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Nicht ganz überzeugt: Jerome Powell, Chef der US-Notenbank (Fed).
© REUTERS
Update

"Inverse Zinskurve": Warum eine Rezession drohen könnte

In den USA schlagen Notenbanker Alarm, weil eine „inverse Zinskurve“ droht. Die ist oft das erste Anzeichen für einen Abschwung. Was eine "inverse Zinskurve" ist und warum welche Gefahr droht.

Alan Greenspan, der damalige Chef der US-Notenbank (Fed), war sich sicher. Diesmal sei es anders als früher, sagte er 2005 in einer Kongressanhörung. Wie heute stand auch damals die Zinskurve in den USA kurz vor der sogenannten Inversion: Davon spricht man, wenn die Renditen kurzfristiger Staatsanleihen höher sind als bei langfristigen. In der Vergangenheit war das stets ein Zeichen für eine kommende Rezession. Greenspan ließ sich davon aber nicht beirren – und sollte sich gewaltig irren. Die USA rutschten in die Finanzkrise.

Wie damals bewegt sich die Zinskurve auch heute wieder in Richtung Inversion. Mehrere Regionalpräsidenten der US-Notenbank schlagen deshalb Alarm. Sie halten die Zinskurve für einen verlässlichen Indikator und befürchten eine Rezession. Die Schuld dafür geben sie Fed-Chef Jerome Powell, der sich um eine Normalisierung der Geldpolitik bemüht und die Zinsen in den USA anhebt. Manche wie James Bullard von der St. Louis Fed meinen jedoch, dass er es damit angesichts der niedrigen Inflationsrate übertreibt. Dass er die inverse Zinskurve und die damit drohende Rezession geradezu provoziert.

Vor einer Rezession (lila Streifen) passiert es regelmäßig, dass die Renditen zweijähriger US-Staatsanleihen (blau) diejenigen der zehnjährigen übersteigen. Jetzt droht erneut eine Inversion.
Vor einer Rezession (lila Streifen) passiert es regelmäßig, dass die Renditen zweijähriger US-Staatsanleihen (blau) diejenigen der zehnjährigen übersteigen. Jetzt droht erneut eine Inversion.
© Fabian Bartel

Regionalchefs der Fed warnen vor inverser Zinskurve

Die Regionalchefs stören sich daran, dass Powell – so, wie damals Greenspan – den Eindruck vermittelt, es sei keine Gefahr im Verzug. Nach der Zinskurve gefragt, sagte Powell bei einer Kongressanhörung vergangene Woche, die Wirtschaft sei robust genug und die Steigerung der Inflation sei zufriedenstellend, so dass die Notenbank weiterhin die Leitzinsen erhöhen könne.

Powell ist in einer schwierigen Situation. Er will die Leitzinsen erhöhen, um den Krisenmodus in der Geldpolitik endlich hinter sich zu lassen. Das Problem ist nur: Steigen die Leitzinsen, wirkt sich das auf kürzerfristige Staatsanleihen aus. Denn bei höheren Zinsen werden Anleger dem Staat nur dann noch Geld leihen und damit Staatsanleihen kaufen, wenn sie dafür auch kurzfristig eine entsprechende Rendite bekommen. Weil aber unsicher ist, wie sich die Zinsen auf längere Sicht entwickeln, nähern sich die Renditen kurz- und langfristiger Papiere an. Es droht die inverse Zinskurve.

Davon spricht man, wenn man für kurzfristige Papiere eine höhere Rendite bekommt als für langfristige. Normalerweise ist das umgekehrt. Wer eine zehnjährige Staatsanleihe kauft und dem Staat damit sein Geld für zehn Jahre leiht, trägt ein größeres Ausfallrisiko, als derjenige, der es nur für zwei Jahre verleiht. Deshalb möchte der Anleger dafür mit einem höheren Zins belohnt werden.

Fatales Signal

Ist es dagegen auf einmal attraktiver zweijährige statt zehnjährige Staatsanleihen zu kaufen, läuft etwas schief. So folgte auf eine solche inverse Zinskurve in den USA seit dem Zweiten Weltkrieg – insgesamt acht Mal – stets eine Rezession und zwar oft eine weltweite. Entsprechend beunruhigend ist, dass die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen inzwischen nur noch 0,25 Prozentpunkte über der zweijähriger Anleihen liegt.

Dass eine inverse Zinskurve eine Rezession voraussagt, erklären sich Experten mit den Erwartungen. Wenn Anleger bereit sind, für eine zehnjährige Anleihe eine geringere Rendite zu akzeptieren als für eine zweijährige, dann tun sie das nur, wenn sie langfristig wieder mit sinkenden Zinsen rechnen. Das wiederum kann nur bedeuten, dass sie mit einer Rezession rechnen, denn nur dann senkt die Notenbank die Zinsen.

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Ökonom Tobias Schuler vom Münchener Ifo-Institut sagt: „Der Zusammenhang zwischen inverser Zinsstrukturkurve und steigender Rezessionswahrscheinlichkeit ist relativ gut gesichert.“ Im gegenwärtigen Umfeld sei der Indikator aber möglicherweise weniger verlässlich als in der Vergangenheit. „In der aktuellen Phase befindet sich die Geldpolitik in den USA auf Normalisierungskurs, das heißt, die Fed hebt die kurzfristigen Zinsen an. Die Fed hält weiterhin große Bestände an langfristigen Anleihen, was dazu führt, dass die langfristigen Zinsen niedriger sind, als sie es ohne Eingreifen der Zentralbank wären. Das erklärt teilweise, warum die Zinskurve aktuell flacher wird“, sagt Schuler.

Verschiedene Regionalorganisationen der Fed wie die Cleveland Fed haben Studien zur Bedeutung der inversen Zinskurve veröffentlicht.

Sollten Anleger jetzt Aktien verkaufen?

Wenn die Beeinflussung der Zinsen durch die Fed stark ist, dann stellt sich die Frage, ob der Zusammenhang zwischen inverser Zinskurve und Rezession überhaupt noch gültig ist. Ben Bernanke, der frühere Fed-Chef, der in der Finanzkrise mit den groß angelegten Anleihekäufen begann, bezweifelte kürzlich, dass eine bevorstehende inverse Zinskurve zu einer Rezession führen würde, und nannte als Grund die nach wie vor lockere Geldpolitik in anderen Weltregionen.

Die Tatsache, dass das in der Vergangenheit so war, muss schließlich nicht heißen, dass es in Zukunft wieder so sein wird. Es können noch weitere Faktoren eine Rolle spielen. So gelten die USA als sicherer Hafen für Anleger, wenn es anderswo brennt. Auch wenn die USA die Ursache dafür sind. Es ist eine Ironie, dass Trumps Eskalation im Handelsstreit dazu führte, dass immer mehr Anleger aus anderen Weltgegenden ihr Geld in den USA anlegen, um es zu sichern. Das heißt, sie kaufen langlaufende US-Staatsanleihen. Wenn diese Käufe zunehmen, steigt der Kurs. Wenn der Kurs einer Staatsanleihe steigt, sinkt die Rendite dieser Anleihe. Das heißt, die Zinsen der langlaufenden US-Staatsanleihen sinken.

Sollten Anleger nun schnell ihre Aktien verkaufen? In der Vergangenheit dauerte es oft ziemlich lange, bis nach der Inversion die Rezession eintrat – mindestens zwei Jahre (siehe Grafik). Und wer langfristig anlegt, den sollte die drohende inverse Zinskurve ohnehin nicht stören.

Einen Text des Autors, wie man sich durch Rebalancing des Portfolios vor Aktiencrashs schützen kann, finden Sie hier.

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