Tripadvisor, Holiday Check und Co.: Warum Bewertungsportale boomen
Jeder ein Tester: Nach dem Urlaub beginnt die Zeit der Abrechnung für Hotels und Reiseanbieter. Aber wie verlässlich sind die Kundenurteile im Netz?
Duran ist empört. „Miserabler Pool mit Bakterien verseucht“, schreibt der Berliner über seinen Badeurlaub an der Türkischen Riviera. Auch Luka hat im Urlaub offenbar Schreckliches erdulden müssen. „Wer Ratten auf der Terrasse mag, ist hier richtig“, gruselt sich der Mittvierziger noch im Nachhinein. An ihrem Frust lassen Luka und Duran alle Welt teilhaben. Sie posten ihre Erlebnisse auf dem Hotelbewertungsportal Holiday Check.
An diesem Wochenende gehen die Sommerferien in Berlin zu Ende. Nach Aufbruchstimmung und Vorfreude zu Beginn des Urlaubs beginnt nun die Zeit der Abrechnung. Quartier schlecht? Airline mies? „Schreiben Sie eine Bewertung“, ermuntern Buchungsportale wie Expedia, HRS oder Holiday Check ihre Kunden per Mail, kaum dass diese den Rollkoffer wieder zurück in ihre Wohnung geschoben haben. War das Personal freundlich, das Zimmer sauber? In Internetzeiten wird jeder zum Tester. Urlauber, Restaurantbesucher, aber auch Patienten, Käufer von Waschmaschinen, Handys oder Büchern – im World Wide Web kann jeder seine Meinung sagen.
Immer mehr Menschen machen davon Gebrauch. Allein auf der Reiseplattform Tripadvisor werden pro Minute weltweit mehr als 100 neue Beiträge gepostet, über 170 Millionen Erfahrungsberichte zu mehr als vier Millionen Unterkünften hat das börsennotierte US-Unternehmen gesammelt. Holiday Check, das zur Mediengruppe des Verlegers Hubert Burda gehört, bekommt pro Tag gut 3000 Beurteilungen, in Spitzenzeiten wie dem Ende der Sommerferien sind es 8000.
Die Berichte vom Urlaubsleben der anderen finden Gehör. Mehr als die Hälfte der Hotelgäste orientiert sich bei der Auswahl der Herberge inzwischen an Online-Bewertungen, hat eine aktuelle Umfrage von Infratest für den Hotel- und Gaststättenverband Dehoga ergeben. Vor sechs Jahren waren es gerade einmal 26 Prozent, die sich auf die anonymen Nutzerkommentare im Netz gestützt haben.
Die Meinungsmacht bringt auch wirtschaftliche Macht mit sich. Tripadvisor ist inzwischen rund 14 Milliarden Dollar wert, mehr als die Lufthansa. Das Unternehmen verdient sein Geld vor allem mit Links auf seiner Seite, die Kunden zu Airlines oder Buchungsportalen schicken. Expedia, Holiday Check oder Booking vermitteln gleich selbst Reisen. Je mehr Urteile die Portalbetreiber sammeln, desto interessanter wird die Seite für andere User. Doch wie verlässlich sind die Urteile der Laientester?
Superlative überwiegen
„Die meisten Nutzer neigen nur dann zum Bewerten, wenn es super oder schlecht war“, gibt Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen, zu bedenken. User, meint der Experte, urteilen vor allem aus dem Bauch heraus. „Das Essen in einem Restaurant kann sehr gut, die Atmosphäre gemütlich und die Stimmung toll gewesen sein“, sagt Reinhardt. Wenn der Kellner dann aber beim Bezahlen unfreundlich ist, folge schnell eine schlechte Bewertung, weil sich der Gast geärgert habe und sich Luft machen wolle. „Auch ich schaue in jedem Fall nach“, räumt Reinhardt ein, „aber am Ende vertraue ich doch lieber auf die Empfehlung von Freunden oder einem Reisebüro.“
Das muss nicht sein, meint Georg Felser. Felser beschäftigt sich beruflich damit, wie Konsumenten ticken. „Im Großen und Ganzen gefällt uns das, was anderen gefällt, meist auch“, sagt der Professor, der an der Hochschule Harz lehrt. Am treffendsten seien spontane Urteile. Müsse man sein Urteil begründen, bestehe die Gefahr, dass unwichtige Dinge aufgewertet werden.
Sind die besten Urteile also diejenigen, die man frei von der Leber weg fällt? Profis sehen das naturgemäß anders. Die Stiftung Warentest etwa testet streng nach wissenschaftlichen Aspekten. „Die User geben ihre subjektiven Eindrücke wieder, wir prüfen rundum und nach objektiven Kriterien“, betont Warentest-Sprecherin Heike van Laak. Die boomenden Bewertungsportale sieht die Stiftung daher nicht als Konkurrenz. „Das tut uns nicht weh.“ Hinzu kommt die hohe Glaubwürdigkeit der Profitester.
Wie die Portale kontrollieren
Zwar betreiben Portale wie Tripadvisor oder Holiday Check aufwendige Kontrollen, um falsche, manipulierte oder strafbare Kommentare auszusortieren. „Drei Prozent der Bewertungen fliegen raus“, sagt Ulrich Cramer, Sprecher von Holiday Check. Klar ist aber auch: Nicht alle Fake-Bewertungen werden erkannt. Hoteliers, die ihre Mitarbeiter bitten, dem eigenen Haus ein gutes Zeugnis auszustellen und der Konkurrenz ein schlechtes, bezahlte Agenturen, die im Auftrag ihrer Kunden versuchen, Hotels oder Restaurants im Netz schönzuschreiben, kommen mit dieser Masche durchaus schon mal durch. Allerdings haben auch im World Wide Web Lügen kurze Beine. Wenn Urlauber oder Restaurantgäste dem Schwindel auf die Spur kommen, fliegt das Ganze auf.
Was Betrügereien erleichtert, ist die Anonymität im Netz. An der wird sich aber erst einmal nichts ändern. Vor wenigen Wochen entschied der Bundesgerichtshof, dass die Portalbetreiber Namen und Anschrift der Bewerter geheim halten dürfen. „Die Anonymität der Bewertungen hat zur Attraktivität der Portale beigetragen“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dem Tagesspiegel. Um Manipulationen zu entgehen, sollten Verbraucher aber immer mehrere Bewertungen lesen und prüfen, ob sie diesen wirklich vertrauen können. „Vorsicht bei Lobeshymnen“, meint auch Warentest-Sprecherin van Laak. Aussagekräftiger seien die negativen Bewertungen.
Doch die sind in der Unterzahl. „Drei Viertel der Bewertungen sind positiv“, sagt Christopher Lück von der Dehoga. „Für die Unternehmen ist das kostenlose Werbung.“ Zudem bekämen die Hotels wertvolle Hinweise, wo es noch etwas zu verbessern gibt. „Das ist besser als ein grummelnder Kunde, der nichts sagt, aber nie wieder kommt.“
Manche Gäste nutzen ihre Marktmacht aber inzwischen offensiv. Sie drohen an der Rezeption offen mit schlechter Benotung, falls sie kein Upgrade bekommen oder eine Extrabehandlung. Hotels und Gastronomen können aber auch den Spieß umdrehen – mithilfe einer Suchmaschine, die ihre Gäste bewertet. „Reputami“ erfasst, was die „digitalen Gäste“ twittern, auf Facebook oder Bewertungsportalen posten und erstellt daraus ein Benutzerprofil – samt der für die Gastgeber wichtigen Einschätzung, wie viel Einfluss dieser Gast im Internet hat.
Heike Jahberg
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