Airbnb-Deutschlandchef: "Was in Berlin legal oder illegal ist, ist völlig unklar"
Airbnb ist bei Reisenden beliebt, in vielen Städten verhasst. Deutschland-Chef Alexander Schwarz spricht im Interview über illegale Wohnangebote, Profit für Bezirke und Konkurrenz mit Hotels.
Herr Schwarz, die Homesharing-Plattform Airbnb steht beispielhaft für das Zeitalter der Digitalisierung, aber nicht nur der Erfolg, auch die Kritik an Ihrem Unternehmen wächst. Immer mehr Städte weisen Airbnb in die Schranken, weil es heißt, viele Ferienwohnungsangebote verschärften das Problem steigender Mieten und knappen Wohnraums. Zu Recht?
Wir sind keine Gegner von Regulierung, aber sie muss progressiv und fair sein. Wir sind mit vielen Städten in sehr konstruktiven Gesprächen und finden gute Regeln für alle Beteiligten. In manchen Städten ist der Dialog schwieriger.
Jede Stadt könnte eigene Gesetze erlassen. Wie sehr ärgert Sie diese Art der Kleinstaaterei?
Tatsächlich ist das sehr komplex. Wir merken aber, dass es funktioniert, wenn die Städte mit uns zusammenarbeiten. Die politischen Entscheider erkennen immer mehr, dass Homesharing anders gehandhabt werden muss als das professionelle Vermieten von Ferienwohnungen.
Was unterscheidet denn einen Homesharer von einem professionellen Vermieter?
Homesharing meint das Vermieten aus den eigenen vier Wänden heraus. Das heißt, Sie als Gastgeber kehren etwa nach einer Dienstreise oder einem Urlaub wieder in Ihre Wohnung zurück. Touristen oder Geschäftsreisende nutzen also die bewohnten Wohnungen von anderen. Das ist wichtig als Kriterium. Denn dadurch wird kein Wohnraum entzogen.
Es gibt aber auch auf Airbnb angebotene Wohnungen, in denen der Anbieter nicht selbst lebt. Das sind dann Ferienwohnungen und kein Homesharing, richtig?
Genau. Es gab schon immer traditionelle Übernachtungsbetriebe wie Ferienwohnungen oder Bed&Breakfasts, die Airbnb als Vertriebskanal nutzen. Wir unterscheiden zwischen Städten und ländlichen Regionen. Während in Städten der Fokus auf Homesharing liegt, arbeiten wir in typischen Ferienregionen, wie an der Ostsee, mit gewerblichen Gastgebern zusammen, um Unterkünften ganzjährig zu einer besseren Auslastung zu verhelfen. Die Vermietung von Ferienwohnungen ist in diesen Regionen ein wesentlicher Bestandteil der lokalen Wirtschaft.
Berlin hat das sogenannte Zweckentfremdungsverbot erlassen. Damit können Homesharer die ganze eigene Wohnung nur ein einziges Mal im Leben anbieten, außer sie erhalten eine Genehmigung durch die Stadt. Die vergeben die Berliner Behörden aber so gut wie nicht. Wie kommt es, dass die Anzahl der Airbnb-Wohnungen in Berlin im vergangenen Jahr weiter gestiegen ist?
Die Zahlen spiegeln die veränderten Bedürfnisse der Menschen im 21. Jahrhundert wider und den Wunsch vieler Berliner, sich mit dem gelegentlichen Vermieten ihres Zuhauses etwas dazu verdienen zu können. Das Thema Homesharing ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und interessiert immer mehr Menschen weltweit.
Das heißt aber, dass Sie illegale Angebote auf Ihrer Plattform zulassen.
Was nun in Berlin genau "legal" oder "illegal" ist, ist vollkommen unklar. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg kam jüngst zu der Auffassung, dass das Zweckentfremdungsverbotsgesetz teilweise verfassungswidrig ist und danach viele Gastgeber überhaupt keine Genehmigung bräuchten. Weitere Gerichtsurteile des Berliner Verwaltungsgerichts zeigen zudem, dass vielen Gastgebern Genehmigungen trotz Anspruch nicht erteilt wurden. Seitens der Stadt wird pauschal das Angebot als "illegal" bezeichnet, obwohl eigentlich die Praxis der Stadt seit nunmehr fast einem Jahr in weiten Teilen unrechtmäßig ist.
