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Foto aus besseren Tagen: Die H&M-Filiale im Quartier 205 ist inzwischen geschlossen.
© Kai-we Heinrich
Update

Modebranche: Warum H&M sich seit Jahren im Abwärtsstrudel befindet

Trotz beliebter Marken wie Arket, Cos oder Weekday brach der Gewinn des H&M-Konzerns 2018 erneut ein. Der einstige Platzhirsch hinkt der Konkurrenz hinterher.

Als Stefan Persson genug hatte, ging es ganz schnell. Der 71-Jährige ist Sohn des Gründers und Aufsichtsratsvorsitzender des schwedischen Modehändlers H&M, den er bis 1998 als Generaldirektor geleitet hatte. Er gilt als reichster Mensch Schwedens. Privat residiert er inzwischen allerdings in der britischen Gemeinde Axford. Und weil ihm die dortige Internetverbindung viel zu langsam war und von der Regierung auch kein Ausbau geplant war, nahm Persson die Dinge selbst in die Hand. Kurzerhand ließ er Breitband-Kabel verlegen. Heute hat nicht nur sein Anwesen, sondern gleich das ganze Dorf schnelles Internet.

Es ist eine Geschichte, die in krassem Widerspruch zum Tempo steht, mit dem Perssons Unternehmen H&M, an dem er 31 Prozent der Anteile hält, die Digitalisierung angegangen ist. Der einstige Platzhirsch unter den Modehändlern hat seit Jahren mit Problemen zu kämpfen. Einige haben mit dem langsamen Online-Bemühungen der Modekette zu tun. Doch andere gehen darüber hinaus.

Am heutigen Donnerstag stellte H&M die Bilanz für das Jahr 2018 vor. Schon vor einem Jahr hatte der Konzern einen Gewinnrückgang von 14 Prozent verkündet. Dieser Trend setzte sich im vergangenen Jahr fort. Zwar zog der Umsatz im vergangenen Jahr um fünf Prozent an, der Nettogewinn sank jedoch deutlich von 16,2 auf 12,7 Milliarden Kronen. Die Aktie gab daraufhin am Morgen um mehr als fünf Prozent nach. Seit Februar 2015 fiel der Aktienwert von 38,99 Euro auf aktuell rund 13 Euro.

Die neue App wird zum Desaster

Für den holprigen Weg ins digitale Zeitalter lieferte H&M erst Anfang dieser Woche ein neues Beispiel. Das Unternehmen präsentierte eine neue App, mit der Kunden noch einfacher einkaufen sollten. Doch zum Start der Anwendung häuften sich die Fehler.

Viele Kunden konnten sich nicht mehr einloggen, Passwörter wurden nicht erkannt, Kundendaten und Zahlungsmethoden waren fehlerhaft und die Preise der Artikel im Warenkorb änderten sich laufend. Der Rabatt über 15 Prozent, den Kunden versprochen worden war, wenn sie über die neue App bestellen, kam bei vielen Nutzern ebenfalls nicht an.

Dabei sollte die neue App ein großer Schritt zu einem besseren Online-Geschäft für H&M sein. Vor einem Jahr hatte Karl-Johan Persson betont, das Unternehmen müsse sich im Hinblick auf die Digitalisierung transformieren. Denn im Online-Handel war die Konkurrenz bisher schneller. Während die Kunden von Internet-Händlern wie Zalando oder Asos gewohnt waren, versandkostenfrei bestellen zu können, waren die Lieferungen bei H&M vergleichsweise teuer.

Die stationäre Konkurrenz enteilt H&M

Auch Konkurrenten des stationären Handels wie Zara setzten die Preisschwelle für den kostenlosen Versand zunächst niedriger an als H&M. Services wie Klick & Collect, bei dem man Produkte im Internet bestellt und in eine Filiale liefern lässt, führen die Schweden nur nach und nach ein. Zudem dauert es bei dem Konzern von Persson deutlich länger als bei der Konkurrenz, bis das Paket beim Kunden ankommt.

Anlässlich der aktuellen Zahlen teilte H&M allerdings mit, auch über Same-Day-Delivery nachzudenken. Was das den Kunden kosten würde, wurde allerdings nicht bekannt. Insgesamt zeigte sich CEO Karl-Johan Persson sicher, dass die Investitionen in den Online-Handel beginnen, sich auszuzahlen. Tatsächlich nahm die Zahl der Online-Verkäufe laut der aktuellen Bilanz um 22 Prozent zu und machen damit rund 14 Prozent aller Verkäufe aus. Im vierten Quartal wurden drei neue Logistikzentren mit einer Fläche von insgesamt 230 000 Quadratmetern eröffnet, darunter zwei in Polen und eines im nordrhein-westfälischen Kamen.

