Insolvente Berliner Fluggesellschaft: Was Germania-Kunden jetzt noch tun können
Wer seinen Flug per Kreditkarte oder Lastschrift gezahlt hat, kann unter Umständen sein Geld zurückbekommen.
Seit zwei Wochen sind die Germania-Maschinen am Boden. Auch die Kontostände der Betroffenen dürften wohl nicht wieder in die Höhe gehen. Wer einen Germania-Flug auf eigene Faust gebucht hat, bleibt ziemlich sicher auf seinen Kosten sitzen. Das betrifft mehr als eine Viertelmillion Menschen.
Was können Betroffene noch tun?
Viele Möglichkeiten gibt es für Selbstbucher nicht. Zudem läuft die Zeit gegen sie. Spontanreisende, die erst kurz vor der Insolvenz-Beantragung via Kreditkarte gebucht haben, sollten sich schleunigst bei ihrem Kreditkarteninstitut melden. Ist das Geld noch nicht bei Germania angekommen, gäbe es noch die Möglichkeit, den Zahlungsvorgang zu stoppen. Das sei aber – bis auf wenige Ausnahmen – eher unrealistisch, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Sebastian Biere.
Minimale Hoffnung bestehe noch für Kunden, die via Lastschrift bezahlt haben. Liegt die Zahlung nicht länger als sechs Wochen zurück, können sie den Betrag über ihre Bank zurückfordern. „Diese Leute sind auf der sicheren Seite“, so Biere. Da Lastschriften aber nicht mehr oft genutzt oder angeboten werden, ist der Kreis der Betroffenen klein.
Ein kleines Schlupfloch bieten außerdem noch Versicherungsleistungen, die oftmals mit dem Besitz einer Kreditkarte einhergehen. Der Deutschland-Chef des Fluggastrechte-Portals EU-Claim, Tim Lamyon, erklärt: „Wenn der Kunde direkt bei Germania gebucht und mit seiner Kreditkarte gezahlt hat, gibt es Kreditkarten-Institute, die diesen Verlust absichern und dem Kunden das Geld rückerstatten. Das hängt aber stark von den AGB der entsprechenden Institute ab.“
Im Bankenjargon wird dieser Vorgang „Chargeback“ genannt. „Der Anspruch des Fluggastes, der mit Kreditkarte bezahlt hat, richtet sich in diesem Fall nicht direkt gegen das Kreditkarteninstitut, sondern gegen den Versicherer des Kreditkartenunternehmens“, erklärt Biere. Die Deutsche Kreditbank (DKB) weist ihre Kreditkartenbesitzer derzeit ausdrücklich auf diese Möglichkeit hin. Der Kunde muss beweisen, dass die Leistung für seine Zahlung ausblieb – was bei ausgefallenen Flügen der Fall ist. Die DKB empfiehlt ihren Kunden, folgende Dokumente zu sammeln und dem Unternehmen zu übermitteln: eine Kopie des Tickets oder der Buchungsbestätigung, eine Bestätigung, dass der Flug nicht stattgefunden hat, und eine Ablehnung der Erstattung durch Germania. Zusätzlich muss noch ein Reklamationsformular ausgefüllt werden – die DKB prüft den Fall dann für ihre Kunden. Der Antrag muss innerhalb von 100 Tagen nach geplantem Flugtermin oder der Stornierungsmitteilung für den Flug eingereicht werden, und die Abbuchung auf der Karte darf nicht mehr als 540 Tage zurückliegen.
Wie hoch ist die Schadenssumme?
Die Zahlungsunfähigkeit der Germania betrifft Reisende in etwa 260 000 Fällen in einem Zeitraum bis Ende Mai 2020, die direkt bei Germania gebucht haben. Das bestätigt Sebastian Glaser, Sprecher des vorläufigen Germania-Insolvenzverwalters. Wie hoch der Schaden für die Direktbucher ist, kann Glaser nicht sagen. „Das wird vom vorläufigen Insolvenzverwalter noch geprüft.“ Dass es sich um einen zweistelligen Millionenbetrag handelt, ist aber sehr wahrscheinlich. Anders als bei Pauschalreisen gibt es bei Direktbuchungen keinen gesetzlich garantierten Rückerstattungsanspruch bei der Insolvenz einer Airline. Verbraucherschützer fordern daher schon länger eine Insolvenzversicherung für Fluggesellschaften.
Wie lief die Hilfe anderer Fluglinien?
Wie viele im Ausland festsitzende Germania-Betroffene bisher verbilligte Angebote anderer Fluglinien genutzt haben, ist noch unklar. Die meisten Fluglinien können sich dazu auch noch nicht äußern, weil nicht ersichtlich ist, welche aktuellen Buchungen von Germania-Betroffenen getätigt wurden. Die meisten Fristen für verbilligte Tickets für Rückflüge nach Deutschland laufen noch. Sonderrabatte und Angebote gab es von der Lufthansa-Gruppe um Lufthansa, Eurowings, Austrian und Swiss sowie Condor und Tuifly. Bei Lufthansa galt das Angebot zwar für alle Germania-Flüge bis zum 28. Februar. Kunden, die einen Flug nach dem 10. Februar buchen wollten, wurden aber enttäuscht – das Angebot war nur fünf Tage buchbar und ist bereits wieder abgelaufen. Die Lufthansa-Tochter Eurowings ist da großzügiger: Bis zum 28. Februar haben Reisende noch die Chance auf ein verbilligtes Flugticket. Eurowings erlässt dabei die Hälfte des Kaufpreises. Die Anfragen dafür befänden sich bisher im unteren dreistelligen Bereich, wie eine Eurowings-Sprecherin erklärt. „Hauptsächlich handelt es sich um Rückflüge aus der Mittelmeerregion und von den Kanarischen Inseln.“
Was ist mit Pauschalurlaubern?
Wer seine Reise über einen Reiseveranstalter gebucht hat, hat weniger Sorgen. Kostenrückerstattung, Umbuchungen und Alternativpläne – finanziell kommen dafür die Reiseveranstalter auf. Bis zum 15. Februar konnten etwa Kunden des Reiseanbieters FTI ihre Reisen kostenfrei stornieren. „Die überwiegende Mehrheit unserer betroffenen Kunden kommt auf das Angebot aber nicht zurück“, so eine FTI-Sprecherin. Die vom Kundenservice angebotenen Umbuchungen und Ersatzreisen werden dagegen gut angenommen. Auch bei anderen Reiseanbietern ging – bis auf die Mehrkosten – alles reibungslos über die Bühne „Für alle betroffenen Gäste hat Thomas Cook innerhalb kürzester Zeit alternative Rückflüge organisiert, dies gilt auch für all die Gäste, die derzeit noch ihren Urlaub in den Reisedestinationen verbringen“, berichtet eine Sprecherin. Alle anfallenden Zusatzübernachtungen oder Transportkosten wurden ebenfalls durch das Reiseunternehmen organisiert. Reisende, die ihren Flug noch vor sich haben, hätten die angebotenen Alternativen ebenfalls gut angenommen: „Nur in Einzelfällen, in denen keine für die Kunden adäquate Lösung gefunden werden konnte, kam es zu Stornierungen ohne Kosten für die Kunden.“
Wie geht es weiter bei Germania?
Ihre Forderungen können Gläubiger erst anmelden, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist – voraussichtlich ab April, wie Glaser berichtet. Sie erhalten dann Post vom Insolvenzverwalter. Ob und wie viel Geld die Gläubiger sehen, wird sich aber erst am Ende des Verfahrens zeigen. Direktbucher werden sich vermutlich in die Schlange der Gläubiger ganz hinten einreihen müssen.
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