Autoversicherung: Wenn Autodiebe zuschlagen
In Berlin und Brandenburg werden viele Fahrzeuge geklaut, meist landen sie in Osteuropa. Den Schaden sollte eigentlich die Versicherung zahlen – manchmal ist der Autoklau aber auch der Beginn einer Odyssee für den ursprünglichen Besitzer.
Wenn die Polizei vor der Tür steht, hat das meistens nichts Gutes zu bedeuten. So auch im Fall von Bjarne Wurbs: Sein Auto sei gestohlen worden, erklärten die Beamten dem verdutzten Familienvater, der den nächtlichen Diebstahl seines VW-Golf komplett verschlafen hatte. Doch außer der schlechten hatten die Polizisten auch noch eine gute Nachricht: Das Auto sei bereits wieder entdeckt worden – in Polen. Wurbs war erleichtert. „Ich dachte, in ein bis zwei Tagen habe ich den Golf wieder“, erzählt der Brandenburger. Das war im August. Doch dann kam alles anders. Die polnische Staatsanwaltschaft beschlagnahmte das Familienauto, der „Golf Variant“ spielte plötzlich eine wichtige Rolle in den Ermittlungen gegen eine litauische Bande.
Woche um Woche verstrich. Statt mit dem Auto fuhr Wurbs fortan mit dem Zug von seinem Häuschen in Brück bei Belzig zu seiner Arbeit ins Büro nach Berlin. Doch was den Angestellten noch mehr nervte, war seine Versicherung. „Die Huk wollte mich zwangsenteignen“, ärgert sich Wurbs.
Das Problem liegt im Kleingedruckten der Kaskoversicherung. Wird ein Auto gestohlen und bekommt der Kunde es nicht innerhalb von vier Wochen zurück, zahlt die Versicherung den Wiederbeschaffungswert. Das wollte auch die Huk tun. Kurz vor Ablauf der Vier-Wochen-Frist machten die Franken ihrem Kunden ein Angebot – über 10 100 Euro. Diesen Betrag hatte ein interner Gutachter ermittelt. Wurbs war empört: Der Gutachter habe weder die Standheizung noch weitere Extras, mit denen sein Golf ausgestattet war, berücksichtigt. „Im Internet habe ich ein ähnliches Fahrzeug für 13 500 Euro entdeckt“, erzählt der Brandenburger. Die Versicherung besserte ihr Angebot nach – um 400 Euro. „Eine Frechheit“, ärgert sich Wurbs noch heute, „für das Geld hätte ich kein gleichwertiges Fahrzeug bekommen.“ Und für einen Neuwagen fehlte dem frisch gebackenen Hausbesitzer schlicht das Geld.
Wurbs entschied sich gegen die Versicherung: „Ich wollte mein Auto zurück.“ Doch seine Ansprechpartner bei der Huk wollten sich darauf nicht einlassen. Die Familie schrieb an den Vorstand und bekam Post – ausgerechnet wieder von dem Sachbearbeiter, mit dem man sich schon zuvor gestritten hatte. Wurbs ging zum Anwalt, der intervenierte, schließlich hatte die Familie Erfolg. Die Versicherung verzichtete auf die Entschädigung und zahlt statt dessen die Reparatur. Anfang November bekam Wurbs seinen Golf zurück, in diesen Tagen sollen die Reparaturen abgeschlossen werden.
Bei der Huk kann man den Ärger nicht recht nachvollziehen und verweist auf die Versicherungsbedingungen. Danach wird die Versicherung automatisch Eigentümerin des Pkw, wenn das Diebstahlauto nicht innerhalb eines Monats wieder beim Kunden steht. Taucht das Auto später wieder auf, verkauft die Versicherung es weiter – allerdings nur an Händler, nicht an Privatleute. „Die Versicherten sind normalerweise heilfroh, wenn die Kasko zahlt“, sagt auch Katrin Rüter de Escobar vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Der Normalfall sieht jedoch auch anders aus als das, was Familie Wurbs erlebt hat. Denn der Großteil der Autos verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Und auch die Täter werden nur selten geschnappt. In Brandenburg wird noch nicht einmal jeder fünfte Fall aufgedeckt. Mit einer Aufklärungsquote von 18,3 Prozent ist die Brandenburger Polizei aber noch immer deutlich erfolgreicher als ihre Kollegen in Berlin, die gerade einmal 11,7 Prozent aller Fälle lösen. Dabei ist Berlin die Hochburg der Autodiebe. Nirgendwo sonst werden – gemessen an der Gesamtzahl der Autos – so viele Pkw gestohlen. 7340 Fälle zählte die Berliner Polizei im vergangenen Jahr, gegenüber 2010 ein Anstieg um 2,2 Prozent. Dagegen sinken in Brandenburg die Zahlen: 2789 Fälle zählte die Polizei von Januar bis Oktober 2012, verglichen mit dem Vorjahr ein Rückgang um zwölf Prozent.
Berlin, Brandenburg und die anderen ostdeutschen Bundesländer leiden unter ihrer Nähe zu Osteuropa. Vor allem litauische und polnische Banden stehlen Autos oder Autoteile und verschieben diese über die Grenze nach Osten, heißt es im jüngsten Bundeslagebild des Bundeskriminalamts. Manch deutscher Wagen endet so in Zentralasien – in Tadschikistan und Usbekistan – oder im Nahen Osten. Besonders häufig gestohlen werden Fahrzeuge aus dem Hause Volkswagen, was jedoch auch daran liegt, dass die Wolfsburger Marktführer in Deutschland sind. Der absolute Liebling der Autoklauer kommt nämlich von der Konkurrenz aus München: Es ist der Geländewagen X5/X6 3,0 D von BMW. Von 1000 kaskoversicherten Autos dieses Typs wurden – rein rechnerisch – 16,7 Prozent gestohlen. Die Autoverbände raten Autobesitzern, Lenkradsperren, Alarmanlagen oder GPS-Systeme einzubauen, um die Täter abzuschrecken.
Doch auch die gehen mit der Zeit. Der neuste, vor allem bei MercedesC-Klasse-Autos beliebte Trick: Taschendiebe fischen die Autoschlüssel aus den Taschen ihrer Opfer und fahren dann in aller Ruhe los. Nach Polen, Litauen und dann immer, immer weiter.
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