Neuer Verdi-Chef: Von der Friedensbewegung geprägt
Frank Werneke wird als Nachfolger von Frank Bsirske gewählt: Ein SPD-Mann löst einen Grünen an der Spitze der Dienstleistungsgewerkschaft ab.
Das Auffälligste an Frank Werneke ist die Unauffälligkeit. Ein Ostwestfale eben, schwer aus der Ruhe zu bringen, zuverlässig und vernünftig und ein bisschen langweilig. Werneke ist seit 2002 stellvertretender Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und trotzdem nicht viel bekannter als der Büroleiter von Frank Bsirske. Der alle überragende Bsirske legte am Montag auf dem Bundeskongress in Leipzig seinen letzten Rechenschaftsbericht vor. An diesem Dienstag wird Frank Werneke, 1967 in der Nähe von Bielefeld geboren, zu seinem Nachfolger gewählt.
Als Jugendlicher in die SPD
Mit dem Politologen Bsirske, Mitglied der Grünen, geht ein linksintellektueller Rabauke, der immer dann in Hochform kam, wenn es gegen neoliberale Wirtschaft- und Finanzpolitik ging. Mit Werneke kommt ein Sozialdemokrat, der als 16-Jähriger nach der Realschule eine Ausbildung zum Verpackungsmittelmechaniker begann, und der während eine Klassenfahrt auf dem Münchener Marienplatz den Aufnahmeschein für die SPD unterschrieb. Das war Anfang Oktober 1982, zwei Tage nach dem Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt.
Zurückhaltung zur großen Koalition
Bsirske hat sich abgearbeitet an der Agendapolitik Gerhard Schröders, Werneke hat sie ertragen. „Ich habe immer ein nüchternes Verhältnis zur SPD gehabt“, sagt Werneke im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Ein Parteiaustritt wegen Schröder? Viel zu emotional. Werneke weiß angeblich noch nicht, welches Kandidatenpaar er an die Parteispitze wählen will. Und zur Zukunft der großen Koalition hält er sich auch bedeckt. „Es steht uns als Gewerkschaften nicht an, Ratschläge zu geben“. Das war anders nach dem Scheitern der Jamaika- Verhandlungen, als Gewerkschaftler bei der SPD für die Fortsetzung der GrKo warben. „Rational betrachtet spricht vieles dafür, die noch offenen Projekte des Koalitionsvertrages erfolgreich abzuarbeiten“, sagt Werneke und schiebt schnell die Einschränkung hinterher, dafür sei aber auch „ausreichende Akzeptanz innerhalb der Partei“ erforderlich. Womöglich wird Werneke mutiger in seinen Äußerungen, wenn er gewählt ist an die Spitze der 1,9 Millionen Mitglieder großen Gewerkschaft. „Ich hatte in den letzten Jahren eine stark nach innen gerichtete Aufgabe“, sagt er über seinen Job als für Finanzvorstand
Seit 1993 hauptamtlicher Gewerkschaftler
Mit Beginn der Ausbildung kam Werneke zur Gewerkschaft, für die er seit 1993 hauptamtlich arbeitet. Juso-Seminare und die Friedensdemos Anfang der 1980er Jahre haben ihn .„politisch sozialisiert“. Nach der Verdi-Gründung 2001 war er dann für Medien und die Druckindustrie zuständig - und hat sich auch mal geärgert, wenn Streikende sanktioniert oder die Gründung von Betriebsräten sabotiert wurde. „Ganz übel ist der Bauer Verlag, die zerlegen und restrukturieren ständig, auch um kontinuierliche Betriebsratsarbeit zu verhindern“, sagt Werneke. „Wenn die nicht stark genug sind, ziehen die uns den Boden unter den Füßen weg.“ Von einem „zunehmend aggressiveren Arbeitgeberverhalten“ berichtet Werneke, der mit seinem Partner in Kreuzberg lebt und die paar Meter zur Verdi-Zentrale am Spreeufer laufen kann.
Finanzen sind wieder stabil
„Finanzkraft ist Kampfkraft“, und damit das so bleibt, hat Finanzvorstand Werneke in den vergangenen vier Jahren rund 200 Millionen Euro in die Streikkasse fließen lassen. Da im gleichen Zeitraum nur 75 Millionen Euro für Arbeitskämpfe ausgegeben wurden, sieht das Konto wieder besser aus als 2015: damals kosteten langwierige Arbeitskämpfe bei der Post und in den Kitas viel Geld. „Wenn es keinen Flächentarif gibt, bleibt nichts anderes übrig, als dass wir uns die einzelnen Unternehmen vorknöpfen“, sagt Werneke. Das ist aufwändig. 2018 beschloss der Verdi-Vorstand 129 Arbeitskämpfe, in den Jahren zuvor waren es jeweils rund 160 gewesen. Die letzte Woche ohne Streik im Verdi-Organisationsbereich habe es Ende 2015 gegeben, zwischen Weihnachten und Neujahr, berichtete Bsirske und sprach einen Punkt an, der Verdi schwer zu schaffen macht, die bröckelnde Tarifbindung.
Immer weniger bekommen Tarif
Nur noch 59 Prozent der Beschäftigten im Westen und 46 Prozent im Osten fallen unter einen Tarif. Damit das wieder mehr werden, „müssen wir organisieren, organisieren, organisieren“, rief Bsirske den 1000 Delegierten zu. „ Alles Organisationshandeln muss sich an einer Frage messen lassen: Was bringt es für die Mitgliederentwicklung.“ Zwar habe es in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich mehr Eintritte gegeben, 2018 waren es 122 000. Doch die Austrittszahl erhöhte sich noch schneller - 2018 auf 141000. Vor allem Menschen zwischen dem 62 und 64 Lebensjahr verlassen Verdi. Und davon gibt es besonders viele.
Werneke berichtete über temporäre Mitgliedschaften, allein nach Nutzwert ausgerichtet. Das sei indes ein Missverständnis: Die Dienstleistungsgewerkschaft sei auch eine politische Organisation, die sich in Gesellschaft und Politik Gehör verschaffe. Aber immer schön gelassen bleiben. „Je aufgeregter alle sind desto eher wird man gehört, wenn man ruhig bleibt.“ So ist er.
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