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Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister, hat am Dienstag (14. August 2018) ein Heizkraftwerk der Rheinenergie in Köln besucht. Altmaier ist im Rahmen einer Netzausbaureise in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen unterwegs.
© Rolf Vennenbernd/dpa

Stromautobahnen: Wie Altmaier den Netzausbau-Turbo zünden will

Der Bundeswirtschaftsminister hat seinen Plan präsentiert, wie das Stromnetz möglichst schnell fit werden soll für den Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Ob es eine durchgerechnete Prognose ist, lässt Peter Altmaier offen. Aber der Ausblick auf ein veritables Horrorszenario kann wohl nicht schaden, denkt sich der Wirtschaftsminister von der CDU bei der Vorstellung seines Aktionsplans zum Ausbau der Stromnetze. Zu sagen, „jetzt knallen wir mal alles richtig voll mit erneuerbaren Energien“, die nicht abtransportiert werden könnten, hätte möglicherweise „Redispatchkosten von sechs, sieben oder acht Milliarden Euro“ im Jahr zur Folge. Dann sei die Akzeptanz der Energiewende gefährdet. Unter Redispatch versteht man, dass Kraftwerke vor einem Netzengpass heruntergefahren und dafür andere hinter dem Engpass hochgefahren werden.

Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur, ist am Dienstag in Bonn Gastgeber des Ministers und pflichtet ihm bei. Die vier Milliarden Euro, die seine Behörde einmal in Aussicht gestellt hatte, seien eher niedrig gegriffen angesichts des schnelleren Ausbaus der erneuerbaren Energien und der zunehmenden Öffnung der Grenzkuppelstellen. 2017 lagen die entsprechenden Kosten für netzstabilisierende Maßnahmen bei 1,4 Milliarden Euro – und das galt schon als happig. Garniert wurden die schwarzen Aussichten mit der Aussage Altmaiers, beim Ausbau der Stromnetze gebe es „katastrophale“ Verzögerungen. Wie bekannt, ist erst rund die Hälfte der Projekte der ersten Netzausbaurunde („Enlag“) abgeschlossen, auch beim noch umfangreicheren Bundesbedarfsplangesetz gibt es schon jetzt starke Verzögerungen.

Netzausbau sei jetzt "Chefsache"

Eine aus Sicht des Ministers miese Ausgangslage bildet also den Hintergrund für Altmaiers Aktionsplan Stromnetz, den er am Dienstag vorstellte. Der Netzausbau ist jetzt „Chefsache“, und zwar nach eigener Aussage deutlich entschlossener, als es je ein Vorgänger angegangen ist. Der Plan hat zwei zentrale Pfeiler: Erstens soll endlich der notorisch dem Zeitplan hinterherhinkende Ausbau der Stromnetze vorankommen. Und zweitens will der Minister dafür sorgen, dass die bestehenden Leitungen besser ausgelastet werden.

Eigentlich heißt es in der Branche häufig, an den Gesetzen scheitere der Netzausbau nicht, sondern eher am politischen Widerstand. Trotzdem soll der Ausbau der Stromnetze mit einer Gesetzesnovelle vorangebracht werden, die nach Altmaiers Wunsch noch diesen Herbst im Parlament unter Dach und Fach gebracht werden kann. Der Vorschlag für das „Netzausbaubeschleunigungsgesetz“ – es wäre nicht das erste – soll innerhalb „weniger Wochen“ vom Ministerium vorgelegt werden. Dabei geht es um durchaus tiefe Eingriffe in die bestehende Regulierung.

So soll eine vorausschauende Planung ermöglichen, dass zum Beispiel auch Leerrohre verlegt werden können, um die Kapazität später leicht erhöhen zu können. Für kleinere Maßnahmen wie den Austausch der Seile auf bestehenden Masten soll es kein Genehmigungsverfahren mehr geben müssen, auch bei Netzverstärkungen soll es weniger Bürokratie geben. Die Länder würden an Einfluss verlieren, geht es nach Altmaier. „Zeitraubende Alternativplanungen“, wie sie zum Beispiel im Konflikt über einen Trassenverlauf zwischen Thüringen und Hessen erfolgten, sollen „beschränkt“ werden – auf einen Einspruch zu einem deutlich früheren Zeitpunkt. Und, ebenfalls ein neuer Weg: Der Teilbaubeginn einer Trasse soll schon erfolgen dürfen, wenn andere Teile der Leitung noch nicht einmal endgültig genehmigt worden sind.

Subtile Kritik an den vier Netzbetreibern

Auch den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) möchte Altmaier Beine machen. In dem Aktionsplan wird ihnen zwar nicht direkt Langsamkeit unterstellt, aber kritisch angemerkt, bislang hätten sie keinen „besonderen ökonomischen Anreiz für einen zügigen Ausbau der Stromnetze“. Die Rendite hänge nicht davon ab, wann die Leitung fertig werde. Das sollen nicht näher ausgeführte „chirurgische Maßnahmen“ kurzfristig ändern und langfristig eine Novelle der Anreizregulierungsverordnung.

Diesen impliziten Vorwurf ließ der Versorgerverband BDEW, der ansonsten „viele richtige Punkte“ in dem Papier erkannte, nicht auf sich sitzen. Stefan Kapferer, Geschäftsführer des Energiewirtschaftsverbandes, sprach von einer „irreführenden“ Argumentation, denn die Netzbetreiber hätten auf viele Ursachen keinen Einfluss und täten heute schon „alles dafür, die Leitungen schnellstmöglich zu bauen“ – anders als die Politik.

Effizienter nutzen, was schon da ist: Auch bei der Auslastung des Bestandsnetzes – der zweite wichtige Punkt des Aktionsplans – hat Altmaier viel vor. Als Grundlage dafür wird eine von der Dena in Auftrag gegebene Studie genannt, die zahlreiche Vorschläge macht. Zur schnellen Umsetzung vorgesehen sind: Auf vielen Trassen sollen neue Leiterseile installiert werden, die mehr Kapazität haben. Phasenschieber werden den Strom auf freie Leitungen umlenken und in den Verteilnetzen regelbare Ortsnetztrafos besser auf Angebot und Nachfrage reagieren.

Die Steuerung soll insgesamt verbessert werden: einerseits durch flächendeckendes Monitoring in Echtzeit, andererseits durch die Steuerung der Stromflüsse am Übergang zwischen Übertragungs- und Verteilnetz. Langfristig soll eine ganze Reihe von Innovationen noch mehr aus den Bestandsnetzen herausholen. Altmaier sagte, zwei oder drei Jahre Verzögerung könne sich Deutschland nicht mehr leisten. Dafür müsse er nun vor allem in den Bundesländern Verbündete gewinnen. Mit diesen solle es in Zukunft Zielvereinbarungen über den Netzausbau geben, die alle sechs Monate überprüft würden. Den Auftakt soll am 20. September ein „Netzgipfel“ machen.

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Lesen Sie auch im Archiv: So funktioniert ein Stromnetz.

Jakob Schlandt

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