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Näherinnen in einer Textilfabrik in Bangladesch.
© Abir Abdullah/dpa

Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion: Wer sich wehrt, wird entlassen

Die Arbeitsbedingungen in der globalen Textilproduktion haben sich kaum verbessert, sagt Verdi. Beschäftigte und Gewerkschafter sind häufig Repressalien ausgesetzt.

Zehn bis zwölf Stunden pro Tag an der Nähmaschine, dazu immer wieder Schläge, verbale Attacken und sexuelle Belästigung durch Vorgesetzte sowie ein Lohn, der weder soziale Sicherheit noch Bildung für die Familie ermöglicht: Laut der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sind die Arbeitsbedingungen in der globalen Textilproduktion multinationaler Konzerne in Asien immer noch menschenverachtend. Gewerkschafter, die etwa die Verhältnisse bei Zulieferern in Indien, Bangladesch oder Sri Lanka anprangerten und in ihren Fabriken für fairere Bedingungen kämpften, seien besonders häufig Repressalien ausgesetzt und würden nicht selten entlassen, sagte Gewerkschafter Heiner Köhnen vom internationalen Bildungsnetzwerk Tie am Freitag. „Dabei stehen die Modeunternehmen in der Pflicht, auf ihre Lieferanten Druck auszuüben, damit sich die Arbeitsbedingungen endlich verbessern“, forderte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Der Monatslohn in Bangladesch liegt bei 9,50 Euro

Die Einschätzung von Verdi beruht auf eigenen Beobachtungen und Augenzeugenberichte aus asiatischen Textilfabriken sowie auf einem Papier der National Garment Workers Federation, das in diesem Monat veröffentlicht wurde. In dem Dokument listet die Organisation auf, wie schlecht Zulieferfirmen von H&M, Primark, C&A, sowie Tschibo, Aldi, Lidl und Kik ihre Beschäftigten behandeln. Taslima Taslima arbeitete jahrelang als Näherin in einer Textil-Manufaktur in Gazipur (Bangladesch), um den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn zu verdienen. In dem Land bezahlt die Branche Arbeiterinnen wie Taslima durchschnittlich 9,50 Euro pro Monat; die junge Frau musste dafür wie ihre rund 1000 vornehmlich weiblichen Kollegen praktisch täglich zehn oder mehr Stunden arbeiten – so lange, bis das von internationalen Modefirmen bestellte Kontingent an Hosen, Hemden oder T-Shirts fertig genäht war. „Wir saßen häufig bis in die Nacht an der Nähmaschine“, erinnert sich die 30-Jährige an ihren früheren Job. Wer das vorgegebene Pensum nicht erfüllt habe, sei mit Drohungen zum Weitermachen getrieben worden. „Nicht einmal auf Schwangere wurde Rücksicht genommen.“

Gewerkschaftern wird oft gekündigt

Mittlerweile ist die Näherin ebenso wie mehr als 100 ihrer Kolleginnen ihre Arbeit los. „Das Management hat uns gekündigt, als wir uns zusammengeschlossen haben, um bessere Bedingungen bei unserem Arbeitgeber einzufordern“, sagt Taslima. Statt darauf einzugehen, habe das Unternehmen Leute angeheuert, um die organisierten Beschäftigten im Betrieb einzuschüchtern. Später seien fristlose Kündigungen gegen Aktivistinnen ausgesprochen worden, ohne die Arbeiterinnen für die geleistete Arbeit zu bezahlen. Für sie sei es nun praktisch unmöglich, eine neue Arbeit bei einer der großen Nähereien im Land zu finden, sagt Taslima: „Alle Gewerkschafterinnen stehen nebst Foto und Identifikationsnummer auf einer schwarzen Liste der Industrie.“ Aufgeben will die 30-Jährige dennoch nicht. „Gewerkschaften sind essentiell, um bessere Arbeitsbedingungen in der Branche durchzusetzen“, sagt sie.

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