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Die Marke Apple spricht viele Kunden an - weil der Konzern weiß, wie sie ticken.
© dpa

Technik der Verführung: Wie Apple Tricks der Hirnforschung nutzt

Apple stellt seine neue Computer-Uhr vor, und die Welt ist elektrisiert. Nur, warum? Der Konzern nutzt Tricks aus der Hirnforschung und verkauft uns so Dinge, von denen wir nicht wussten, dass wir sie haben wollen.

Eine Kleinstadt in Alabama, Mitte der 60er Jahre. Der Vater arbeitet in einer Werft, die Mutter in einer Apotheke. Sohn Tim träumt – und zwar von einer Uhr, mit der man telefonieren kann. So erzählt er es zumindest 50 Jahre später auf der Bühne des Yerba Buena Centers for the Arts in San Francisco.

In blauem Hemd und dunkler Strickjacke steht Apple-Chef Tim Cook an diesem Morgen vor einer riesigen Leinwand. Der Raum ist abgedunkelt, nichts lenkt ab von ihm und dem Produkt, das übergroß auf die Wand projiziert wird: der Apple Watch. Eine Uhr, bei der die Zeitanzeige Nebensache ist. Eine Uhr, mit der man Nachrichten empfangen und senden kann, mit der sich das Garagentor öffnen oder ein Taxi bestellen lässt. Die Fans saugen jedes Detail auf, das Cook auf der Bühne verrät – verbreiten es weiter über Twitter und Facebook: Der Akku hält 18 Stunden, die günstigste Uhr kostet 349, die teuerste über 10 000 Dollar.

Die Apple Watch ist noch nicht auf dem Markt, da hat sie schon eine Fan-Gemeinde. Nur, warum?

Andere Anbieter sind längst mit einer Computer-Uhr auf dem Markt

Apple ist nicht der erste Konzern, der eine Computer-Uhr herausbringt. Anders als beim ersten Smartphone, dem iPhone, waren andere diesmal schneller. Sony, LG, Huawei, Pebble und Samsung zum Beispiel. Sie alle haben schon Smartwatches präsentiert. Doch dann kommt Apple, und die Welt ist wie elektrisiert.

Dem Konzern aus Kalifornien gelingt etwas, über das andere Firmen nur staunen können: Apple verkauft uns Produkte, von denen wir vorher nicht wussten, dass wir sie haben wollen. So war es mit dem iPod, erst recht mit dem iPhone und möglicherweise wird es so auch mit der Apple Watch sein. Doch was macht der Konzern anders? Klar, er hat gute Entwickler, aber die haben andere auch. Wichtiger ist: Apple weiß, wie die Kunden ticken. Wie man ihnen einflüstert, dass ein Produkt so toll ist, dass es nicht mehr ohne geht. Die Geschichte von Apple ist ein Lehrstück darüber, wie ein Konzern uns unbewusst beeinflusst. Ein Konzern, der aus seinen Läden Tempel macht und aus seinen Kunden Fans.

Es geht unter anderem um das Streben nach Statussymbolen

Mit seinen Geräten spricht Apple etwas im Menschen an, was Wirtschaftswissenschaftler Roger Mason Mitte der 80er Jahre als „Social Visibility“ beschrieb: das Streben nach Statussymbolen. Bedient wird das nicht nur über das Produkt, sondern vor allem über das Drumherum.

Die Läden des Konzerns liegen in Toplagen, erinnern mehr an Galerien als an Elektronikmärkte. Statt vollen Regalen und engen Gängen gibt es bei Apple viel Glas, helles Holz und glänzende Oberflächen. Und: Statt etlicher Geräte liegen nur wenige aus. Das suggeriert Knappheit – auch wenn das Lager voll ist.

Hinzu kommen Innovationen, die banal erscheinen, aber große Wirkung haben. Da ist etwa die Farbe der Kopfhörer: Sie sind weiß. Als Apple 2001 seinen iPod auf den Markt brachte, war das ein Novum. Dabei ist die Idee clever: iPod oder iPhone verschwinden schnell in der Jackentasche – doch hat jemand die weißen Kopfhörer im Ohr, erkennt man ihn sofort als Apple-Nutzer.

Apple nutzt das Neuromarketing

Mit solch kleinen Tricks wird der Kunde beeinflusst, ohne dass er es merkt. Apple nutzt ein Konzept, das Experten Neuromarketing nennen: Der Konzern wendet Erkenntnisse der Hirnforschung in der Praxis an. Mit Details – wie der weißen Farbe oder den schicken Läden – zielt er auf das Unterbewusstsein der Kunden ab. Er weckt Emotionen, Gefühle. Und das ist ausschlaggebend.

Denn wer glaubt, dass wir Kaufentscheidungen rational treffen oder treffen können, irrt. In 90 Prozent der Fälle entscheiden wir uns unbewusst für oder gegen ein Produkt, hat Harvard-Professor Gerald Zaltman herausgefunden. Höchstens Alltagsgegenstände wie Klopapier suchen wir nach rationalen Kriterien wie Preis oder Menge aus, bestätigt Psychologe Hans-Georg Nädel, der das Verbraucherverhalten seit Jahren erforscht. Der Kauf eines Apple-Produkts hingegen, sagt er, sei eine emotionale Sache.

