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Ohne Mast kein Empfang. Mit Mast manchmal auch nicht.
© Jens Büttner/ZB/dpa

Lücken im Mobilfunknetz: Wann ist ein Funkloch ein Funkloch?

600.000 weiße Flecken wurden bislang per App gemeldet. Doch viele Lücken im Mobilfunknetz werden dabei nicht richtig erfasst.

Am Dienstag startete die lang erwartete Versteigerung der ersten Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Im Vorfeld wurde intensiv darüber gestritten, ob und bis wann die neuen Netze auch flächendeckend aufgebaut werden sollen. Klar ist jedoch, „5G an jeder Milchkanne“ wird es so schnell nicht geben. Denn über die Frequenzen können zwar mindestens zehn Mal mehr Daten geschickt werden als mit dem bisherigen Mobilfunkstandard 4G beziehungsweise LTE – allerdings sind die Wellen viel zu kurz, um die Daten über weitere Strecken als wenige hundert Meter zu transportieren. „Für die Flächenversorgung sind sie gänzlich ungeeignet“, sagt Achim Berg, Präsident des Branchenverbandes Bitkom. „Deutschland müsste im Abstand von je einem Kilometer mit Funkmasten gespickt werden.“

Trotzdem soll die Auktion dazu beitragen, die bestehenden Funklöcher zu reduzieren. Denn Teil der Auflagen ist es, dass die Mobilfunkanbieter bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent der Haushalte pro Bundesland sowie alle Autobahnen, wichtige Bundesstraßen und Schienenwege mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) versorgen müssen. Diese Geschwindigkeiten sind auch mit dem aktuellen LTE-Standard erreichbar.

Einen besseren Überblick über Lücken im Funknetz soll die „Funkloch-App“ der Bundesnetzagentur bringen. Seit dem Start im Oktober 2018 liegen dem Tagesspiegel nun erstmals Zahlen vor. Insgesamt wurden demnach in einem Dreimonatszeitraum 64,4 Millionen Messpunkte erfasst. Dabei gab es in 599.558 Fällen „kein Netz“.

Die App sagt nichts über die Qualität des Netzes

Nur diese knapp 600.000 Messpunkte werden als Funkloch gezählt. Allerdings erfasst die App nicht automatisch die Netzqualität oder tatsächliche Signalstärke. Viele der mehr als 85.000 Nutzer, die die App mit dem offiziellen Namen „Breitbandmessung“ installiert haben, bemängeln daher in den App Stores, dass das tatsächliche Ausmaß der Probleme nicht korrekt dargestellt werde. „Die App verschleiert das wahre ,Funkloch Deutschland‘ und dessen Qualität“, kritisiert dort Andreas Weißenborn. Wie viele andere Nutzer bemängelt er, dass die App in Bereichen eine Netzverfügbarkeit anzeigt, in der immer wieder Telefonate abbrechen. Die Kritik an Funktionalität zieht sich dabei durch viele Einschätzungen. „Der Zustand dieser App passt zum Zustand des Mobilfunknetzes in Deutschland“, schimpft Nutzer Felix B. In den Bewertungen der App Stores bei Apple und iTunes bekommt sie nur jeweils 2,3 von fünf möglichen Sternen.

„Hinter der Aussagekraft der Ergebnisse steht ein großes Fragezeichen“, kritisiert auch FDP-Fraktionsvize Frank Sitta. Niemandem sei geholfen, wenn das Display LTE anzeige, aber das Netz überlastet sei. „Es scheint sich bei dem Projekt Funkloch-App eher um einen Marketing-Gag zu handeln“, kritisiert Sitta. Statt etablierte Instrumente der Bundesnetzagentur oder der Mobilfunkanbieter weiterzuentwickeln, habe er eine eigene App medienwirksam programmieren lassen. Mehr als 150 000 Euro hat das gekostet. Obwohl die Funkloch-App ein Lieblingsprojekt von Verkehrsminister Scheuer (CSU) ist, hält man sich selbst innerhalb der Union nicht mit Kritik zurück. „Die App der Netzagentur hat einige technische Anlaufschwierigkeiten gehabt, die in Mecklenburg-Vorpommern auch zur Kenntnis genommen wurden“, sagt der dortige CDU-Fraktionsvorsitzende Vincent Kokert. Bis sie zuverlässige Daten in ländlichen Regionen wie Vorpommern, der Mecklenburgischen Seenplatte oder auf Rügen gesammelt habe, dürfte einige Zeit vergehen. „Diese Zeit haben wir nicht“, sagt Kokert. Offiziell plant die Bundesnetzagentur für die erste Jahreshälfte die Veröffentlichung einer Karte, in der die Ergebnisse dargestellt werden sollen.

Bundesländer haben eigene Apps entwickelt

Um schneller eigene Daten zu bekommen, mit denen Druck auf die Netzbetreiber, aber auch auf die Bundespolitik ausgeübt werden kann, wurde in Mecklenburg eine eigene App entwickelt, die auch anders funktioniert. „Vereinfacht ließe sich sagen: Die Breitband-App vermisst den Käse, wir zeigen, wo die Löcher sind“, lästert der CDU-Fraktionschef. Denn in der Mecklenburger App wählen die Nutzer den Netzbetreiber aus, vergeben Noten und können angeben, ob es Verbindungsabbrüche und eine schlechte Sprachübertragung gibt oder gar generell kein Telefonieren möglich ist. Also viele Punkte, die Nutzer in der bundesweiten Funkloch-App der Netzagentur vermissen. Eine vergleichbare App hat auch die CDU in Sachsen-Anhalt veröffentlicht.

„Minister Scheuer hätte seine Zeit besser in die Entwicklung einer Gesamtstrategie für den Mobilfunk gesteckt“, sagt FDP-Politiker Sitta. Die Bundesregierung hat angekündigt, diese im Sommer zu präsentieren. „Eine Strategie, Monate nach der 5G-Frequenzvergabe, kommt leider zu spät“, sagt Sitta.

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