Snapchat: Warum die App radikal geändert wird
Snapchat ist zwar immer beliebter, trotzdem steigen die Verluste. Wie auch Twitter wird die App deswegen radikal geändert.
Wenn es eng wird, werden auch heilige Kühe geschlachtet. So müssen sich die Nutzer von Snapchat und Twitter deutlich umgewöhnen. Die beiden kriselnden Netzwerke ändern ihre Produkte im Kern, in der Hoffnung so wieder neue Nutzer zu gewinnen. Bei Twitter diskutieren die Nutzer schon seit gestern, ob es noch als Kurznachrichtendienst bezeichnet werden kann. Denn das Limit der zur Verfügung stehenden Zeichen wurde auf 280 verdoppelt. Damit ändert Twitter sein bekanntestes Merkmal, der Aufschrei der sonst so Shitstorm-freudigen Nutzer hielt sich trotzdem in Grenzen.
Sicherlich auch, da die Änderung bereits seit Längerem getestet wurde und damit absehbar war. So ist auch nicht zu erwarten, dass Twitter deswegen nun die Nutzer davonlaufen. Ob sie stattdessen mehr werden, ist allerdings auch fraglich – seit bald zwei Jahren stagniert ihre Zahl bei knapp 330 Millionen. Trotzdem könnte Twitterchef Jack Dorsey das Unternehmen wieder auf Kurs bringen. Denn im letzten Quartal verringerte er den Nettoverlust im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 103 Millionen auf 21 Millionen Dollar. Und stellte für das vierte Quartal sogar erstmals einen Gewinn in Aussicht.
Ganz anders sieht es dagegen bei Snap aus, dem Mutterkonzern von Snapchat. Der Umsatz wuchs zwar binnen Jahresfrist um 62 Prozent auf 208 Millionen Dollar. Der Verlust wurde aber auf 443,2 Millionen Dollar mehr als verdreifacht. Die Aktie brach um rund 20 Prozent ein. Nach dem Börsengang waren die Papiere noch auf fast 30 Dollar gestiegen, jetzt notieren sie bei 12 Dollar. Allein 40 Millionen Dollar musste Snap wegen seiner Kamera-Sonnenbrille abschreiben. Die Nachfrage nach der bis zu 150 Dollar teuren „Spectacles“-Brille ist viel geringer als geplant. Snap blieb auf mehreren Hunderttausend nicht verkauften Geräten sitzen.
Zudem enttäuschte das Nutzerwachstum der App. Zwar gab es einen Zuwachs von immerhin 17 Prozent auf 178 Millionen, allerdings hatte Firmenchef Evan Spiegel selbst mehr erwartet. Um die Zahlen zu erhöhen, kündigte Spiegel nun eine radikale Änderung an: Die Funktionsweise von Snapchat soll geändert werden.
Nutzer hatten sich über die Verständlichkeit beschwert
Nutzer hätten sich oft beschwert, dass die App nur schwer zu verstehen sei, sagte Spiegel. „Deshalb designen wir sie gerade um, um sie einfacher nutzbar zu machen.“ Er räumte ein, dass die Veränderungen – zumindest kurzfristig – nicht allen aktuellen Nutzern gefallen könnten und unklar sei, wie sie darauf reagierten. „Wir sind bereit, dieses Risiko einzugehen, weil wir glauben, dass das langfristige Vorteile für unser Geschäft bringen wird.“
Mit der App können Nutzer Bilder und Videos kombinieren, die nach kurzer Zeit verschwinden. Im Gegensatz zu Facebook oder Instagram gibt es dabei aber keine Likes, Snapchat ist eher mit einem Messenger vergleichbar. Bei Teenagern ist der Dienst enorm beliebt. Laut einer Studie der Investmentbank Piper Jaffray´s stieg die Popularität sogar noch: 47 Prozent der US-Teenager nannten Snapchat als ihre Lieblingsapp, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Instagram kam auf 24 Prozent, weit abgeschlagen folgen die anderen Wettbewerber Facebook (9 Prozent), Twitter (7 Prozent) und Pinterest (1 Prozent).
Teenager haben in der Regel auch kein Problem mit der Bedienung, Erwachsene finden Snapchat dagegen oft verwirrend. Gerade das macht den Dienst für Jüngere allerdings auch attraktiv, die dort im Gegensatz zu Facebook unter sich sind. Mit einer deutlichen Änderung setzt Spiegel womöglich diese Stärke aufs Spiel.
Hilfe könnte Snap von Tencent bekommen: Der chinesische Internet-Gigant kaufte sich ein und hält nun einen Anteil von zwölf Prozent. Angeblich will Snap von den Chinesen und ihrer App WeChat auch in Sachen Monetarisierung lernen.
Der große Meister dabei bleibt allerdings Mark Zuckerberg, dessen Übernahmeofferten Spiegel mehrfach zurückwies. Dafür kopierte der Facebook-Chef Snapchats beliebte „Stories“-Funktion und integrierte sie bei den Töchtern Instagram und WhatsApp sowie Facebook selbst. Und mag die Mutter aller sozialen Netzwerke auch längst nicht mehr so cool sein, bei den Werbern ist sie die unangefochtene Nummer eins.
Im dritten Quartal stieg der Gewinn um 79 Prozent auf 4,7 Milliarden Dollar. Schließlich weiß niemand so viel über seine Nutzer wie Facebook und kann sie nach Belieben vermarkten. Snapchat setzte hingegen von Anfang an stark auf Datenschutz. Partybilder werden nun im kleinen Kreis für 24 Stunden gezeigt und nicht mehr dauerhaft auf Facebook veröffentlicht. Das finden viele Nutzer zwar cool, lukrativer ist dagegen der Ansatz von Facebook. Das kann dadurch sogar weiter darauf verzichten, mit WhatsApp Geld zu verdienen.
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