Neues Gesetz zum automatisierten Fahren: Wenn der Computer lenkt
Der Bundestag beschließt das neue Gesetz zum automatisierten Fahren – unscharf bleiben die Regeln für Haftung und Datenschutz.
Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag das umstrittene Gesetz zum automatisierten Fahren beschlossen. Während Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erneut vom „modernsten Straßenverkehrsrecht der Welt“ sprach, das mit der Neuregelung geschaffen werde, kritisierten Opposition und Verbraucherschützer unzureichenden Datenschutz und unscharfe Formulierungen. Der Gesetzentwurf war zuletzt an einigen Stellen nachgebessert und präzisiert worden. Unter anderem hatte dies auch der Bundesrat gefordert.
Das Gesetz setzt den rechtlichen Rahmen für das automatisierte Fahren, bei dem ein Fahrer noch in das Geschehen eingreifen kann. Im Unterschied dazu werden autonome Fahrzeuge in Zukunft ohne Menschen an Bord unterwegs sein. Möglich ist bereits viel. So werden Notbremsassistenten in immer mehr Autos eingebaut. Futuristisch muten Parkhilfen an, die Autos mit einer Smartphone-Steuerung in die eigene Garage lenken. Dies soll zum Beispiel die neue S-Klasse von Mercedes können, die im Sommer auf den Markt kommt. Der Fahrer muss nur zur Sicherheit einen Finger auf dem Bildschirm haben – unterbricht der Kontakt, bremst der Wagen. Das Auto findet den Weg aber allein. Auf der Autobahn sollen Fahrer die Hände vom Steuer nehmen können, wenn das Auto selbst Abstand zum Vordermann hält und Spuren wechselt. „Das Auto könnte noch viel mehr, wir durften nur nicht alles freischalten“, sagte Mercedes- Entwicklungschef Ola Källenius in Berlin mit Blick auf die neue S-Klasse.
Umstritten: Haftung und Datenschutz
Die Kritik an dem neuen Gesetz konzentriert sich auf drei Punkte: Haftungsfragen, das Zusammenspiel von Mensch und Maschine sowie Datenschutz.
„In Zukunft darf auch der Computer ans Steuer“, hatte Dobrindt gesagt. „Der Fahrer kann im Netz surfen, Filme streamen, E-Mails checken.“ Umstritten ist aber, wie schnell der Fahrer, der sich vom Fahrgeschehen abgewendet hat, wieder eingreifen muss, um das System per Hand zu übersteuern oder zu deaktivieren. Oder anders: Wie viel Zeit darf vergehen, bis der Autopilot die Verantwortung an den Menschen übergibt – und damit auch die Haftung für mögliche Unfallschäden? Denn: Fährt der Computer, haftet der Hersteller. Fährt der Mensch, haftet der Halter des Fahrzeugs. Es geht um wenige Sekunden und Formulierungsnuancen, die für Hersteller, Halter und Fahrer eines Autos mit enormen Risiken – gesundheitlichen und finanziellen – verbunden sein können. Das Gesetz regelt nun, dass ein automatisiertes Fahrzeug so ausgerüstet sein muss, dass es „dem Fahrzeugführer das Erfordernis der eigenhändigen Fahrzeugsteuerung mit ausreichender Zeitreserve optisch, akustisch oder taktil anzeigen kann“. Im Gesetzentwurf war nur von „rechtzeitig“ die Rede gewesen. Marion Jungbluth, Mobilitätsexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, hält die geänderte Formulierung immer noch für zu schwammig. „Das hätte man noch deutlicher machen können“, sagte sie dem Tagesspiegel. Denn im Fall eines Unfalls muss klar sein, wer das Fahrzeug gelenkt hat. „Da werden die Gerichte viel zu tun haben“, fürchtet Jungbluth.
Neue Teststrecke in Berlin
Auch der Deutsche Anwaltverein kritisiert die Regelung. „Bei einer immer stärkeren Automatisierung des Straßenverkehrs wäre eine stärkere Einbeziehung der Hersteller in die Haftung nur konsequent“, forderte Präsident Ulrich Schellenberg. Der ADAC mahnte verbindliche Vorgaben dazu an, dass eine „Übernahmeaufforderung“ an den Fahrer nicht zu kurz im Voraus kommt.
Unscharf lässt das Gesetz, wer Zugriff auf Daten hat, die in einer Blackbox im Auto aufgezeichnet werden. Diese darf nur Positions- und Zeitangaben speichern, wenn das Auto die Steuerung übernimmt oder abgibt. Gespeichert wird in der Regel für sechs Monate.
Wie sich selbstfahrende Fahrzeuge im realen Straßenverkehr verhalten, soll demnächst auch in Berlin getestet werden: Entlang der Straße des 17. Juni zwischen Ernst-Reuter-Platz und Brandenburger Tor entsteht ein digitales Testfeld für automatisiertes und vernetztes Fahren – die „Digital vernetzte Protokollstrecke“. Sensoren sollen dort – und in einigen Nebenstraßen – unter anderem Daten zum Verkehrsfluss sammeln. Das Projekt wird für 27 Monate vom Bundesverkehrsministerium gefördert und vom DAI-Labor der TU Berlin geleitet.
Begrüßt werden das neue Gesetz und Praxistests vom Bundesverband Deutscher Start-ups. „Hersteller automatisierter Fahrzeuge haben nun erstmals einen Rahmen, auf den hin sie entwickeln können“, sagte Vorstandsmitglied Tom Kirschbaum. Die Innovation müsse „raus aus dem Labor, auf die Straße“ – und alle offenen Fragen „sequenziell“ beantwortet werden.
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