Handelsstreit von USA und EU: Welche Folgen die Strafzölle haben – und wie es weitergeht
In Europa sieht man die Strafzölle als Angriff - auch wenn die direkten Auswirkungen für die deutschen Stahlkonzerne gering sind. Eine Analyse.
Die Aufregung ist groß am Tag, nachdem die USA verkündet haben: Auch die Europäer müssen künftig Strafzölle zahlen, wenn sie Stahl oder Aluminium in die USA verkaufen. Regierungssprecher Stefan Seibert nennt das eine „schwere Herausforderung“. Bundesfinanzminister Olaf Scholz kritisiert die Zölle als „falsch“ und „rechtswidrig“. Die Verhandlungen mit den USA macht das nicht einfacher – auch wenn US-Handelsminister Wilbur Ross sagt: „Jeder hat mal Meinungsverschiedenheiten. Das kommt in den besten Familien vor und auch zwischen Staaten.“ Mit der Zeit würden alle darüber hinwegkommen.
Die direkten Folgen sind begrenzt
In Europa verstehen viele die Strafzölle als Angriff. Auch wenn sich direkten Auswirkungen zunächst in Grenzen halten. So ist die Stahlbranche zum Beispiel für Deutschland zwar sehr wichtig. Ein Großteil des deutschen Stahls bleibt aber in Europa: Ein Drittel der Exporte geht allein nach Frankreich, Polen und Italien. In den USA landen dagegen nur fünf Prozent der deutschen Stahlausfuhren, womit die Vereinigten Staaten unter den wichtigsten Abnehmerländer der Stahlkonzerne lediglich auf Platz sieben liegen – etwa gleichauf mit Österreich. Das Ifo-Institut beziffert den direkten Schaden der US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium für Deutschland deshalb auch nur auf 40 Millionen Euro. Und damit ist Deutschland in Europa bereits am stärksten betroffen.
Sehr viel schlimmer sind aber die indirekten Folgen. Denn zahlen müssen die auch Staaten wie China, Russland und die Türkei. Sie haben bislang viel Stahl in die USA verkauft und versuchen nun, mehr davon in Europa loszuwerden, wo sie keine Strafzölle zahlen müssen. Das wiederum setzt aber die hiesigen Konzerne enorm unter Druck. Die EU-Komission prüft bereits, ob es zu solchen Marktveränderungen kommt. Sollte Europa tatsächlich mit billigem Stahl aus dem Ausland überschwemmt werden, könnte Brüssel die Einfuhr begrenzen.
Autobauer fürchten eine Eskalation des Handelsstreits
Die Autobauer haben derweil ganz andere Sorgen. Schließlich steht bereits die nächste Drohung von Donald Trump im Raum, auch auf Autos Strafzölle einzuführen. Und das würde Deutschland mit seinen großen Autokonzernen sehr viel härter treffen als die Abgaben auf Stahl und Aluminium. Für Volkswagen, Daimler und BMW sind die USA der zweitgrößte Exportmarkt nach China. Experten rechnen in einem solchen Fall mit Einbußen von fünf Milliarden Euro im Jahr. „Falls Zölle auf Autos verhängt würden, würde das enormen Schaden anrichten“, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. „Nicht nur für die europäische Wirtschaft, sondern auch für die amerikanische und viele andere.“
Sollten sich die EU und die USA nun gegenseitig mit Strafzöllen überziehen, könnte das einen starken Wirtschaftsabschwung auslösen, warnt Ifo-Ökonom Gabriel Felbermayr. Normalerweise könnte in einem solchen Konflikt noch die Welthandelsorganisation (WTO) als Schlichter eingreifen. Doch die ist stark geschwächt. Zum einen erkennt US-Präsident Donald Trump sie schlicht nicht an. Zum anderen ist die WTO auch personell kaum handlungsfähig – von sieben Richterstellen für Schiedsverfahren sind derzeit nur vier besetzt, weil die Amerikaner keine Kandidaten nominiert haben und das bereits unter Barack Obama.
Die EU will entschieden regieren, aber keinen Handelskrieg auslösen
Für die EU-Politiker ist das eine schwierige Situation. Einerseits wollen sie jetzt ein klares Zeichen setzen, um nicht den Eindruck zu erwecken, die USA könnten mit ihnen machen, was sie wollen. Andererseits haben die Europäer aber eben auch ein Interesse daran, den Handelsstreit nicht eskalieren zu lassen. So sagt EU-Handelspolitiker Bernd Lange (SPD) über Trump: „ Der versucht, uns zu erpressen und deswegen müssen wir Gegenmaßnahmen einleiten, aber so dass wir keine Eskalation nach vorne treiben.“ Auch Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) warnt: „Reaktionen der EU, die zu einer Eskalation der Situation und weiteren Handelsbarrieren führen, würden einen noch viel größeren Schaden anrichten.“ Soll heißen: Man muss reagieren, aber bloß nicht zu viel.
Die EU setzt deshalb nun als Gegenmaßnahme auf eigene Strafzölle auf Waren, die vor allem Symbolcharakter haben. So wollen die Europäer typische US-Produkte wie Whiskey, Erdnussbutter, Harley-Motorräder oder Levi’s-Jeans mit Strafabgaben belegen. Noch am Freitag wollten die Europäer die auf den Weg bringen, so dass sie ab dem 20. Juni gelten könnten.
Mit Kanada und Mexiko könnte Deutschland neue Partner finden
An einer Eskalation des Handelsstreits dürften die Europäer auch deshalb kein Interesse haben, weil es genug andere Baustellen gibt. Sorgen machen sich die Exporteure zum Beispiel auch über das Iran-Geschäft, das gerade erst wieder in Gang gekommen ist. 2017 haben sich die deutschen Exporte in den Iran um 16 Prozent erhöht. Nachdem Trump aber das Iran-Abkommen aufgekündigt hat, sind viele Firmen verunsichert. Der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hat sie aufgefordert, ihre Aktivitäten im Iran sofort wieder herunterzufahren. Auch der Brexit sorgt unter den Unternehmen für Unsicherheit. Schon jetzt machen die Europäer weniger Geschäfte mit den Briten.
Umso wichtiger werden womöglich neue Partner. Altmaier (CDU) sagte, eine Antwort auf den Handelsstreit mit den USA könne „möglicherweise dann auch in stärkerer Zusammenarbeit mit Kanada und Mexiko“ sein.