Sie könnten die Anbieter doch vorab um die erteilten Genehmigungen bitten – ein PDF hochzuladen müsste doch möglich sein – und nur noch legale Inserate online stellen.
Eine Plattform kann nicht als Verwaltung oder Exekutive agieren. Wer umzieht, muss sich ja auch bei der Stadt ummelden und nicht bei uns. Die Frage ist doch eher, ob Genehmigungen das richtige Mittel für ein Segment sind, das der Wohnraumsituation gar nicht schadet. Menschen, die ihre eigenen vier Wände ab und zu vermieten und dadurch keinen Wohnraum wegnehmen, werden dafür kriminalisiert.
Viele Städte werfen Ihnen vor, dass sie von Ihnen keine genauen Informationen über die Anbieter erhalten.
Wir teilen mit den Städten seit langem statistische Daten zu Gästeankünften, Unterkünften und Buchungen. Aber Airbnb ist der Schutz der personenbezogenen Daten sehr wichtig. Es gibt wesentlich verhältnismäßigere Herangehensweisen als den pauschalen Austausch von personenbezogenen, also die Privatsphäre betreffenden, Daten. Im Mittelpunkt steht Wohnraum zu schützen und das ist uns genauso wichtig wie den Städten.
Um das zu erreichen, haben sich viele Städte inzwischen dafür entschieden, Homesharing nur innerhalb begrenzter Zeiträume zuzulassen.
Genau. In Hamburg gibt es zum Beispiel klare Regeln für Homesharing mit einer Obergrenze von insgesamt 182 Tagen im Jahr. Eine solche Obergrenze ist ein objektives Kriterium, das eine Unterscheidung zwischen Homesharern und professionellen Anbietern ohne unnötigen bürokratischen Aufwand und kostspieligen, teilweise abweichenden Einzelfallentscheidungen erlaubt.
Eine ziemlich großzügige Regelung.
Hamburg ist sehr progressiv und fördert das Homesharing-Segment. Es dürfen entweder maximal 50 Prozent der Fläche genehmigungsfrei ganzjährig vermietet werden oder die gesamte Wohnung, wenn der Gastgeber sie überwiegend selbst nutzt. Das ist für die Bürger eine nachvollziehbare, pragmatische Regelung. Hamburg ist aber nur ein Beispiel. Auch in München ist Homesharing ohne vorherige Genehmigung für einen begrenzten Zeitraum möglich. Auch viele andere Städte in Europa haben klare Regeln für Homesharing.
Aber wer seine Wohnung insgesamt fast ein halbes Jahr vermietet, verdient doch richtig Geld.
Der typische Gastgeber in Deutschland und Berlin vermietet sein Zuhause etwa 28 Tage im Jahr und verdient damit ungefähr 1.500 Euro. Das ist ein zusätzliches Einkommen, kein gewerbliches Vermieten. Sehr viele Menschen sind unter der Woche häufig auf Dienstreise oder haben ihren Lebenspartner in einer anderen Stadt. Ihre eigene Wohnung steht in der Zeit leer. Durch die gestiegene Mobilität haben sich die Lebensweisen der Menschen stark verändert.
Können Städte denn mit diesen Obergrenze überhaupt sicherstellen, dass wirklich nur Inserate auf der Plattform stehen, die aus privaten Wohnungen bestehen?
Airbnb kann auf der Plattform technisch implementieren, dass Angebote über den erlaubten Zeitrahmen hinaus nicht mehr buchbar sind. Das haben wir beispielsweise in Amsterdam und London eingeführt. Dazu braucht es aber klare Gesetze und die Bereitschaft einer Stadt, zusammenzuarbeiten.
"Airbnb ist die Alternative zum Massentourismus"
Was, wenn sich ein Anbieter abmeldet und mit derselben Wohnung unter einem neuen Profil registriert, um das zu umgehen? Das passiert ja jetzt schon.
Schwarze Schafe gibt es bestimmt. Wir gehen davon aus, dass der Großteil unserer Gastgeber nicht absichtlich die Gesetze übertritt. Für die Ausnahmen versuchen wir, mit unseren Entwicklern Lösungen zu erarbeiten, damit das System nicht ausmanövriert wird. Auch wir lernen. Wenn das nicht reicht, muss man weiter daran arbeiten.
