Wirtschaft: Wenn der Denkmalschutz nicht mehr hilft Abriss der Deutschlandhalle – nicht der einzige umstrittene Abbruch eines Gebäudes in Berlin
Seit Mitte Dezember ist es bekanntlich amtlich: Der Berliner Senat hat beschlossen, am Standort der Deutschlandhalle eine neue Messehalle mit erweiterten Kongressmöglichkeiten errichten zu lassen. Damit sind die Tage des 1935 errichteten Baus, der damals größten Mehrzweckhalle der Welt, gezählt.
Seit Mitte Dezember ist es bekanntlich amtlich: Der Berliner Senat hat beschlossen, am Standort der Deutschlandhalle eine neue Messehalle mit erweiterten Kongressmöglichkeiten errichten zu lassen. Damit sind die Tage des 1935 errichteten Baus, der damals größten Mehrzweckhalle der Welt, gezählt. Das markante Gebäude in Charlottenburg galt schon lange nicht mehr als zeitgemäß. Nun steht der Abriss bevor – obwohl der einstige Schauplatz legendärer Veranstaltung wie des Berliner Sechs-Tage-Rennens oder „Menschen, Tiere, Sensationen“ unter Denkmalschutz steht.
Mit diesem Schicksal ist die Deutschlandhalle kein Einzelfall. Zwischen 2000 und 2009 wurden in Berlin 82 Immobilien meist als Folge einer Abrissgenehmigung aus der Denkmalliste gelöscht, wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher unlängst in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Alice Ströver (Bündnis 90/Die Grünen) bekanntgab. „Die Abrissgenehmigungen erteilten die zuständigen Denkmalbehörden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangte oder wenn das Vorhaben aus Gründen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Eigentümer zu erlauben war“, lautet die Antwort aus dem Hause Lüscher.
Verschwunden ist zum Beispiel ein Großteil des sogenannten Langen Jammers. So hieß die rund 500 Meter lange Fußgängerbrücke, die über den Alten Schlachthof in Prenzlauer Berg führte, 2002 jedoch bis auf einen kleinen Rest abgerissen wurde. Ebenfalls teilweise abgebrochen wurde der „Prälat Schöneberg“, eine 1937 von William Dunkel gebaute Veranstaltungsstätte an der Hauptstraße; auf dem Areal steht jetzt ein Lidl-Discounter. Die im hinteren Bereich des Grundstücks befindlichen und noch unter Denkmalschutz stehenden Säle blieben vorerst verschont und ohne Nutzung. Dem Neubau eines Möbelhauses Platz machen musste die ebenfalls denkmalgeschützte Radrennbahn am Sachsendamm.
Oft genug ist das Ausradieren historischer Bausubstanz umstritten. So versagte der zuständige Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Abrissgenehmigung für die Deutschlandhalle, musste sich jedoch letztlich vom Senat das Heft aus der Hand nehmen lassen. Dabei hatte die Existenz des Denkmals Ende der 90er Jahre schon einmal auf der Kippe gestanden. 1997 war die Deutschlandhalle geschlossen worden; danach steckte das Land Berlin allerdings noch einmal fast fünf Millionen Euro in das Gebäude, um es zur Eissporthalle für den Eishockeyclub Berlin Capitals umzubauen. Jetzt hingegen muss es einer neuen Halle mit 20 000 Quadratmeter Nutzfläche weichen. Bis Ende 2013 benötigt die Messe Berlin ein Ersatzquartier für das ICC, das saniert werden muss.
Noch nicht so konkret sind die Neubaupläne bei einem anderen umstrittenen Abrissprojekt: der ehemaligen Eisfabrik an der Köpenicker Straße 40/41 in Mitte. Dieser Abbruch schaffte es sogar in den Bundestag: Unter dem Titel „Das Ensemble der alten Eisfabrik in Berlin-Mitte und die Unternehmenspraxis der TLG Immobilien GmbH“ reichte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im November eine Kleine Anfrage ein, in der sie unter anderem wissen will, wie der Abriss mit dem Denkmalschutz zu vereinbaren sei.
Streitfall ist ein Teil des 11 000 Quadratmeter großen Grundstücks neben der Zentrale der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, auf dem die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Eisfabrik von Carl Bolle steht. Diese wird nicht komplett abgerissen: Erhalten bleiben das Wohnhaus und ein Seitenflügel an der Köpenicker Straße, die im Eigentum der TLG Immobilien stehen, sowie mehrere Gebäude an der Spree, die 2008 in das Eigentum der Telamon GmbH aus Bochum übergingen. Ihr gehört auch das Radialsystem V auf der anderen Spreeseite. Abgebrochen hat die TLG Immobilien dagegen in den vergangenen Wochen die Kühlhäuser im mittleren Bereich des tiefen Grundstücks.
Die Kühlhäuser seien keiner anderen Nutzung zuzuführen gewesen, sagt Olaf Willuhn, Pressesprecher der Niederlassung Berlin/Brandenburg der bundeseigenen TLG Immobilien. Denn sie seien stark mit Schadstoffen belastet und außerdem sehr niedrig und sehr schlecht belichtet gewesen. Ein Kaufangebot von Telamon für die Kühlhäuser ist nach Angaben Willuhns – anders als in der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dargestellt – nie bei der TLG Immobilien eingegangen. Was jetzt anstelle der Kühlhäuser errichtet werden soll, steht laut Willuhn noch nicht fest. Denkbar seien sowohl Wohn- als auch Bürogebäude.
Kaum ein Thema ist in Berlin hingegen der Abriss von denkmalgeschützten Wohnhäusern – im Unterschied zu vielen ostdeutschen Städten mit hohem Wohnungsleerstand, wo der Abbruch von maroden Baudenkmälern, die nach Ansicht ihrer Eigentümer nicht wirtschaftlich zu sanieren sind, immer wieder für Kontroversen sorgt. Ein Dauerbrenner ist in der Hauptstadt dafür der Umgang mit Bauten aus der Nachkriegszeit – und dabei muss man gar nicht unbedingt an das berühmte Beispiel des Palasts der Republik denken. Vielen Berlinern noch in Erinnerung sein dürfte zum Beispiel der Abriss des Mitte der 60er Jahre errichteten Hotels Unter den Linden an der Ecke zur Friedrichstraße. Heute steht dort das Geschäftshaus Upper Eastside Berlin.
Dabei sind die Abbruchszenarien keineswegs auf den Ostteil der Stadt beschränkt. Ebenfalls der Abrissbirne anheimgegeben wurde nach langen Debatten das zwischen 1957 und 1960 von den Architekten Sobotka und Müller errichtete Schimmelpfenghaus am Breitscheidplatz, das die Kantstraße überspannte. Der größere Teil ist bereits gefallen, um Platz für das „Zoofenster“-Hochhaus mit dem Waldorf-Astoria-Hotel zu machen. Der kleinere Teil wird folgen, sofern sich für das seit vielen Jahren verfolgte Projekt des Atlas-Hochhauses doch noch ein Investor finden sollte.
Christian Hunziker
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