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Gesichtserkennung gehört in China zum Alltag.
© REUTERS

Chinas Tech-Unternehmen und die Uiguren: Welche Firmen Peking bei der digitalen Überwachung ausrüsten

China überwacht die Uiguren mit modernsten technischen Mitteln. GPD-Sender sind dabei schon veraltet. Die neue Software wertet Gesichter nach Hautfarbe aus.

An der Überwachung der Uiguren in der chinesischen Region Xinjiang sind zahlreiche führende Hightech-Unternehmen beteiligt. Dass Gesichtserkennung, Bewegungskontrolle und DNA-Auswertung überhaupt so effizient funktionieren, liegt am rasanten Vormarsch chinesischer Technologiefirmen. Sie arbeiten mit Eifer und Kapitaleinsatz an der dazu nötigen Hardware und Software und liefern sie bereitwillig für den von der Regierung gesteuerten Einsatz gegen Minderheiten.

Die Region Xinjiang wird von Peking wie eine gigantische Testzone für digitale Überwachung behandelt. So berichtet die US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit (USCIRF) in einem kürzlich publizierten Bericht, Chinas Hightech-Überwachungsstaat habe dazu geführt, dass viele der Minderheiten dort aus Angst nicht mehr zum täglichen Gebet gehen. Rund 1000 Moscheen in einem südlichen Landkreis in Xinjiang werden laut USCIRF ständig durch Videokameras überwacht.

In der gesamten Region im Nordwesten des Landes wurden Gesichtserkennungssysteme eingesetzt, die neben Gesichtserkennung gleichzeitig eine Klassifizierung der gescannten Gesichter nach Hautton und Gesichtsform vornehmen. Die gewonnenen Daten werden nach Angaben des USCIRF von der chinesischen Polizei sogar außerhalb von Xinjiang dafür benutzt, um Uiguren „zu identifizieren und anzuvisieren“.

Unterstützung direkt aus der Staatskasse

Zu den chinesischen Technologieunternehmen, die die Überwachung in Xinjiang möglich machen, gehören der Hersteller von Überwachungskameras Hangzhou Hikvision Digital Technology, sowie die Gesichtserkennungssysteme von CloudWalk und SenseNets Technology, die dem Bericht zufolge die täglichen Routen von mehr als 2,5 Millionen Menschen in Xinjiang verfolgen.

Meist kommen die Gelder, die zum Aufstieg dieser Unternehmen geführt haben direkt aus der Staatskasse. Bei Hikvision, dem weltgrößten Hersteller von Überwachungskameras etwa, besitzt der Staat mit 51 Prozent die Mehrheitsanteile. Die New York Times berichtete im Frühjahr schon, dass Hikvision rassistische Gesichtserkennung gegen die Uiguren in Xinjiang nutzt. Das Gefährliche daran ist, dass Hikvision nach eigenen Angaben nicht nur die Kerntechnologien der Audio- und Videocodierung entwickelt sondern auch die für Videobildverarbeitung zugehörige Datenspeicherung, sowie zukunftsweisende Technologien wie Cloud-Computing, Big Data und Deep Learning. Sie erst machen die Kontrolltechnologie zu einer mächtigen Waffe.

Ein anderes Unternehmen, iFlytek, hat mit dem chinesischen Ministerium für öffentliche Sicherheit zusammengearbeitet, um eine nationale Sprachmusterdatenbank aufzubauen, die „Minderheitensprachen beherrscht“, heißt es laut USCIRF weiter.

Auch ausländische Unternehmen beteiligt

Es sind aber nicht nur chinesische Firmen, die davon profitieren, dass China – nicht nur in Xinjiang – einen immer stärkeren digitalen Autoritarismus betreibt. So hat sich das US-UnternehmenThermo Fisher Scientific erst nach Kritik durch den US- Kongress und durch Menschenrechtsgruppierungen aus dem Verkauf von DNA-Sequenziergeräten an die chinesischen Behörden in Xinjiang zurückgezogen.

