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Schwarzwälder Schinken, eine regionale Spezialität.
© dpa

Siegel für regionale Produkte: Verwirrung um Rostbratwurst und Schwarzwald-Schinken

Die Agrarwirtschaft sieht den Schutz regionaler Spezialitäten als ein hohes Gut. Doch was hat der Verbraucher von den Siegeln, die Herkunft und Herstellung anzeigen sollen? Ein Praxistest im Supermarkt.

Schwarzwälder Schinken aus Texas? Kölsch aus Minnesota? Als Bundesagrarminister Christian Schmidt kürzlich mit seinen Aussagen im „Spiegel“ den Schutz regionaler Spezialitäten infrage stellte, trat er damit auch eine Debatte über die Transparenz der EU-Siegel los, die über Herkunft und Herstellungsweise informieren sollen. Doch helfen sie überhaupt beim Einkaufen? Grünen-Politikerin Renate Künast kritisiert beispielsweise im Gespräch mit dem Tagesspiegel, dass eine Ausdifferenzierung nötig wäre, „damit ich nicht nur genau weiß, wo produziert wurde, sondern auch wo etwa das Schwein aufgewachsen ist“. Das Siegel müsse klar erkennbar sein.

Unser Autor macht den Praxistest in einer Berliner Einkaufspassage.

Schwarzwälder Schinken

Bei Aldi und Reichelt informiert der Aufdruck auf der Packung, dass es sich um eine „geschützte geografische Angabe“ handele. Bei Aldi trägt sie ein grün-weißes Siegel, bei Reichelt ein blau-gelbes. Hergestellt ist der Aldi-Schinken in Schiltach/Schwarzwald, verpackt im niedersächsischen Harkebrügge. Keine Angabe, woher das verarbeitete Fleisch stammt. Nach den Vorgaben für das Siegel „geschützte geografische Angabe“ könnte das Fleisch beispielsweise aus China stammen und in den USA zu Schinken verarbeitet werden, sofern es im Schwarzwald verpackt wird. Bei Reichelt fehlen Infos über Herkunft, Herstellungs- und Verpackungsort. Der Aufdruck verweist auf die Edeka-Zentrale in Hamburg.

Griechischer Schafskäse

„Original griechischer Feta“ ist eine „geschützte Ursprungsbezeichnung“, alle Schritte von Erzeugung bis Verpackung müssen in der Region erfolgen. Bei Aldi und Reichelt tragen die Packungen das rot-gelbe Siegel. Aldi informiert: „aus pasteurisierter Schafs- und Ziegenmilch“ und „hergestellt und abgepackt in Griechenland“. Bei Reichelt heißt es „aus griechischer Schafsmilch“. Daneben liegt im Reichelt-Regal eine Packung derselben Firma Patros im nahezu identischen Design, da fällt kaum auf, dass das Gütesiegel fehlt. Dieser „Patros mit Hirtenkräutern“ sei aus Kuhmilch hergestellt, erfährt man auf der Rückseite, mit der Ortsangabe Heimenkirchen, aber ohne Information, ob sich das auf Herkunft, Herstellung oder Verpackung bezieht.

Mozzarella

Die diversen Packungen bei Aldi und Reichelt tragen italienisches Design, dieser Käse ist keine geschützte Sorte. Bei Reichelt heißt es, man kaufe „das typische Flair italienischer Lebensart“. Aldi informiert, das Produkt sei „aus Deutschland“. Reichelt verweist auf die Edeka-Zentrale.

Nürnberger Rostbratwürste

Aldi und Reichelt verwenden das blau-gelbe Siegel für eine „geschützte geografische Angabe“. Bei Aldi steht Nürnberg als Herstellungsort. Bei Reichelt muss dem Kunden der Zusatz „Original“ genügen. Angaben zu Fleischherkunft, Herstellung und Verpackung fehlen. Daneben liegt bei Reichelt eine Packung mit Rostbratwürsten, ebenfalls ohne Angaben zu Herkunft, Herstellung und Verpackung. Eine Zufallsauswahl von Gesprächen mit Kunden ergibt, dass auch sie mit den Siegeln kaum etwas anfangen können und in der Regel auf diese Informationen nicht achten.

Das Problem sieht im Übrigen auch die Politik. Die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD, Elvira Drobinski-Weiß etwa moniert: „Die Siegel sind nicht transparent genug.“ Beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde ist man anderer Meinung. Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff hält dagegen: „Die Siegel müssen erhalten bleiben, um solche traditionellen Rezepturen Made in Germany zu schützen.“ Eine Verbrauchertäuschung sieht er nicht. Und bei Unklarheiten könne man sich ja im Internet über die Bedeutung informieren.

Das müssen Sie über die Siegel wissen

Gelb, rund und ziemlich kryptisch: Anstatt Klarheit über die Regionalität von Lebensmitteln zu liefern, sind die Siegel zum Schutz von Herkunftsbezeichnungen den meisten Verbrauchern ein Rätsel – wenn sie ihnen überhaupt auffallen. Doch immerhin 1250 geschützte Lebensmittel sind derzeit in der Datenbank DOOR registriert. Die drei EU-Logos wurden vor allem an Produkte aus dem EU-Raum vergeben, aber auch der chinesische Lung Ching Tee und das türkische Baklava-Gebäck nach Art der Stadt Gaziantep sind eingetragen. Das Siegel für die „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g.U.) hat die strengsten Auflagen. Produkte mit diesem Zeichen sind in der angegebenen Region erzeugt, verarbeitet und hergestellt worden. Die Europäische Kommission hat anerkannt, dass etwa Allgäuer Bergkäse von der Milch bis zur Reifung in der Region hergestellt werden muss – nur dann schmeckt der Käse, wie er schmecken soll.

Für das am weitesten verbreitete Siegel zur „geschützten geografischen Angabe“ (g.g.A.) muss nur eine Produktionsstufe des Lebensmittels in der Traditionsregion stattfinden. Deshalb können Nürnberger Bratwürste auch dänisches Fleisch enthalten. Doch manche Produkte werden nach jahrhundertealten Rezepten mit überlieferten Zutaten hergestellt und gelten nach EU-Recht dennoch nicht als vollkommen regional: So werden etwa die Rosinen für den Dresdner Christstollen seit jeher aus südlichen Ländern bezogen. Auch der Rum, in dem die Früchte eingelegt werden, kam nie aus der sächsischen Landeshauptstadt. Der echte Stollen wird allerdings in jedem Fall in und um Dresden per Hand gefertigt.

Am lockersten sind die Richtlinien des Logos für „garantiert traditionelle Spezialitäten“ (g.t.S.). Dafür kann die Produktion eines Lebensmittels gänzlich außerhalb der traditionellen Region stattfinden. Wichtig ist meist eine bestimmte Zusammensetzung der Inhaltsstoffe oder eine spezifische Verarbeitungsweise. Für deutsche Produkte wurde das Siegel bislang nicht vergeben. Es gilt aber zum Beispiel für italienischen Mozzarella und polnische Kabanossi. Deshalb kann man auch Mozzarella aus Sachsen und Kabanos-Würste aus Bayern kaufen. Angie Pohlers

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