreter aus aller Welt, haben die IAA zu einer Leitmesse der Autoindustrie und einem Wirtschaftsfaktor für die Stadt gemacht. Deshalb kämpft Frankfurt am Main um den Verbleib und hat durchaus gute Argumente: Infrastruktur und Erreichbarkeit sind gut, das Messegelände ist mitten in der Stadt, die Frankfurter haben Erfahrung und wissen ganz genau, wie die Branche tickt.

„Eine neue IAA in Frankfurt wäre so ähnlich wie Bonn als Bundeshauptstadt“

Aber kann der Neustart am alten Ort funktionieren? Selbst im VDA gibt es Zweifel. „Eine neue IAA in Frankfurt wäre so ähnlich wie Bonn als Bundeshauptstadt“, heißt es dazu bei einem Autohersteller.

München klingt schon besser. Naturgemäß legt sich BMW für die bayerische Landeshauptstadt ins Zeug, doch auch im VW-Konzern gibt es durchaus Sympathien für München – auch wegen der VW-Tochter Audi in Ingolstadt.

Das wird indes nichts nutzen gegen den Widerstand von Daimler. In der Heimatstadt des Hauptkonkurrenten, in der an jeder zweiten Ecke ein BMW-Logo zu sehen ist, wird sich Mercedes nicht an einer Autoschau beteiligen wollen. „Die Marken sind sich nicht einig“, heißt es beim VDA über die Stimmung unter den Herstellern. Das könnte am Ende für Berlin den Ausschlag geben.

Im Februar werden die Detailverhandlungen geführt

Wenn der VDA-Vorstand die Shortlist mit den verbleibenden zwei oder maximal drei Kandidaten aufgestellt hat, folgen im Februar die Detailverhandlungen. Dann geht es unter anderem ums Geld – der VDA finanziert sich zum Großteil mit den Einnahmen der IAA – und um Termine.

Die Berliner Bewerber bieten sowohl Tage im Juni als auch im September an für die Großveranstaltung, die dann eben nicht nur als Autoshow unterm Funkturm angelegt ist, sondern als Event in der Stadt. „IAA-Besucher sollen bereits bei der Ankunft am Flughafen oder Bahnhof erleben können, wie Smart Mobility in einer Smart City funktioniert“, heißt es dazu beim VDA.

Berlins Vorteil sind die erfolgreichen Leitmessen

Berlins Messechef Göke sieht auch nach der Präsentation des Berliner Konzeptes noch viel Gesprächsbedarf mit der Industrie, die sich nicht nur auf eine Stadt, sondern auch auf ein IAA-Konzept verständigen müsse. Vorteil Berlins sei der Erfolg der Leitmessen, die sowohl Konsumenten als auch Fachbesucher auf das Messegelände lockten: Die Funkausstellung Ifa, die Tourismusbörse ITB und die Grüne Woche.

Mithilfe der Grünen Woche glaubt Göke Bedenken ausräumen zu können, wonach Umweltschützer und Autofeinde die IAA nachhaltig stören könnten. „Tierschützer sind noch radikaler als Klimaschützer“, sagt Göke. Jedes Jahr demonstrierten Zehntausende anlässlich der Grünen Woche für eine Agrarwende.

Auf dem Weg zur Präsentation der Berliner IAA-Bewerbung: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (3. v. l.) und seine Delegation.
Auf dem Weg zur Präsentation der Berliner IAA-Bewerbung: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (3. v. l.) und seine Delegation.
© DAVIDS/Sven Darmer

In diesem Jahr fuhren dazu noch ein paar Tausend Bauern mit Traktoren auf, und „Fridays for Future“ war mit einem Stand auf der Grünen Woche vertreten. Berlin sei der beste Ort, um auch extrem kontroverse gesellschaftliche Diskurse zu führen und zu managen, meint der Chef der Messe Berlin. Also ideal für die IAA.

Am Ende werden sich die VDA-Chefs, und das sind die Vorstandsvorsitzenden der Hersteller und großen Zulieferer, entscheiden müssen zwischen dem Bewährten in Frankfurt und dem Riskanten in Berlin. Manchem Zulieferer aus dem Süden ist einfach zu viel los in Berlin. Die große Stadt wird als chaotisch, ein bisschen wild und schmutzig und unberechenbar wahrgenommen. Für manchen Industriellen ist das ein Nachteil, für andere ein Vorteil. „Ich sehe Berlin vorn“, sagt der Vertreter eines Autoherstellers.

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