Kritik von Lufthansa an Air Berlin: Warum Patriotismus in der Luftfahrt nicht zählt
Dass Air Berlin von der arabischen Etihad in der Luft gehalten wird, ist überhaupt nicht schlimm. Für Nationalismus gibt es überhaupt keinen Grund. Ein Kommentar.
Es gibt viele Triebfedern für die Globalisierung. Eine davon ist der Geiz – oder der Zwang, sparsam leben zu müssen. Es kommt aufs Gleiche raus: Die Menschen in Deutschland schauen verhältnismäßig oft und gern auf den Preis. Patriotismus beim Einkaufen? Morgen vielleicht. Diese Besonderheit hat schon manchen Wirtschaftszweig hierzulande in die Strukturkrise getrieben: Als die Nähmaschine Bangladesch und die Philippinen erreichte, machten Firmen wie Triumph und Schiesser hier Werke dicht. Als die Japaner von Sony in den 1980ern günstige Unterhaltungselektronik auf den Weltmarkt brachten, wurde es hart und härter für Telefunken, Grundig und Loewe. Als Peking begann, Milliarden in Solarmodulfabriken zu pumpen, kam das Aus für Q-Cells und Solon.
So ist der Gang der Dinge. In all diesen Fällen halfen weder Importzölle noch Gemoser über mangelnde Vaterlandsliebe mündiger Kunden. „Made in Germany“- Kampagnen sind weitgehend wirkungslos und einer Volkswirtschaft unwürdig, deren Stärke sich aus dem Export und der internationalen Zusammenarbeit speist. Dieses Land war und ist ökonomisch dort erfolgreich, wo seine Unternehmer sich auf neue und hochwertigere Teile der Wertschöpfungsketten von Produkten und Dienstleistungen gestürzt haben. Dort, wo sie mit ausländischen Investoren und Ideengebern kooperieren.
Schiefer Ton
Um so schiefer wirken vor diesem Hintergrund viele Töne in der deutschen Luftverkehrswirtschaft, die permanenten Warnungen vor hochsubventionierten Airlines vom Persischen Golf, die Kritik am Einstieg der arabischen Fluggesellschaft Etihad Airways bei der defizitären Air Berlin. Das klingt meist so: Air Berlin wird von den Scheichs doch nur mit Petrodollar-Krediten am Leben gehalten, damit sie einen Fuß im europäischen Markt haben. Und damit Air Berlin uns reisefreudigen Deutsche nur übers Drehkreuz in Abu Dhabi in den Fernost-Urlaub befördert, in der Hoffnung, dass wir dort auch ein paar Euro beim Shoppen lassen. Ja. Stimmt. Und?
Air Berlin wäre ohne diesen Investor längst pleite, die 7000 Jobs weg, die Stammkunden längst aufgesogen von europäischen Konkurrenten, bei denen die Arbeitsbedingungen und Gehälter für Piloten und Stewards oft alles andere als vorbildlich oder human sind. Air Berlin hat 2015 fast eine halbe Milliarde Euro verbrannt – vor allem, weil sich die Manager beim Einkaufspreis des Flugbenzins verzockt haben. Irgendwas ist immer. Erst Unfähigkeit, dann Pech. Vielleicht bringt ja der neue Fokus auf besseren Service und Geschäftsreisende die Wende.
Beim übergroßen Rivalen Lufthansa aus Frankfurt ist es genau andersherum. Dort wettert man gegen die staatlich subventionierte Konkurrenz der Araber von Etihad, Emirates und Qatar, und wendet sich mit der neuen Tochter Eurowings verstärkt dem billigerem Segment zu, also eben jenem, das Air Berlin mit Hilfe seines Partners aus dem Morgenland verlassen will. 2015 verdiente Lufthansa 1,8 Milliarden – auch, weil der Konzern mehr Glück beim Zocken mit dem Ölpreis hatte. Warum das Gejammer?
Über Fluggesellschaften wird zu Recht leidenschaftlicher diskutiert als über Dichtungsringe oder Solarmodule. Doch die höchst unterschiedliche Entwicklung der beiden größten deutschen Airlines beweist wieder einmal: Nationale Töne im Geschäft klingen in manchen Ohren gut. Argumente transportieren sie nicht.