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Demo bei Merkel. Jugendliche aus ganz Europa protestierten im Juli vergangenen Jahres vor dem Bundeskanzleramt. Angela Merkel hatte damals die Regierungschefs von 17 Ländern zu einer Konferenz über das Thema Jugendarbeitslosigkeit in der EU geladen.
© picture alliance / dpa

Jugendarbeitslosigkeit: Warum so viele Südeuropäer ohne Job sind

Das ZEW hat die Gründe für Jugendarbeitslosigkeit untersucht. Die Experten kritisieren vor allem das Bildungssystem und einen starren Kündigungsschutz.

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass Angela Merkel 17 EU-Staats- und Regierungschefs für einen Gipfel zur Jugendarbeitslosigkeit ins Kanzleramt bat. Das Problem könne nicht „von einem Tag auf den anderen“ gelöst werden, sagte sie im Juli 2013. Zu der Zeit waren rund 5,6 Millionen Jugendliche unter 25 Jahren in der EU ohne einen Job, mittlerweile sind es eine halbe Millionen weniger. Das Thema Jugendarbeitslosigkeit beschäftigt Politik und Wirtschaft allerdings nach wie vor. Denn Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung laufen in vielen Ländern nur schleppend an. So etwa die von den EU-Ländern entwickelte „Jugendgarantie“, deren Ziel es ist, allen jungen Menschen unter 25 Jahren binnen vier Monaten nachdem sie arbeitslos wurden eine Arbeitsstelle, einen Ausbildungsplatz, ein Praktikum oder auch eine Fortbildung anbieten zu können.

Am Dienstag präsentierte die Robert- Bosch-Stiftung eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu einigen der Länder, deren Jugend am stärksten von der Krise betroffen ist. In dem Bericht analysiert das ZEW die Situation in Italien, Spanien und Portugal und benennt Maßnahmen, um die Jugendarbeitslosigkeit in diesen Ländern zu senken. Wichtigste Ursachen für Jugendarbeitslosigkeit nach Einschätzung der Autoren: Defizite im Bildungs- und Ausbildungssystem, länderspezifische Regelungen etwa im Kündigungsschutz und ineffektive arbeitsmarktpolitische Instrumente.

Mangel an praktischen Kompetenzen

Ein Grund für die massive Zunahme junger Arbeitsloser in Spanien war etwa der hohe Anteil Jugendlicher in befristeter Beschäftigung. Viele Unternehmen hatten schon vor der Krise Jugendliche mit Zeitverträgen eingestellt. Außerdem waren in Spanien viele geringqualifizierte junge Menschen im Bausektor beschäftigt, in dem es nach dem Platzen der Immobilienblase zu massiven Arbeitsplatzverlusten kam. Problematisch ist laut Studie auch das spanische Bildungssystem, das stark universitär ausgerichtet ist. Berufliche Ausbildung erfolgt hauptsächlich in der Schule, lediglich ein Viertel der Ausbildungszeit wird im Betrieb verbracht. Das Ergebnis ist ein relativ hoher Anteil an überqualifizierten Jugendlichen, während die Arbeitgeber zugleich einen Mangel an praktischen Kompetenzen beklagen.

Das Mannheimer ZEW rät vor diesem Hintergrund zu einer Weiterentwicklung des Ausbildungssystems und zu einem verbindlichen Rahmen, um die Qualität und die Inhalte der Ausbildung zu erhöhen. Im Gegensatz zu Spanien verzeichnete Italien schon in den Jahren vor der Finanz- und Schuldenkrise nur ein geringes Wirtschaftswachstum und hohe Arbeitslosenquoten. Grund dafür sind nach Einschätzung der Forscher auch die konfliktanfälligen Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, die Einigungen erschwerten. Hinzu komme eine eher niedrige Qualität des Bildungssystems. Da Hochschulabsolventen in Italien nicht wesentlich bessere Beschäftigungschancen als Abgänger der Sekundarschulen haben, ist der Anreiz für eine höhere Qualifikation gering.

Das ZEW setzt auf den Markt

Wichtig seien deswegen vor allem Investitionen in das Bildungssystem, so das Fazit der Länderanalyse. Zudem kritisiert die Studie, dass der Arbeitsmarkt in Italien weiterhin stark gespalten ist. Ebenso wie in Spanien und Portugal gibt es hier einen starken Kündigungsschutz, während die Regelungen zur Befristung eher locker sind. Diese Kombination mache es jungen Menschen schwer, einen unbefristeten Job zu finden.

In Portugal belasten vor allem die harten Sparmaßnahmen, die seit Beginn der Wirtschaftskrise zum Abbau der Staatsverschuldung ergriffen wurden, die Entwicklung. Der Steigerung der Wirtschaftsleistung komme deshalb eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu. Zudem sei es wichtig, das berufliche Ausbildungssystem zusammen mit den Betrieben weiterzuentwickeln, um portugiesische Jugendliche besser zu qualifizieren. Zudem rät die Studie dazu, die Lohnstruktur des Landes zu ändern, etwa „beschäftigungshemmende Tariflöhne“ zu verringern und Mindestlöhne an das Alter anzupassen. Arbeitgebern werde so ein Anreiz gesetzt, junge Menschen einzustellen.

Mit der Studie wolle die Robert- Bosch-Stiftung einen Beitrag zur Diskussion um die Jugendarbeitslosigkeit leisten, sagte Geschäftsführerin Ingrid Hamm am Dienstag bei der Präsentation in Berlin. Bei den Empfehlungen, etwa der Forderung nach betriebsnäherer Ausbildung, orientiert sich das ZEW zum Teil stark an der Perspektive der Unternehmen. Die von den EU-Ländern geplante Jugendgarantie kommentierte ZEW-Präsident Clemens Fuest am Dienstag kritisch. „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und staatliche Ausbildungsplätze sind erfahrungsgemäß keine starken Brücken in den Arbeitsmarkt.“ Das ZEW setzt dagegen auf den Markt.

Lisa Kolde

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