Google-Manager Brad Bender: "Werbung muss für alle besser werden"
Weil Werbung im Netz oft nervt, sollen Nutzer künftig weniger, aber dafür bessere Anzeigen zu sehen bekommen. Wie das gehen soll, erklärt Google-Manager Brad Bender im Tagesspiegel-Interview.
Herr Bender, was antworten Sie denjenigen, die Google als Werbegiganten bezeichnen, der die Daten seiner Kunden verkauft?
Dafür macht es Sinn, sich auf die Geschichte der Werbung zu besinnen. Die allerersten Anzeigen waren sehr nützliche, relevante Informationen. Sie waren Wegweiser: Dort entlang gibt es Essen, in dieser Richtung Unterkünfte. Die Verantwortung liegt bei uns, dass Anzeigen wieder genauso relevant werden. Werbung ist die wirtschaftliche Grundlage des Internets. All die kostenlosen Inhalte, die wir lieben – Blogs, Videos, Nachrichten – sind mehrheitlich durch Anzeigen finanziert. Aber auch Pressefreiheit und Gedankenvielfalt im Netz hängen davon ab. Wir nutzen Daten, um unsere Dienste sowohl zu optimieren als auch so individuell wie möglich zu gestalten. Und nein, wir verkaufen keine Daten unserer Nutzer.
Mit welchen Werbeformen macht Google den höchsten Umsatz?
Insgesamt betrachtet sind der Kern unseres Geschäfts weiterhin „klassische“ Suchanzeigen. Diese werden in der Google-Suche angezeigt – entweder über oder unter den Suchergebnissen. Diese Anzeigen sind alle mit dem Wort „Anzeigen“ gekennzeichnet. Eine Suchanfrage ist ein wahnsinnig nützliches Signal über die Absicht des Nutzers.
Welche Google-Werbungen sind noch besonders erfolgreich?
Man muss immer schauen, wo Nutzer Zeit verbringen. Unser Consumer Barometer zeigt: In Deutschland liegt die mobile Internetnutzung bei 73 Prozent. Die Anzahl der App-Downloads ist explodiert. Daher wird Werbung in Apps immer wichtiger. Daneben sind Videos ein wachsender Bereich. Wenn man bedenkt, dass mittlerweile über 450 Stunden Videomaterial auf Youtube pro Minute hochgeladen werden und Youtube mehr als eine Milliarde Nutzer hat, wird klar, dass Werbetreibende hier eine passende Zielgruppe finden.
Viele Anzeigen sind trotzdem nervig.
Wir arbeiten mit den Webseitenbetreibern zusammen, damit sie nachhaltigere Werbung auf ihren Seiten ausspielen. Außerdem haben wir uns in der „Coalition for Better Ads“ mit Firmen auf der ganzen Welt zusammengetan. Das Ziel der Coalition liegt darin, Online-Anzeigen qualitativer und informativer zu machen und das Nutzererlebnis positiv zu gestalten. Wir alle kennen Anzeigen, die stören. Mit unserem neuen Chrome Ad Filter helfen wir, dass Nutzer bessere Werbung angezeigt bekommen. Mit der Coalition haben wir zwölf Werbeformate ermittelt, die als störend definiert wurden. Möglicherweise müssen wir den Nutzern aber auch weniger Werbung anzeigen.
Warum?
Wir glauben an die Nachhaltigkeit des Internets. Dafür ist es fundamental, dass die Nutzererfahrung stimmt. Je mehr Medienformen digitalisiert werden, desto mehr Zeit verbringen Menschen im Netz. Wir müssen sicherstellen, dass es ein Ort bleibt, an dem man gerne Zeit verbringt. Ich vermute, wir waren alle schon einmal auf einer Seite, wo man einfach nicht zu dem Inhalt kommt, zu dem man will, weil sich Werbeanzeigen dazwischenschieben oder extrem viele Anzeigen die Seite überlagern. Wir glauben, dass das schlecht für die Nutzer ist.
Diese bessere Werbung wollen Sie vor allem durch Daten und künstliche Intelligenz erreichen. Wie das?
Wenn wir in die Zukunft schauen, auf das Internet der Dinge, erkennt man besonders eines: Bisher gingen wir zum Computer. Jetzt aber kommen die Computer zu uns. Handys, Apps, aber auch manche Autos nutzen Googles Betriebssystem Android. Und mit dem Sprachassistenten Google Home wir das Zuhause vernetzt. All das ist eine große Chance für Werbekunden, aber auch eine Herausforderung. Einerseits gibt es mehr Orte, an denen man potenzielle Konsumenten erreichen kann. Die Herausforderung ist, wie man die Daten aus den verschiedenen Orten sinnvoll wieder zusammenbringt. Dabei hilft uns künstliche Intelligenz. Google investiert stark in diese Forschungsfelder: zum Beispiel in autonomes Fahren oder automatische Übersetzungen. Das Interessante ist, dass wir all diese verschiedenen Erkenntnisse und Technologien auf unsere Werbesysteme anwenden können.