Mittels dieser Geräte wurden auf Polizeistationen und in den zahlreichen Umerziehungslagern DNA-Proben und andere biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Blutproben von Uiguren im Alter zwischen zwölf bis 65 Jahren gesammelt, so USCIRF in seinem Bericht im September.

Außenminister Heiko Maas (SPD) fordert China auf, die Internierung der Uiguren zu beenden.
Außenminister Heiko Maas (SPD) fordert China auf, die Internierung der Uiguren zu beenden.
© dpa

Nach den aktuellen Enthüllungen über die Internierung muslimischer Uiguren in China hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die Regierung in Peking eindringlich aufgefordert, für Aufklärung zu sorgen. „China muss seinen internationalen Verpflichtungen bei Menschenrechten nachkommen“, sagte er am Dienstag beim Berliner Forum Außenpolitik der Körber-Stiftung in Berlin. Jetzt gehe es vor allem um unabhängigen Zugang zu der von den Uiguren bevölkerten Region, auch für die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen. „Wenn tatsächlich Hunderttausende Uiguren in Lagern festgehalten werden, dann kann die internationale Gemeinschaft davor nicht die Augen verschließen“, betonte Maas.

Auch ohne das Leak "China Cables", das Anfang der Woche bekannt wurden, wusste man, dass in China Uiguren und Angehörige anderer religiöser Minderheiten in der Provinz Xinjiang willkürlich festgesetzt, auf Schritt und Tritt bewacht und in Umerziehungslagern gegen ihren Willen festgehalten werden. Ihre Bewegungsfreiheit ist bereits seit Jahren extrem eingeschränkt. So haben chinesische Beamte an jedem Fahrzeug eines Uiguren einen GPS-Sender installiert. GPS oder Spionage-Software in Telefonen der Uiguren sind dabei eher schon altertümliche Mittel der Überwachung. Die neuen Technologien basieren auf Künstlicher Intelligenz und damit auf dem Bereich, in dem die Start-ups aus China weltweit führend geworden sind.

Simbabwe bestellt Gesichtserkennungssoftware

Mittlerweile exportiert China das Modell auch in andere Länder. Die Polizei in Malaysia hat Gesichtserkennungstechnologie bei Yitu bestellt. Robert Mugabes Nachfolger Emmerson Mnangagwa hatte schon 2018 mit dem Start-up Cloudwalk einen Vertrag abgeschlossen, um Simbabwe mit Gesichtserkennungssoftware auszustatten. [In einer früheren Version des Textes stand, noch Robert Mugabe habe den Vertrag abgeschlossen. Wir haben den Fehler korrigiert.] Cloudwalk kann dadurch seinen noch fehlerhaften Algorithmen für Personen mit dunkler Hautfarbe mehr Daten einspeisen.

Darauf hin hatten die USA im Oktober Firmen wie Yitu, Hikvision, iFlytek auf eine schwarze Liste gesetzt und davor gewarnt, dass die Technologie dieser Unternehmen, die Menschenrechte der uigurischen Minderheiten verletzen. Yitu ist neben CloudWalk, Face ++ und SenseTime eines von vier Einhörnern aus dem Bereich Computer Vision (ein Teilgebiet der KI, das Informationen aus visuellen Daten extrahiert), die alle um die Vorreiterrolle in der Sicherheitsüberwachung, aber auch in den Bereichen Robotik, Finanzen oder Transport kämpfen. SenseTime, das wertvollste KI-Start-up der Welt, soll auch durch internationale Investoren 4,5 Milliarden Dollar wert sein. Bis 2030 will Peking weltweit führend in Künstlicher Intelligenz sein.

Derweil übt sich die chinesische Regierung weiterhin in der Zensur der China Cables. Dazu gefragt, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag, es seien „gemeine“ und „ungeschickte“ Versuche ausländischer Medien, die das Thema größer machen wollen, als es ist. China werde nicht akzeptieren, dass damit die Anti-Terror- und Entradikalisierungsarbeit Chinas zerstört werden soll.

Ning Wang

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