Weitere Lockerung der Geldpolitik: Warum Fed und EZB ihr Inflationsziel nicht erreichen
Die Fed wird wohl die Leitzinsen senken, das erste Mal seit Beginn der Finanzkrise. Warum bekommen Notenbanken das Inflationsproblem nicht in den Griff?
Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, wird an diesem Mittwoch voraussichtlich eine Senkung der Leitzinsen bekanntgeben und damit die noch nicht sehr lange Phase der Zinserhöhungen beenden. In der vergangenen Woche hatte bereits der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi eine weitere Lockerung der Geldpolitik angekündigt. Nun haben es die Notenbanken seit der Finanzkrise vor zehn Jahren nicht geschafft, mit extrem lockerer Geldpolitik das erwünschte Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen. Und nichts spricht dafür, dass sie das in naher Zukunft schaffen werden.
Was sind die Gründe?
Möglicherweise verhindert lockere Geldpolitik selbst ihr Ziel. Zehn Jahre extrem niedriger Zinsen haben dazu geführt, dass Unternehmen billig investieren und Produktionskapazitäten ausbauen konnten. Größere Produktionskapazitäten aber drücken auf den Preis der produzierten Güter und Dienstleistungen. Auf diesen Mechanismus weist Peter Boockvar, Chef der Bleakley Advisory Group hin. Die lockere Geldpolitik erreicht damit das Gegenteil dessen, was sie beabsichtigt.
Auch Scott Maher, Chef der US-Investmentstrategien des Vermögensverwalters Pimco, weist darauf hin, dass niedrige Zinsen zu Fehlallokationen des Kapitals führen, weil niedrige Zinsen es begünstigen, dass unrentable Unternehmen länger leben und suboptimales Unternehmensverhalten fördern.
Welche Bedeutung haben Inflationserwartungen?
Maher weist in einem Gastbeitrag für die "Financial Times" noch auf einen anderen Zusammenhang hin. Niedrige Zinsen "senken bei Marktteilnehmern die Inflationserwartungen". Das heißt, sie warten, um später einen niedrigeren Preis zu bekommen. Sie verursachen also eine deflationäre Entwicklung.
Maher warnt vor einer erneuten deutlich lockereren Geldpolitik. Es solle bedacht werden, dass die bisherige Politik es "nicht nur nicht geschafft habe, die versprochene Inflation zu erzeugen, sondern auch den Spielraum der Geldpolitik erschöpfe, und dabei beängstigende Fehlentwicklungen initiiere".
Niedrigere Inflationserwartungen hat auch EZB-Chef Mario Draghi in der vergangenen Woche adressiert, als er darauf hinwies, dass es Abweichungen von dem Inflationsziel nicht nur nach unten, sondern auch nach oben geben dürfe. Offenbar will er höhere Inflationserwartungen wecken. Diese könnten vielleicht zu höherer Inflation führen.
Die Zinssenkung der Fed kommt in der bisher längsten Wachstumsphase der USA seit 1854. Die USA haben eine der niedrigsten Arbeitslosigkeitsziffern ihrer Geschichte, die Aktien erklimmen immer höhere Allzeithochs.
Was bewegt die Fed? Woher kommt ihr Sinneswandel?
US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Monaten immer wieder auf die Fed geschimpft und sie öffentlich angegriffen, weil er eine lockerere Geldpolitik möchte. Es ist aber unklar, ob die Haltung Powells auf den Druck Trumps zurück geht. Möglicherweise nicht. Anfang des Jahres hatte Fed-Chef Jerome Powell signalisiert, dass die Fed eine Pause bei ihren Zinserhöhungen einlegen werde. Es hänge von den Wirtschaftsdaten ab, was die Fed weiter unternehmen werde. Daher könne es sein, dass, je nach eigehenden Daten, die Zinsen weiter erhöht, oder die Geldpolitik wieder gelockert werde.
