Nach Dieselgate: VW probt den Neustart in den USA
Weltweit hat der Autokonzern im vergangenen Jahr 10,7 Millionen Autos verkauft – in Amerika ging es nach dem Dieselskandal bergab. Nun soll der neue Jetta die Marke stärken.
Volkswagen hat trotz der Dieselkrise im vergangenen Jahr so viele Autos verkauft wie nie zuvor: 10,7 Millionen. Der damit erneut vor Toyota weltgrößte Hersteller hat aber noch größere Pläne – vor allem in den USA, wo 2015 der Diesel-Betrug aufflog.
Mit Garantie-Geschenken für die amerikanischen Kunden, einer viertürigen Limousine in der Größe eines Passat zum Preis eines deutschen VW Polo sowie Milliarden-Investitionen kauft sich der Autokonzern den US-Markt zurück. Auf der Automesse in Detroit strotzt VW dieser Tage wieder voller Selbstbewusstsein. Herbert Diess, als VW-Markenchef zweitmächtigster Mann im Konzern, hat ein neues Auto mitgebracht, das die Amerikaner begeistern soll: den neuen Jetta.
Das viertürige Modell, als sogenannte Stufenhecklimousine eine Art Golf mit Rucksack, war zu Beginn der 80er-Jahre auch auf unseren Straßen präsent, wechselte zwischendurch den Namen (Bora oder Vento) und ist mittlerweile in Europa kaum noch zu sehen. Kunden bevorzugen die kürzeren Heckklappen-Modelle wie den Golf oder steigen auf ein SUV um.
Jetta in den USA ein Bestseller
Anders in den USA. Hier wurde der Jetta mehr als drei Millionen mal verkauft, ein VW-Bestseller. Der US-Jetta stand aber auch im Zentrum des Dieselskandals, wurde anfangs als Ökomobil unter dem Schlagwort „Clean Diesel“ vermarktet und stürzte am tiefsten ab, nachdem der Schwindel aufgeflogen war.
Jetzt also der Neustart – natürlich nur mit einem Benzinmotor. Herbert Diess nennt den Preis von 18 545 Dollar, umgerechnet rund 15 200 Euro. Gleichzeitig verkündet er eine neue VW-Garantie, die von nun an für alle Modelle in den USA gilt: „Wir stehen für sechs Jahre oder mehr als 115 000 Kilometer gerade, auch wenn das Auto weiterverkauft wird.“
Davon können deutsche Autokäufer nur träumen. Für den Jetta-Preis gibt es bei uns gerade einmal einen gut ausgestatteten Polo. Der 4,70 Meter lange Jetta ähnelt stattdessen dank seiner coupéartigen Linie dem luxuriösen VW-Flaggschiff Arteon und bietet fast soviel Innenraum wie bei uns ein rund 30 000 Euro teurer Passat. Ähnlich ist es beim 5,04 Meter langen SUV Atlas, den VW nur in den USA und Kanada anbietet – ab 25 000 Euro.
US-Marktanteil nur bei zwei Prozent
Trotzdem ist Volkswagen auf dem US-Markt noch weit von früheren Höhenflügen entfernt. Rund 345 000 verkaufte Autos im vergangenen Jahr bedeuten einen Marktanteil von nur zwei Prozent. Herbert Diess will das nicht länger hinnehmen: „Hier in den USA legen wir die Basis dafür, dass Volkswagen wieder ein relevanter Volumenhersteller wird“, sagte er und meinte damit natürlich nur den nordamerikanischen US-Markt. Anderswo – vor allem in China (über drei Millionen verkaufte Autos) oder in Europa – ist VW Nummer eins. In Europa kam der Konzern 2017 mit 4,3 Millionen Auslieferungen auf ein Wachstum von 3,3 Prozent. In Deutschland wurden knapp 1,3 Millionen Fahrzeuge verkauft – ein leichter Rückgang um 0,4 Prozent.
Bis 2020 will Herbert Diess rund 2,8 Milliarden Euro über den Nordatlantik schicken. Aus den Investitionen sollen Gewinne werden, der Marktanteil soll auf fünf Prozent wachsen. Zwei neue Modelle jedes Jahr und die schrittweise Einführung der neuen Elektrofahrzeuge sollen die Wachstumsstrategie untermauern.
Mehr Emotionen mit neuen Modellen
VW will auch wieder Emotionen wecken, die mit der Einstellung des Coupé Scirocco, des Retromobils Beetle und der Cabrios Eos und Golf auf dem Schrottplatz der Firmengeschichte landeten. Baureihen-Chef Karl-Heinz Hell sieht nach der weitgehenden Überwindung der Dieselkrise und der Erneuerung der Modellpalette wieder Chancen für solche Fahrzeuge, die zwar keine Millionenauflagen erreichen, aber das Image der Marke aufwerten. Ein „emotionsgeladenes“ Modell soll noch in diesem Jahr präsentiert werden. Es wird wohl ein völlig neuer offener Volkswagen sein.
Peter Maahn