Freihandel mit der EU: Vietnam macht China Konkurrenz
Vietnam ist auf gutem Weg, der größte Smartphone-Produzent der Welt zu werden. Jetzt folgt der Durchbruch beim Freihandelsabkommen mit der EU.
Smartphone-Weltmarktführer Samsung setzt ganz auf Vietnam: Der südkoreanische Konzern produziert schon mehr als die Hälfte seiner Smartphones dort, hat gerade drei Milliarden Dollar in eine zweite Smartphone-Fabrik investiert und will die Produktion in China weiter zurückfahren.
Auch US-Chiphersteller Intel stellt verstärkt im Nachbarland Chinas her, ebenso Elektronik-Produzent Foxconn aus Taiwan und LG aus Südkorea. Das südostasiatische Land mit gut 3000 Kilometer langer Küste ist als Elektronik-Werkbank für die Welt immer beliebter. Vietnam punktet mit stabiler Wirtschaft, gutem Bildungsniveau und vor allem: billigen Löhnen.
Zölle sollen wegfallen
Jetzt kommt bald ein neuer Trumpf dazu: Nach dem Durchbruch beim Freihandelsabkommen mit der EU ist der Wegfall fast aller Zölle zwischen den Handelspartnern nur noch eine Frage der Zeit. Auch beim noch nicht ganz fertigen Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) mit den USA und zehn weiteren Ländern ist Vietnam dabei - nicht jedoch China. „Das wird noch mehr Investoren von China nach Vietnam bringen“, sagt Nguyen Tran Bat von der Investmentberatung InvestConsultGroup in Hanoi. Sie wollen vom Wegfall der Zölle profitieren. Zwei Drittel der Exporte gingen 2014 bereits in die EU und die USA.
Auch Verbraucher können von der Produktion in Vietnam profitieren: „Die Produktpreise würden deutlich hochgehen, wenn Hersteller nicht neue, billigere Standorte fänden“, sagt der Schweizer Thomas Hugger. Er managt in Schanghai den Asia Frontier-Investmentfunds und setzt auf Vietnam. In China liegt der Mindestlohn nach seiner Analyse bei 264 Dollar im Monat, in Vietnam bei gerade 112 Dollar. „Niedrigere Löhne, das bedeutet auch, dass die Produkte erstmal nicht teurer werden.“ Deutschland war 2013 bei IT und Verbraucherelektronik hinter China und vor den USA schon zweitgrößten Importeur aus Vietnam.
Auch deutsche Unternehmen folgen dem Trend
Analysten sprechen von der dritten Welle der Industrie-Migration: in den 70er Jahren zogen personalintensive Fertigungsprozesse von Japan nach Singapur, Taiwan und Südkorea, in den 90er Jahren nach China und nun nach Süd- und Südostasien: Thailand, Bangladesch, Indien, Kambodscha und vor allem Vietnam.
„Den Trend von China Richtung Vietnam sehen wir auch bei deutschen Unternehmern“, sagt Marco Walde, Chefdelegierter der Deutschen Wirtschaft in Hanoi. Zwei Autozulieferer hätten ihre Fertigung schon nach Vietnam verlagert, ebenso ein Hersteller von Elektroprodukten. Für Walde zählt vor allem die Zuverlässigkeit: „Vertragstreue, Detailgenauigkeit - damit gibt es hier im Gegensatz zu anderen Ländern keine Probleme.“ Ein Beispiel: „Wer 50 000 T-Shirts will, ist in China gut aufgehoben, aber 5000 Brautkleider, die Geduld und Fingerfertigkeit brauchen, das geht in Vietnam besser.“
Vietnam rollt den roten Teppich aus
Die Standard Chartered Bank hat Hersteller in China, die an Abwanderung denken, im Frühjahr gefragt, wo sie hingehen würden. „Vietnam“, sagten 36 Prozent, weit vor Kambodscha mit 25 Prozent. „Vietnam dürfte einer der größten Nutznießer sein, wenn China sich in der Wertschöpfungskette nach oben bewegt“, analysierte die Bank.
Vietnam rollt Abwanderern aus dem ungeliebten Nachbarland den roten Teppich aus: „Wir haben Gesetze so geändert, dass gebrauchte Maschinen nun problemlos von China eingeführt werden können“, sagt Do Nhat Hoang, Chef der Agentur für Auslandsinvestitionen. Bei Textilien gehört Vietnam schon zu den größten Produzenten der Welt.
Chinesen sind 15-fach produktiver
Die vielversprechendste Branche ist aber die Elektronik, sagt Marco Breu, Chef der Unternehmensberatung McKinsey in Vietnam. Von 2009 bis 2013 sind die Exporte von 3,5 auf 30 Milliarden Euro gestiegen. Die Elektronik steht gemessen am Exporterlös an erster Stelle und bringt doppelt so viel wie Textilexporte. „Die Industrieparks haben oft ein, zwei große Investoren an Land gezogen, und dank dieser Anker kommen dann schnell kleinere Betriebe und Zulieferer“, sagt Breu.
Als größte Herausforderung sieht er die mangelnde Produktivität. Nach einer McKinsey-Studie produzierte ein chinesischen Arbeiter 2012 etwa 15 mal so viel im Jahr wie ein Vietnamese. „Hersteller müssen viel in Ausbildung und Training investieren“, sagt Breu.
Der Chef der Agentur für Auslandsinvestitionen sieht es so: „Vietnam wird China nicht den Rang als „Fabrik der Welt“ ablaufen“, sagt er. „Dafür ist auch der chinesische Markt viel zu wichtig für die Hersteller. Aber wir können die Nummer zwei nach China werden.“ (mit dpa)
Christiane Oelrich