Tim Cook präsentiert auf der Bühne in Kalifornien die neuesten Modelle seines Konzern.
Tim Cook präsentiert auf der Bühne in Kalifornien die neuesten Modelle seines Konzern.
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Dazu passen die Bilder, die sich regelmäßig wiederholen: Kommt ein neues Apple-Gerät auf den Markt, bilden sich vor den Läden lange Schlangen. Weil sie Angst haben, nicht noch am ersten Tag ein Gerät abzubekommen, übernachten manche Käufer gar auf dem Gehweg. Bei ihnen, sagt Nädel, sei das Belohnungssystem im Gehirn besonders stark ausgeprägt. Diese Käufergruppe ist ständig auf der Suche nach neuen Reizen. Während die einen darauf mit ausgiebigen Shopping-Touren reagieren und sich stets nach der neuesten Mode kleiden, kaufen andere eben das jüngste iPhone.

Forscher haben zudem herausgefunden, dass beliebte Marken wie Apple im Gehirn ähnliche Bereiche stimulieren wie die Religion. Das klingt übertrieben, macht aber durchaus Sinn: „Es geht darum, Teil einer Gruppe sein zu wollen“, sagt Dayen Hegemann, der Unternehmen in Sachen Neuromarketing berät. Während religiöse Menschen Teil ihrer Gemeinde sind, fühlen sich Apple-Fans ebenfalls in gewisser Weise miteinander verbunden. Nicht ohne Grund werden sie immer mal wieder als Apple-Jünger bezeichnet.

Wie der Konzern es schafft, alle Altersgruppen anzusprechen

Dabei kann man natürlich nicht alle Apple-Kunden über einen Kamm scheren. „Schließlich gibt es heute auch viele über 70-Jährige, die ein iPhone besitzen“, sagt Forscher Nädel. Zwar treffen auch sie die Kaufentscheidung für das Gerät emotional. Doch statt vom Coolness-Faktor der Marke lassen sie sich wohl eher vom Versprechen locken, das Gerät sei kinderleicht zu bedienen.

Apple macht aus seinen Geschäften Tempel - hier ein Laden in Berlin.
Apple macht aus seinen Geschäften Tempel - hier ein Laden in Berlin.
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Und gerade das macht den Erfolg von Apple aus: Der Konzern schafft es, für seine Produkte Begehrlichkeiten in fast allen Alters- und Gesellschaftsschichten zu wecken. Seine Geräte verkauft er in Wellen. Erst an die jungen Coolen, für die die Produkte ein Statussymbol sind – dann an die Masse, die dem Trend hinterher- läuft. Während die Käufer der ersten Stunde besonders aufs Design achten, wird die Masse dem Trend nur folgen, wenn das Gerät nicht nur schick ist, sondern auch den Praxistest besteht.

Die Datenbrille Google-Glass ist im Praxistest durchgefallen

Was passiert, wenn das nicht gelingt, zeigt das Beispiel der Datenbrille Google Glass. Die ersten Käufer waren Computer-Nerds. Sie waren angefixt von dem Neuen, dem vermeintlich Revolutionären der Brille. Doch anders als Apple ist es Google nicht gelungen, die Masse zu überzeugen. Weil man mit der Brille die Umgebung filmen kann, fürchteten Freunde, Bekannte, Kollegen der GoogleGlass-Träger um ihre Privatsphäre. Erst wurde das Gerät in Restaurants verboten, dann in Kinos. Mittlerweile hat Google die Produktion der ersten Brillen-Generation eingestellt, und eine neue Version ist nicht in Sicht.

Eröffnet ein neuer Store oder kommt ein neues Apple-Produkte auf den Markt, bilden sich lange Schlangen.
Eröffnet ein neuer Store oder kommt ein neues Apple-Produkte auf den Markt, bilden sich lange Schlangen.
© dpa

Hätte Google mal mehr bei Apple abgeschaut. Nichts überlässt der Konzern dem Zufall. Bei der Präsentation neuer Modelle auf der Großleinwand zeigt Apple zum Beispiel offenbar keine Fotografien von Geräten – sondern am Computer erstellte Illustrationen, die kaum von Fotos zu unterscheiden sind. Dadurch wirken die Geräte makellos und besonders hochwertig.

Noch so ein Detail: Das iPhone zeigt in der Werbung stets dieselbe Uhrzeit an: 9:41 Uhr. Klingt wahllos, ist es aber natürlich nicht. Genau zu dieser Uhrzeit hat Gründer Steve Jobs 2007 das erste iPhone enthüllt. Jetzt fragen sich die Fans, warum es auf der neuen Computer-Uhr immer 10:09 Uhr ist. Einfach zu erklären ist das nicht. Und aus der Auflösung dieses Rätsels macht Apple erstmal ein Geheimnis.

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