Wie zum Beispiel?
Wir haben beispielsweise kürzlich „Intelligente Displaynetzwerk-Kampagnen“ ausgerollt. Das System automatisiert den gesamten Prozess, mit denen die Ausrichtung, die Gebotseinstellung und die kreative Anzeigenerstellung vereinfacht wird. Wir konnten so 20 Prozent mehr erfolgreiche Conversions – also das Erreichen eines bestimmten Zieles – bei gleichbleibenden Kosten erzielen. Kunden wie der deutsche Reisevermittler Trivago konnten den Erfolg ihrer Anzeigen sogar um 36 Prozent erhöhen.
Wie funktionierte das bei Trivago?
Trivago hilft, weltweit Hotels zu finden. Mit Smart Display Campaigns kann das Unternehmen Reisenden besser die Hotels anbieten, die ihren ganz spezifischen Bedürfnissen entsprechen. Trivago lieferte dafür die kreativen Inhalte wie Titel, Bilder und Beschreibungen für die Anzeigen. Außerdem nannten sie ein Ziel, wie viel Geld pro erfolgreicher Buchung sie ausgeben wollen und das Gesamtbudget der Kampagne. Auf dieser Basis konnten wir automatisch 25000 maßgeschneiderte Anzeigen generieren, die wir Reisenden anzeigten, die auf der Suche nach Hotel-Angeboten waren.
Welche Daten nutzen Sie dafür?
Wenn Nutzer unsere Dienste nutzen – also etwa auf Google suchen, eine Wegbeschreibung auf Google Maps abrufen oder ein Video auf Youtube ansehen – erfassen wir Daten, um unsere Dienste für sie zu optimieren. Man kann also viel darüber lernen, woran Nutzer interessiert sind. Das kann beispielsweise mit Ortsdaten aus Smartphones kombiniert werden. Unsere Systeme lernen dann selbst, welche der Millionen möglichen Kombinationen die besten sind, um zu bestimmen, wem die Anzeige gezeigt wird. Vielleicht gibt es einen lokalen Laden in Berlin, der vor allem will, dass Menschen zu ihm kommen. Da wird dann eine Karte zu dem Suchergebnis angezeigt.
Hat der Nutzer darüber noch Kontrolle?
Transparenz und Kontrolle haben bei Google schon immer höchste Priorität. Wir erkennen eine Entwicklung: weniger Anzeigen, dafür bessere, auf den Nutzer zugeschnittene. Nutzer sollen dabei aber wissen, welche Informationen verwendet werden, um ihnen passende Werbung anzuzeigen. Wir haben deswegen Werkzeuge wie „Meine Aktivitäten“ entwickelt, wo unsere Nutzer nachschauen können, welche Daten über sie in ihrem Google-Konto gespeichert werden. Dort können sie auch einstellen, welche Daten nicht verwendet werden dürfen beziehungsweise gelöscht werden sollen.
Sie nannten Ortsdaten. Wie weiß ein Laden, ob seine Anzeige erfolgreich war, wenn ich sie auf dem PC zuhause gesehen habe?
Hierfür gibt es verschiedene technische Möglichkeiten Das einfachste Beispiel: Ein Nutzer ist in seinem Google-Konto angemeldet und hat Zuhause an seinem PC nach einem Produkt gesucht. Aber es ist der gleiche Google-Account, mit dem er auf seinem Smartphone umherläuft. Wenn der Nutzer zugestimmt hat, kann durch Ortsdaten vom Handy sehr genau bestimmt werden, wo sich ein Nutzer befindet. Wir stellen Werbetreibenden anonymisierte Daten zur Anzeigenleistung bereit, ohne persönlichen Daten preiszugeben. Diese werden bei der Schaltung von Werbung bei jedem Schritt geschützt.
Das Internet der Dinge wird künftig auch immer mehr zum Internet der Körper, wenn Menschen Fitnesstracker oder Apple Watches am Handgelenk tragen. Überlegen Sie schon, wie man diese Daten in der Werbung nutzen kann?
Diese Entwicklungen sind noch in sehr frühem Stadium. Wenn wir eingeloggte User und ihr Einverständnis haben, könnte es sein, dass diese Medien für Werbekunden interessant werden. Aber soweit ist es noch nicht. Bisher gibt es nicht einmal Werbung im Sprachassistenten Google Home.
Wie wird Google mit der Europäischen Datenschutzgrundverordnung umgehen, die im Mai in Kraft tritt?
Wir haben eine Menge Leute bei Google, die daran arbeiten, dass wir die Verpflichtungen der Datenschutzgrundverordnung erfüllen. Wir wollen außerdem den Webseitenbetreibern helfen, diese neuen Regeln zu erfüllen. Allgemein unterstützen wir die Richtung, die mit der Verordnung eingeschlagen wird, weil wir glauben, dass sie gut für die Nutzer ist. Es fügt sich in unsere Gedanken über Nachhaltigkeit im Internet. Werbung muss am Ende für alle besser werden.