Telekom startet MyWallet: Wenn das Handy zur Geldbörse wird
Mit Vodafone und Telekom starten gleich zwei Konzerne das kontaktlose Bezahlen. Ob das Handy tatsächlich das Portemonnaie der Zukunft ist, bleibt fraglich.
Die junge Frau an der Kasse wirkt ein wenig ratlos. „Muss ich da jetzt noch was extra eingeben?“, fragt sie halb sich selbst, halb den Kunden. Der will den mittelgroßen Cappuccino und den Maxi-Milchkaffee bezahlen. Mit seinem Smartphone, das er aus diesem Grund etwas ungelenk über dem Kartenleser balanciert. Was für die beiden bei Starbucks im Berliner Alexa offenkundig eine Premiere ist, soll Alltag werden in Deutschland. An rund 40.000 Kassen in deutschen Supermärkten, Kaufhäusern, Tankstellen – und eben Cafés – können Kunden des Telekomkonzerns Vodafone seit Anfang des Jahres kontaktlos mit dem Smartphone bezahlen. Theoretisch.
„Zu Nutzerzahlen machen wir derzeit keine Angaben“, sagt ein Unternehmenssprecher. Das ist nicht nur angesichts der erst kurzen Laufzeit nachvollziehbar. Zwar steht dem britischen Konzern nicht nur eine Millionenschar an Kunden, sondern auch ein mächtiges Netz an Partnern zur Verfügung. Neben Starbucks beteiligen sich etwa Kaufhof, Kamps Backstube, Karstadt, Douglas, Tengelmann, Aral und Shell an Smartpass. Kreditkartenpartner ist Visa. Wirecard wickelt die Zahlungen dann als Dienstleister ab. Doch in Deutschland gibt es nach Angaben aus der Branche rund 800.000 Kassenterminals, die klassisch mit EC- oder Kreditkarte zum Einstecken arbeiten. Es wird Jahre dauern, bis die Geräte, die die Händler über langfristige Verträge gemietet haben, ausgetauscht sind.
Dennoch ist Vodafone mit seiner Idee einer elektronischen Geldbörse längst nicht allein. Die Deutsche Telekom zieht mit MyWallet nach. An diesem Dienstag schaltete der Konzern sein E-Portemonnaie auch in Deutschland frei. Zuvor hatte das Bonner Unternehmen den Dienst bereits in Polen erprobt.
Beide Modelle - sowohl das von Vodafone als auch das der Telekom - arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Der Nutzer lädt über sein Smartphone eine Prepaidkreditkarte mit einem beliebigen Betrag auf. Im Laden hält er das Telefon in die Nähe des Kartenterminals und der Kaufpreis wird abgebucht. Bei Beträgen über 25 Euro bestätigt er zusätzlich mit seiner Geheimzahl. Voraussetzung ist, dass das Handy einen NFC-Chip hat. Die Technologie ermöglicht Datenübertragung über eine kurze Entfernung und ist bereits in einer Vielzahl von Modellen unterschiedlicher Hersteller eingebaut. Mit Apple verzichtet jedoch einer der großen im Markt auf die Chips, die sich inzwischen auch in immer mehr EC- und Kreditkarten finden.
Die Deutschen hängen am Bargeld
Dass sich das kontaktlose Bezahlen hierzulande nur schleppend durchsetzt, liegt aber auch an der besonderen Liebe der Deutschen zum Bargeld. Nach einer Studie der Bundesbank zahlten Verbraucher ihren Einkauf für den täglichen Bedarf 2011 zu knapp 70 Prozent in bar. Nach Ansicht von Experten hat das vor allem mit dem gut ausgebauten Netz von Geldautomaten zu tun: Bargeld ist immer schnell verfügbar. Zudem gelten die Deutschen als besonders misstrauisch, was die Weitergabe ihrer Daten angeht. Doch diese Einstellung wandelt sich offenbar. „Wir gehen davon aus, dass der Bargeldanteil im Handel innerhalb der nächsten zweieinhalb Jahre auf unter 50 Prozent sinken wird“, sagte Ludger Gooßens, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Sparkassen- und Giroverbands DSGV, noch Mitte April. Und immerhin: Rund 13 Prozent der Kunden haben schon mal ihr Smartphone oder Tablet zum Bezahlen genutzt, wie die Beratungsfirma Bain in einer Studie ermittelt hat.