Aus Sicht von Gerrit Heinemann hat H&M sich zu lange vor Investitionen in den Online-Handel gedrückt. „Man hat viel zu lange auf das große Filialnetz gesetzt“, meint der Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule Niederrhein. „Da war es im Zweifel einfacher und billiger, noch ein neues Geschäft zu eröffnen, als in die Digitalisierung zu investieren.“

Konkurrent in der City-West: Seit vergangenem Jahr gibt es den Billig-Modehändler Primark auch am Bahnhof Zoo.
Konkurrent in der City-West: Seit vergangenem Jahr gibt es den Billig-Modehändler Primark auch am Bahnhof Zoo.
© Constanze Nauhaus

Doch auch jenseits der digitalen Welt scheint das Management von H&M einige Trends verpasst zu haben. Ganz buchstäblich, denn seit Jahren ist bekannt, dass die Inditex-Gruppe, allen voran ihre Hauptmarke Zara, wesentlich schneller als H&M ist, wenn es darum geht, neue Trends aufzugreifen.

Wie ineffizient die Produktion ist, zeigt auch die Tatsache, dass H&M seit Monaten auf einem Berg fertiger Klamotten sitzt und sie kaum loswird. Im vergangenen Herbst war bekannt geworden, dass das Unternehmen Mode im Wert von 3,5 Milliarden Euro lagert. H&M kämpft seitdem damit, die Produkte abzuverkaufen und muss sie teils mit starken Rabatten abstoßen - auch das dürfte für den Gewinnrückgang verantwortlich sein.

Das Image ist ramponiert

Berichte, dass H&M neuwertige Kleidung sogar mutwillig zerstört, weil die Entsorgung billiger ist als die weitere Lagerung, schadeten überdies dem Image der Kette. Doch das ist bei vielen Kunden ohnehin ramponiert seit der Konzern für eine Werbe-Kampagne ein dunkelhäutiges Kind in einem Pullover mit der Aufschrift „Coolest Monkey in the Jungle“, auf deutsch "der coolste Affe im Dschungel", fotografierte.

Mit 458 Filialen ist Deutschland der wichtigste Markt für H&M. Doch gerade hierzulande, wo das schwedische Unternehmen seit 1980 aktiv ist, sind in den vergangenen Jahren neue Konkurrenten auf den Markt getreten. Mit starker Betonung von Merkmalen wie Qualität (Uniqlo) oder Preis (Primark) haben sie sich deutliche Profile geschaffen, während H&M ein solch klares Image fehlt.

In Punkto Markenentwicklung ist H&Ms größter Wettbewerber, die Inditex-Gruppe, ohnehin immer einen Schritt voraus gewesen. Während der spanische Konzern schon seit Anfang der 1990er Jahre mit Marken wie Massimo Dutti, Bershka oder Stradivarius sein Angebot diversifizierte und Zielgruppen abseits der Hauptmarke Zara erschloss, folgte bei H&M dieser Schritt wesentlich später.

Cos, Weekday, & Other Stories und Arket sind noch jung

Erst 2007 sprach der Konzern mit der Marke Cos eine hochpreisigere Kundschaft an. Auch Marken wie Weekday und Monki (beide 2008 aufgekauft), & Other Stories (2013 gegründet) oder seit vergangenem Jahr auch Arket sind erst vergleichsweise kurz am Markt. Die Marke Cheap Monday soll Mitte dieses Jahres eingestellt werden.

Auf die Frage, wie viel Prozent des Umsatzes auf das Konto dieser neuen Marken geht, gibt H&M keine Antworten. Aus Sicht von Professor Heinemann können sie dem Konzern aber noch nicht helfen. „Angesichts dessen, wie viele Filialen es weltweit von der Marke H&M gibt und wie viele von den anderen Marken, kann der Anteil dieser neuen Marken kaum mehr als ein oder zwei Prozent des gesamten Konzerns ausmachen“, meint Heinemann. „Selbst wenn sie gut laufen würden, wären sie ein nettes Zusatzgeschäft, aber sie könnten das Problem H&M nicht lösen.“ Unter Umständen seien diese Marken sogar ein Subventionsgeschäft für H&M, da die Markteinführung viel Geld kosten würde.

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