Dem Airbnb-Konzept wird nicht nur vorgeworfen, den Wohnraum zu verknappen. Auch die umliegenden Mieten sollen dadurch noch schneller steigen, als sie es ohnehin schon tun.
Es gibt zahlreiche unabhängige Studien, die belegen, dass Airbnb keine signifikanten Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt hat. Bezahlbarer Wohnraum ist ein wichtiges Thema in vielen Städten. Airbnb will durch die Möglichkeit des Homesharing die Städte dabei unterstützen. Für viele Menschen in den Großstädten weltweit wird Wohnen wegen der Urbanisierung durch die immer größere Nachfrage zwangsläufig teurer. Airbnb kann für viele ein Mittel sein, um überhaupt in ihrer Wohnung bleiben zu können.
Wer trägt denn Ihrer Meinung nach Schuld an Wohnungsmangel und steigenden Mieten?
Laut UN werden bis 2050 drei von vier Menschen auf der Erde in der Stadt wohnen. Damit steigen Nachfrage und Dichte. 40.000 Menschen ziehen beispielsweise pro Jahr nach Berlin. Die neuen Wohnungen, die gebaut werden, reichen dafür längst nicht aus. Das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz soll von den zahlreichen wohnungspolitischen Fehlern in der Vergangenheit ablenken. Es trifft jedoch ganz normale Bürgerinnen und Bürger, die aus ihren selber bewohnten vier Wänden heraus vermieten möchten, und schützt primär die Hotels.
Sie sagen, auch die Städte selbst würden von Airbnb profitieren. Wie meinen Sie das?
Viele Städte und Gemeinden profitieren vom zusätzlichen und vielfältigeren Tourismus und arbeiten daher eng mit uns zusammen. Beispielsweise erheben wir inzwischen für mehr als 220 Kommunen die jeweilige Kur- oder Tourismustaxe von den Airbnb-Gästen. Da sind wir als Plattform Vorreiter. Wir helfen hier Gastgebern und Städten, sie unbürokratisch zu entlasten. Das ist nur ein Beispiel, wie wir als Plattform progressiv Verantwortung übernehmen.
Trotz der vielen Kritik ist Airbnb zugleich bei Millionen Menschen sehr beliebt. Viele Städte wünschen sich sogar mehr Airbnb-Angebote. Geldgeber glauben an Ihr Konzept und haben kürzlich eine Milliarde Dollar in das Unternehmen investiert. Wie möchten Sie diese widersprüchliche Wahrnehmung auflösen?
Wir gehen davon aus, dass der Großteil unserer Gastgeber nicht absichtlich die Gesetze übertritt
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Airbnb ist nur ein Teil des insgesamt stark zunehmenden Tourismus. Wir diskutieren mit den Städten individuelle Modelle, damit der Tourismus nachhaltig wächst. 76 Prozent unserer Gastgeber wohnen ohnehin außerhalb der touristischen Zentren. Stadtviertel, die bisher keine touristischen Einnahmen hatten, profitieren plötzlich durch Airbnb. Das hilft der gesamten Infrastruktur vor Ort, wie der Kulturwirtschaft oder der Gastronomie. An der Ostsee kommen beispielsweise plötzlich französische Gäste in eine Ferienwohnung, die sonst im Winter immer leer stand.In Berlin lag die durch Airbnb-Gastgeber und Gäste generierte Wertschöpfung 2016 bei mehr als 430 Millionen Euro. Das kommt den Berliner Kulturbetrieben aber auch den Restaurants und lokalen Geschäften zugute. Und von dem Geld, das die Airbnb-Gastgeber verdienen, profitieren die Bezirke ebenfalls.
Teile der Hotelbranche werfen Ihnen vor, dass Sie als Plattform gesetzliche Bestimmungen umgehen können, zum Beispiel bei Sicherheitsanforderungen, Haftungsfragen und Steuern. Müssten für einen fairen Wettbewerb nicht hier auch die Auflagen für Airbnb strenger werden?
Anders als Hotels sind wir nicht der direkte Anbieter der Unterkünfte. Beim Homesharing unterliegen die privaten Gastgeber der Regulierung im Baurecht. Derjenige, der sich zu Hause nicht wohlfühlt, weil er glaubt, ihm fällt womöglich gleich die Lampe auf den Kopf, wird Maßnahmen ergreifen, damit die Lampe wieder fest montiert ist. Man kann jemanden, der gelegentlich sein Zuhause vermietet, nicht mit einem Hotel vergleichen. Deswegen können auch nicht die gleichen Regeln für unterschiedliche Akteure gelten.