Das Wirtschaftswachstum in den USA hat sich im zweiten Quartal dieses Jahres etwas verlangsamt, auf 2,1 Prozent, nach 3,1 Prozent im ersten Quartal. Doch ist dieses Wachstum immer noch robust, verglichen mit anderen Wirtschaftsräumen. Auch gibt es weiterhin gute Arbeitsmarktzahlen.
Was sich verändert hat, sind die Risiken für die Wirtschaft, die von außen kommen könnten. Da wäre zum einen die weiterhin schwelenden Handelskonflikte mit China und Europa. China, der Welt-Wirtschaftsmotor der vergangenen zehn Jahre, meldet zudem eine Abkühlung der Konjunktur und erste Zeichen für eine angespanntere Lage des hoch verschuldeten Bankensektors. Vor wenigen Tagen erst musste eine Bankpleite abgewendet werden.
Die Haltung der Fed zu externen Faktoren hat sich geändert. War es frühere so, dass sich die Fed nicht um äußere Faktoren gekümmert hat und dabei sehenden Auges Nachteile für die US-Wirtschaft wie ein Anstieg des Dollars in Kauf nahm, hat Fed-Chef Powell erstmals deutlich auf die Gefahren von außen hingewiesen. Er verwies kürzlich auf „globale Faktoren“. Obwohl die heimische Wirtschaft gesund scheine, so sei das weniger in der übrigen Welt der Fall und die USA könnten durch eine Infektion verwundbar sein, sagte er.
Die Fed, die die Handelskonflikte des US-Präsidenten mit Sorge beobachtet, steht vor dem Problem, wie sie mit der Lage umgehen soll. Trifft es zu, dass Washington der Überzeugung ist, dass ein Kalter Krieg mit China nur gewonnen werden kann, wenn beide Volkswirtschaften wirtschaftlich entflochten sind, dann müssen die USA die entsprechenden Nachteile in Kauf nehmen. Auch die oppositionellen Demokraten vertreten eine harte China-Politik. Der Fed bleibt da nichts anderes übrig als zu versuchen, dies abzufedern. Das heißt, die US-Notenbank muss vermutlich auf lange Zeit hinaus versuchen, mit lockerer Geldpolitik die Konjunktur am Laufen zu halten.
Haben die Notenbanken noch genügend Instrumente?
Zehn Jahre, nachdem die Fed, die EZB und andere Zentralbanken die Weltwirtschaft vor dem Kollaps gerettet haben, sind ihre Möglichkeiten, den nächsten Abschwung abzufedern, deutlich geringer. Heute liegen die Zinsen für Staatsanleihen in Europa und Japan unter Null. Auch in den USA befinden sich die Leitzinsen selbst nach mehreren Erhöhungen am unteren Rand dessen, was früher selbst in Krisen üblich war. Nach wie vor haben die Notenbanken gekaufte Anleihen in gigantischem Ausmaß in ihren Büchern. Die EZB wird Mühe haben, genügend Anleihen zu finden, die sie noch kaufen kann. So ist sie verpflichtet, einen jeweils bestimmten Anteil der Anleihen aus den einzelnen Ländern zu erwerben. Deutsche Anleihen sind rar, seit die Bundesregierung mit ihrer Schwarzen Null die Schulden zügig abbaut.
Hinzu kommt, dass die Regierungen in Europa kaum mit zusätzlichen Ausgabenprogrammen helfen können. Die einen sind schon so stark verschuldet, dass sie keinen Spielraum für mehr Schulden haben, die anderen, wie Deutschland, sind nicht bereit dazu, mehr Schulden aufzunehmen.
Die Fed hat mehr Spielraum als die EZB. In den USA wurden die Leitzinsen immerhin auf 2,25 bis 2,5 Prozent angehoben. Da sind also mehrere Zinssenkungsschritte denkbar. Die Leitzinsen der EZB liegen dagegen schon bei Null. Die EZB müsste die Leitzinsen also unter Null drücken. Das würde vor allem Sparer treffen.