zum Hauptinhalt
Die Bullen könnten den Markt in Frankfurt noch etwas länger bestimmen.
© Armando BABANI / AFP

Rekorde trotz Corona: Warum die Rallye an der Börse noch nicht zu Ende sein dürfte

Dax, Dow Jones und Bitcoin erreichen neue Höchststände, obwohl die Corona-Einschränkungen die Wirtschaft belasten. Wie ist das möglich?

Die Meldung des Tages war am Donnerstag kaum eine Meldung wert: Der deutsche Leitindex Dax stellt mit 14.132 Punkten einen Rekord auf. Doch was sensationell klingt, klingt in diesen Tagen beinahe redundant. Schließlich war es der dritte Höchststand innerhalb von drei Tagen.

Auch der US-Index Dow Jones rangierte in dieser Woche mit 31.158 Punkten auf einem Rekord, ebenso wie der S&P500, der Wert der 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Firmen. In Japan stieg der Nikkei in diesen Tagen auf ein 30-Jahre hoch. Und der Bitcoin jagt ebenfalls von Rekord zu Rekord; am Freitag stieg der Wert erstmals über 41.000 US-Dollar.

Viele Beobachter fragen sich da: Wie ist es möglich, dass die Coronakrise sich immer weiter verschärft, die Wirtschaft unter enormen Einschränkungen zu leiden hat – die Aktienmärkte aber haussieren? Und Anleger wollen wissen: „Wird die Rallye im Laufe dieses Jahr anhalten?

Tatsächlich gehen die meisten Analysten davon aus, dass die Kurse 2021 weiter steigen. Dafür sprechen einige Megatrends: Zum einen wäre da das erhoffte Ende der Coronakrise. „Nach jeder Pandemie kam ein Boom“, sagt Christian Kahler, Chefstratege bei der DZ-Bank. „Die Lebensfreude kehrt zurück."

Zum anderen sorgt der Amtsantritt von Joe Biden als US-Präsident an den Märkten für Erleichterung. So wird der kräftige Anstieg am Donnerstag unter anderem auf die neue Mehrheit der Demokraten im US-Kongress zurückgeführt. Darüber hinaus wurde mit dem in letzter Sekunde geschlossenen Brexit-Handelsvertrag ein weiteres Damoklesschwerte abgehängt, das die Wirtschaft seit Jahren belastete.

Es ist unheimlich viel Geld im Umlauf

Doch es gibt noch weitere Faktoren, die für einen weiteren Anstieg sprechen und die gleichzeitig die aktuelle Rallye erklären. Da wäre zum einen die Rolle der Notenbanken. Zur Bekämpfung der Coronakrise haben sowohl die amerikanischen als auch die europäischen Währungshüter massive Förderprogramme aufgelegt. Das bedeutet: Es ist viel mehr Geld im Umlauf. So hat sich die Geldmenge M1 – also der Bargeldumlauf und die Einlagen auf Konten – in den USA von 3,86 Billionen US-Dollar im Juli 2019 auf 6,05 Billionen US-Dollar im November 2020 erhöht. Das ist ein Plus von fast 60 Prozent. Zuvor hatte sich der Wert jahrzehntelang kaum mehr als 20 Prozent auf und ab bewegt.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Hinzu kommt, dass auch die Sparquote in der Krise gestiegen ist. Weil kein Geld für Reisen und andere Freizeitaktivitäten ausgegeben werden konnte, sind die Portemonnaies vieler Verbraucher zuletzt trotz der Krise sogar noch dicker geworden. Nach Berechnungen der DZ Bank dürfte das Geldvermögen der privaten Haushalte allein in Deutschland im Jahr 2020 um 393 Milliarden Euro und 5,9 Prozent auf den Rekordwert von 7,1 Billionen Euro zugenommen haben.

An diesen beiden Punkten zeigt sich, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise eben nicht mit der Finanzkrise von 2008 vergleichbar ist – und somit auch nicht die selben Folgen an den Aktienmärkten zu erwarten sind. Während vor gut zehn Jahren eine Liquiditätskrise das größte Problem der Märkte war und Banken einander nicht mehr vertrauten, dass ihre Kredite auch abbezahlt werden können, ist das Geld diesmal nicht das Problem. Aufgrund der massiven Unterstützung der Notenbanken und der Regierungen weltweit blieb das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit bestehen – vermutlich der Hauptgrund für die rapide Erholung nach dem Schock-Einbruch im März.

Aktien werden immer beliebter

Das viele Geld im Umlauf will nun also ausgegeben beziehungsweise angelegt werden. Ersteres würde die Märkte sowieso ankurbeln, doch auch zweiteres dürfte in vielen Fällen den Aktienhandel antreiben. Denn angesichts der Niedrig- oder sogar Minuszinsen auf dem Konto und eines wenig rentablen Anleihemarkt, haben viele Verbraucher die Börse für sich entdeckt.

Nach dem Hoch am ging es für den Dax am Freitag nur leicht bergab.
Nach dem Hoch am ging es für den Dax am Freitag nur leicht bergab.
© Daniel ROLAND / AFP

Der Deutschen Bank zufolge handelten stieg die Zahl der Aktionäre 2020 deutlich an. Allein im ersten Halbjahr wurden rund 500.000 neue Depots eröffnet. Gerade jüngere Anleger haben erkannt, dass derzeit die Börse am meisten Rendite verspricht. Laut einer Studie von Comdirect, der Consorbank und ING nahm die Zahl der Aktienbesitzer bei den unter 25-Jährigen zuletzt um 13 Prozentpunkte auf 39 Prozent zu.

Deutlich wurde das auch bei der Reaktion in den sozialen Netzwerken auf die 600-Dollar-Stimulusschecks, die US-Bürger im Zuge des jüngsten Konjunkturprogramms erhalten. Auf Tiktok und Reddit überboten sich die Nutzer gegenseitig mit Anlagestrategien, wie sie ihre 600 Dollar an der Börse am einfachsten verdoppeln können. Nicht jeder Tipp sollte zum Nachahmen empfohlen werden.

Platzt die Blase irgendwann?

Und so fließt immer mehr Geld in die Märkte. Endet das alles nun in einer Blase? Oder in der Hyper-Inflation? Denn angesichts des Hypes um Aktien und Bitcoin fühlen sich viele Anleger an die Blase von 2001 erinnert. Eine Inflation gibt es formell zumindest noch nicht. Die offizielle Rate liegt derzeit sogar unter den angestrebten zwei Prozent. Allerdings gibt es Experten, die angesichts der Preisentwicklung etwa bei Immobilien von einer sektoralen Inflation sprechen.

Und auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse, gerade bei den zuletzt boomenden Technologiekonzernen, gelten als überhöht. Allerdings gilt hier die Binse: Die Börse nimmt Entwicklungen vorweg. Ein Beispiel dafür ist etwa die Biontech-Aktie, die ihre größten Sprünge hatte, bevor der Impfstoff überhaupt ausgeliefert wurde. Die Anleger haben also künftige Erfolge schon eingepreist. Treten diese ein, dürfte es weiter bergauf gehen. Andernfalls droht ein Abwärtstrend.

Die Analysten von MM Warburg halten es aber für durchaus möglich, dass die Erwartungen erfüllt werden. Viele Firmen hätten das Jahr 2020 genutzt, um Kosten zu reduzieren. Wenn dann die Wirtschaft in Schwung kommt, dürften die Gewinne nach oben schnellen. „Wir sind sehr guter Dinge, dass die Aktien in die erhöhten Bewertungen hineinwachsen können“, heißt es in dem Bankhaus.

Zur Startseite