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Da hat sich was getan. Das Gehalt für Azubis in der Pflege ist in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen.
© Jürgen Blume/epd

Tarife für die Lehre: Was Azubis verdienen

Angehende Pflegende bekommen am meisten, Frisörinnen am wenigsten. Eine Studie der Böckler-Stiftung hat 20 Tarifbranchen ausgewertet.

Sie sind die Spitzenverdiener unter den Lehrlingen: Azubis in den Pflegeberufen erhalten im ersten Lehrjahr 1166 Euro im Monat, wenn sie nach dem Tarif im öffentlichen Dienst für Bund und Kommunen bezahlt werden. Damit bekommen sie mehr als dreimal so viel wie Frisörinnen-Azubis im ersten Lehrjahr in Thüringen, die nur 325 Euro erhalten.

Das ist die Spanne zwischen der niedrigsten und der höchsten tariflichen Ausbildungsvergütung in Deutschland, ergab eine gestern in Düsseldorf von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vorgestellte Studie. Sie fußt auf einer jährlichen Auswertung des Tarifarchivs des Wirschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Stiftung, für die 20 Tarifbranchen verglichen wurden. „Die Unterschiede der Ausbildungsvergütungen sind je nach Branche und Region groß“, erklärt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulte. Bedingt sei das vor allem durch die Verhandlungspositionen der Gewerkschaften, denn die Ausbildungsvergütungen würden meist im Rahmen der allgemeinen Lohnverhandlungen vereinbart, so Schulte gegenüber dem Tagesspiegel.

Höhere Vergütungen sollen Ausbildungen attraktiver machen

Der allgemeine Fachkräftemangel habe zu einer Dynamik bei der Bezahlung von Azubis geführt, sagt Schulte: Im Jahr 2020 seien die Vergütungen im Schnitt um 2,6 Prozent gestiegen. Das sei sogar mehr als die Tariflöhne, die um zwei Prozent höher waren als im Jahr davor.

Auch in der Pflege sei die Fachkräftesorge ein maßgeblicher Grund, warum seit einigen Jahren die tariflichen Vergütungen im öffentlichen Dienst überdurchschnittlich angehoben worden seien, so Schulte. Innerhalb der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebe es dazu gesonderte Regelungen.

Zu den Gutverdienern, die im ersten Lehrjahr mehr als 1000 Euro erhalten, gehören Azubis aus sechs der 20 untersuchten Branchen. Neben dem öffentlichen Dienst zahlt zum Beispiel die chemische Industrie im Bezirk Nordrhein 1042 Euro, die Metall- und Elektroindustrie in Sachsen 1007 Euro.

Mit 700 bis 1000 Euro können Lehrlinge in zehn der 20 Branchen rechnen: Dazu gehören das Bauhauptgewerbe, die Druckindustrie, der Einzelhandel, das Gebäudereinigerhandwerk, die Kunststoff verarbeitende Industrie und das Hotel- und Gaststättengewerbe. In vier Branchen wird weniger als 700 Euro gezahlt. Das betrifft Azubis im Bäckerhandwerk, die 645 Euro bundesweit erhalten und in der Floristik, die 634 Euro in West- und 425 Euro in Ostdeutschland bekommen. In manchen Tarifverträgen, die seit Jahren nicht erneuert wurden, liegt das Gehalt der WSI- Auswertung sogar unter der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung von 550 Euro im Monat. Theoretisch bestehe nach dem Berufsbildungsgesetz aufgrund des Tarifvorrangs sogar die Möglichkeit, den Azubi-Mindestlohn zu unterschreiten, sagt Schulte. Er geht aber davon aus, dass die Arbeitgeber den Mindestbetrag zahlen.

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Mehr als jeder zweite Azubi werde nach Tarif vergütet. Das sei zwar nicht explizit untersucht worden. Schulte schlussfolgert das, da etwa die Hälfte der deutschen Unternehmen tarifgebunden sei und tarifgebundene Arbeitgeber eher überdurchschnittlich viele Azubis ausbildeten. Die Ausbildungsquote müsse entsprechend etwas höher liegen.

Die Bäcker bekommen in Bayern so viel wie in Schleswig-Holstein

Auch besteht weiter ein regionaler Flickenteppich: Nur in sieben Tarifbranchen bekommen die Lehrlinge von Schleswig-Holstein bis Bayern das gleiche Gehalt, darunter im Bäckerhandwerk, im Bankgewerbe, die Druckindustrie, bei der Deutschen Bahn, im öffentlichen Dienst und im Versicherungsgewerbe. In elf Tarifbranchen liegen die Ausbildungsvergütungen im Osten leicht unter denen im Westen. In der Chemischen Industrie und der Metall- und Elektroindustrie betrage die Differenz neun bis 30 Euro. Im Frisörgewerbe und der Floristik dagegen gebe es eine Differenz von 200 Euro monatlich. In der Landwirtschaft und der Süßwarenindustrie indes wird im Osten etwas mehr Geld gezahlt als im Westen.

Laut Schulte besteht nach der Coronakrise die Gefahr, dass sich gerade in den Branchen mit sehr niedrigen Ausbildungsvergütungen über kurz oder lang nicht mehr genügend junge Leute für eine Ausbildung interessieren und sich der Fachkräftemangel immer weiter verschärft. Gerade in den klassischen Niedriglohnbereichen sei deshalb eine Tarifbindung und eine deutliche Aufwertung von Ausbildungsvergütungen und Löhnen nötig.

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