Tablet-Computer und Smartphones eignen sich jedoch nicht nur als elektronische Geldbörsen, sondern auch als Kassen. Ein kleines Aufsteckmodul macht aus dem Tablet des Händlers einen Kartenleser, über eine entsprechende App wird die Zahlung abgebucht. Eine gute Handvoll Start-ups bieten die Lesegeräte und den Buchungsservice inzwischen an. So können Kunden auch in immer mehr kleinen Geschäften mit ihrer EC- oder Kreditkarte zahlen. Für Boutiquen, Frisöre oder Taxiunternehmer lohnt sich nämlich ein Kartenterminal mit langfristigem Vertrag und hohen monatlichen Gebühren nicht. Mit Aufsteckgeräten der Berliner Unternehmen Payleven und Sumup oder der schwedischen Konkurrenz von iZettle zahlen die Händler nun bei jeder Kreditkarten-Transaktion 2,75 Prozent des Umsatzes.
2014 sei das entscheidende Jahr für mobile Bezahlsysteme, heißt es bei iZettle. „Auch große Unternehmen entdecken die mobilen Lösungen zunehmend“, sagt Vertriebschefin Hannah Meiton. Seit Februar läuft ein Pilotversuch mit der Elektronikkette Media-Markt im Hamburger Raum. Ein großer Versicherer teste die Geräte ebenfalls. „Das sind Kunden mit mehr als 100.000 Euro Umsatz am Tag – und von daher entsprechend wichtig für unser Geschäft“, sagt Meiton.
Die Anbieter wollen in Deutschland expandieren
Bei aller Euphorie deutet derzeit allerdings auch einiges auf eine Konsolidierung des Marktes hin. iZettle strafft nach Angaben aus der Branche gerade die Struktur und baut die Ländergesellschaften um. Probleme bei der Finanzierung gebe es aber nicht. Genau solche Probleme soll jedoch mit der US-Firma Square ausgerechnet der Pionier der mobilen Systeme haben. Wie das „Wall Street Journal“ kürzlich berichtete, verhandelte das Unternehmen von Twitter-Gründer Jack Dorsey mit potenziellen Käufern. Allein im vergangenen Jahr habe die Firma 100 Millionen Dollar verbrannt. Square dementierte umgehend.
Hierzulande setzen die Unternehmen derzeit aber auf Expansion. iZettle, zu dessen Geldgebern unter anderem Mastercard und American Express zählen, will nach eigenen Angaben im laufenden Jahr 100.000 Kartenleser in Deutschland im Umlauf haben – im vergangenen Herbst waren es noch 50.000. Und Payleven kündigte kürzlich als erster Anbieter der Bankkarten-Leser an, ab der zweiten Jahreshälfte ein NFC-fähiges Gerät auf den Markt bringen zu wollen. Mit einem Preis von rund 100 Euro soll es deutlich günstiger sein als die derzeit üblichen Terminals.
Ob sich Kassiererin und Kunde im Café tatsächlich an das Smartphone als Portemonnaie gewöhnen sollten, bleibt angesichts der schleppenden Verbreitung offen. Das US-Marktforschungsunternehmen Gartner erwartet, dass 2017 lediglich fünf Prozent des weltweiten elektronischen Zahlungsverkehrs über die Nahfunktechnologie NFC laufen wird. Und einige Unternehmen wie das kanadische Bionym arbeiten bereits an biometrischen Bezahlsystemen – etwa Armbändern, die die Identität des Trägers mithilfe seines Herzschlags ermitteln.