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Ein riesiger Herrenschuh droht eine Mutter und ihre mit Bauklötzen spielende Tochter zu zerdrücken. Die Frau stemme sich dagegen.
© Fotolia. Montage: Tsp

Probleme nach der Elternzeit: Wenn Frauen im Job plötzlich unerwünscht sind

Politiker und Arbeitgeber reden gern von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Trotzdem bekommen Frauen nach der Elternzeit immer wieder Schwierigkeiten mit dem Chef.

Berlin - Offener hätte sie kaum sein können. „Ich weiß, dass Sie mich das nicht fragen dürfen, deshalb sage ich es Ihnen geradeheraus: Ich möchte noch Kinder haben“, hatte die 37-jährige Claudia Meier ihrem Chef anvertraut, als der ihr eine Führungsposition anbot. „Da werden wir schon eine Lösung finden“, war die Antwort. So erzählt sie es. Heute ist Claudia Meier 42 und Mutter einer Tochter. In dem Autohaus, in dessen Geschäftsleitung sie damals berufen wurde, arbeitet sie nicht mehr. „Mit Kind wollte man mich dort nicht“, sagt sie.

Bundesweit werben Unternehmen mit der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Tatsächlich müssen Frauen auch im Jahr 2013 noch erleben, dass sie als Mütter an ihrem alten Arbeitsplatz plötzlich unerwünscht sind“, sagt Karin Schwendler, zuständig für Frauen- und Gleichstellungspolitik bei der Gewerkschaft Verdi. Den wahren Grund für die Ablehnung täten die Unternehmen dabei selten kund. „Fast immer werden Gründe vorgeschoben.“ Ein beliebtes Druckmittel seien die Arbeitszeiten. „Arbeitgeber legen wichtige Konferenzen in die Abendstunden und Kritik daran als mangelndes Engagement aus.“ Claudia Meier erhielt kurz vor Ende der Elternzeit einen Brief, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass man sie für diverse Seminare angemeldet hatte. „Mehrtägige Workshops viele Kilometer entfernt, die sich mit Kleinkindbetreuung nicht vereinbaren ließen.“ Der dann folgenden Auseinandersetzung mit ihrem Chef war bereits eine andere vorangegangen: Meier, die als Leiterin einer Verkaufssparte bis zu 60 Stunden die Woche gearbeitet hatte, wollte Überstunden fortan vermeiden. „35 Stunden Büro, danach wäre ich telefonisch erreichbar gewesen.“ „Führung per Telefon“ nannte ihr Arbeitgeber das spottend – und wollte ihr Gehalt stark kürzen. Das konnte Meier mithilfe eines Anwalts verhindern.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander

„Bei uns häufen sich Fälle, in denen Frauen wegen ihres Mutterseins aus dem Job gedrängt werden“, sagt André Kasten, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der auf Führungskräfte spezialisierten Kanzlei Abeln in Berlin. Seine Mandantinnen kommen aus allen Branchen und Betriebsgrößen: Krankenhäuser sind darunter ebenso wie kirchliche Einrichtungen und Dax-Konzerne. Anspruch und Wirklichkeit klaffen in Deutschland demnach stark auseinander. „Wir haben den Eindruck, dass Frauen mit Kindern unerwünscht sind.“

Auch der Konzern, für den Claudia Meier tätig war, propagiert Familienfreundlichkeit. Rechtlich ist das Autohaus, aus dessen Führung sie nun ausgeschieden ist, aber nur Vertragspartner. „Wer in einem Konzern mit Betriebsrat oder Frauenbeauftragtem beschäftigt ist, hat es in der Regel leichter“, sagt Gewerkschafterin Schwendler. „In kleinen und mittleren Firmen gibt es oft keine Vereinbarungen, auf die man sich berufen kann.“

„Auch an uns wenden sich immer wieder Frauen, die über Benachteiligungen dieser Art klagen“, sagt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. In einem aktuellen Fall hätten Vorgesetzte einer noch nicht verbeamteten Polizistin zu verstehen gegeben, dass sie als alleinerziehende Mutter nach der Elternzeit nicht mehr für den Polizeidienst tauge. „Aus unserer Sicht ein klarer Fall von Diskriminierung“, sagt Lüders. Verlässliche Zahlen, wie viele Angestellte nach der Geburt eines Kindes Schwierigkeiten bekommen, gibt es nicht. Auch weil die Dunkelziffer hoch ist. „Viele Frauen halten dem Druck nicht stand und kündigen von sich aus“, sagt Schwendler. „Die Frauen werden langsam mürbe gekocht“, formuliert es Rechtsanwalt Christoph Abeln. Die Nachteile für die Mütter werden nur größer, wenn sie selbst kündigen oder einem Aufhebungsvertrag zustimmen. Sie riskieren damit, für ein Vierteljahr ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verlieren.

"Mit Ihnen haben wir gar nicht mehr gerechnet"

Während der Elternzeit sind Mütter und Väter vor Kündigungen geschützt. „Erst wenn die Modalitäten der Rückkehr geklärt werden, wird es unangenehm“, sagt Kasten. „Mit Ihnen haben wir gar nicht mehr gerechnet“, sei ein Standardsatz. Dann würden Ersatzstellen an anderen Standorten angeboten. Eine Mutter musste sich am ersten Tag zurück im Job anhören: „Sie bleiben jetzt hoffentlich nicht zu Hause, nur weil ihr Kind krank ist. Sie haben schließlich Vorbildfunktion.“

Solche Situationen erleben auch Väter. Aber: „Etwa drei Viertel verzichten auf eine Familienpause,auch weil sie negative Folgen für ihre Karriere fürchten“, sagt Ralf Specht von „Väter e. V.“. „Kinder werden leider noch weithin als Privatvergnügen betrachtet“, sagt Karin Schwendler von Verdi. „Gerade Führungskräften billigt man eine Reduzierung der Arbeitszeit selten zu“, beobachtet Rechtsanwalt Abeln. Zu fest steckt in den Köpfen das Bild: Der Fleißigste macht das Licht aus.

Was man beim Klagen beachten sollte

„Mir war der Preis zu hoch, weiter zu kämpfen“, sagt Claudia Meier. „Schließlich wollte ich die Zeit mit meinem Kind genießen.“ Sie hat mithilfe ihres Anwalts eine Abfindung ausgehandelt. Eins sollten Eltern dabei bedenken. Wer klagt, wird mit ziemlicher Sicherheit nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Das Vertrauensverhältnis gilt dann als zerstört. Mitglieder von Berufsverbänden und Gewerkschaften können sich von diesen juristisch vertreten lassen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes vermittelt und nimmt eine Ersteinschätzung vor.

Weshalb Mütter „als Kostenrisiko und Bremsklotz“ gesehen werden, wie Anwalt Kasten beobachtet, ist bei all dem die größte Frage. Studien belegen, dass Mütter effektiver arbeiten als Frauen ohne Kinder – und besonderes Organisationstalent an den Tag legen. Claudia Meier hat inzwischen einen neuen Job mit Führungsverantwortung. „Mir fehlt einfach die Zeit für einen Tratsch im Flur“, sagt sie.

Ab und an begegnet sie einer Frau, die sie für ihren Ex-Arbeitgeber angeworben hat. Der hatte sie gerne für Vorträge eingespannt. Als gelungenes Beispiel – für Frauen in Führungspositionen.

Maris Hubschmid

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