Sie schaffen aber einen Raum, den der Staat schwer kontrollieren kann, weil die Daten bei Ihnen liegen. Den Städten kann so viel Steuergeld aus den Vermietungen entgehen.
Wir gehen auch in diesem Bereich sehr weit. Wir klären unsere Gastgeber bei der Registrierung und auf der Website über geltende gesetzliche Regelungen auf. Wir schicken jährlich Erinnerungen an alle Gastgeber, damit sie die Airbnb-Einnahmen in der Einkommensteuererklärung nicht vergessen.
Mit ihrem Angebot Airbnb Business Travel können Gastgeber mit höheren Qualitätskriterien auch besondere Angebote für Geschäftsreisende machen. Damit greifen sie die Hotelbranche in einem weiteren wichtigen Segment an. Nicht nur in Berlin, auch in New York, wie die "New York Times" kürzlich aufdeckte, agiert die Hotellobby vehement gegen sie.
Natürlich gibt es einige Lobbyisten innerhalb der Hotellerie, die sich den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung verwehren und versuchen, mit großen Budgets in die Gesetzgebung einzugreifen. Aber nicht jeder Hotelier hält Airbnb für einen Wettbewerber. Viele kleinere Hotels und Familienbetriebe sehen uns als eine Bereicherung der Branche. Boutique-Hotels etwa stellen schon jetzt einzelne Zimmer auf unsere Plattform.
Entwickeln Sie sich damit nicht nur zu einer weitere Hotelbuchungsplattform wie HRS, Boooking.com oder trivago?
Airbnb ist für solche Hotels auch die Möglichkeit, dem Preiswettkampf um die höchste Position im Suchergebnis auf anderen Plattformen zu entkommen. Den gewinnen meist die großen Hotelketten für sich. Auf Airbnb werden die Suchergebnisse hingegen nicht nach Preis, sondern nach Qualität und der Wiederbuchungsrate durch zufriedene Gäste sortiert. Das kann in einem sich verdichtenden Markt entscheidend sein, damit kleine Betriebe im Gastgewerbe überleben.
Seit Herbst 2016 bieten Sie mit Airbnb Entdeckungen auch Reiseprogramme an. Jeder kann hier quasi zum individuellen Reiseführer für andere werden. Machen Sie also als nächstes klassischen Reiseanbietern Konkurrenz?
Airbnb ist die Alternative zu Massentourismus. Für alles, was abgedroschen ist, wofür man aber viel Geld ausgibt. Die authentischen Erlebnisse bekommt man, wenn unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Kulturen aufeinandertreffen. Airbnb Entdeckungen bietet Einsichten in Orte, die Reisenden bisher in dieser Form nicht zugänglich waren. Lokale Experten entwickeln sogenannte Entdeckungen und bieten sie Reisenden an. Sie können sich in Japan von einem Schwertkämpfer ausbilden lassen, in Afrika als Marathonläufer ein berühmtes Höhentrainingslager besuchen und drei Tage mit der Community verbringen, die diese Leidenschaft mit ihnen teilt.
Also greifen Sie klassische Reiseveranstalter an?
Nein, Airbnb Entdeckungen haben mit dem Geschäft eines Reiseveranstalters nichts zu tun. Es geht um das Reiseerlebnis insgesamt. Wir wollen das Reisen wieder außergewöhnlich machen und den Menschen dabei in den Mittelpunkt stellen. Demnächst kann man Entdeckungen auch in Berlin buchen. Wir wollen einerseits, dass Reisen fürs Leben prägen kann, durch einzigartige Erlebnisse und Begegnungen mit anderen Menschen. Wir wollen andererseits, dass die Nutzer alles auf einer Plattform bekommen, um alles aus einer App buchbar zu machen. Denn man ist mit dem Planen seiner Reise oftmals viel zu lange beschäftigt.
Für einfacheres Buchen auf einer Plattform müssten Sie aber auch Flüge anbieten.
Genau das haben wir angekündigt und daran arbeiten wir. Details dazu können wir aber noch nicht nennen.
Wie reisen Sie selbst, auch mit Airbnb?
Ja, ausschließlich.
Dieses Interview ist zuerst auf Zeit Online erschienen.