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Neue Forderung. Frank Bsirkse sieht für den öffentlichen Dienst noch immer deutlichen Nachholbedarf gegenüber den Tarifen in der privaten Wirtschaft. Foto: Daniel Naupold/dpa
© Franziska Gabbert/dpa

Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst: Verdi will sechs Prozent mehr Lohn

Die Tarifforderung betrifft mehr als drei Millionen Angestellte und Beamte der Bundesländer - in Berlin auch das Kitapersonal.

Die hohen Steuereinnahmen wecken Begehrlichkeiten: Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes fordern für die rund eine Million Angestellten der Bundesländer eine Entgelterhöhung von sechs Prozent. Das sei „problemlos finanzierbar“, meinte Verdi-Chef Frank Bsirske am Mittwoch und wies hin auf die Milliardenüberschüsse der öffentlichen Hand hin. Bis 2020 stiegen die Steuereinnahmen der Länder um durchschnittlich 3,7 Prozent pro Jahr. Und da die Beschäftigten im öffentlichen Dienst „noch immer einen deutlichen Nachholbedarf“ gegenüber der privaten Wirtschaft hätten, sei die Sechs–Prozent-Forderung angemessen. Die bislang für 2017 vorliegenden Tarifforderungen, unter anderem für Ernährungsindustrie und Gastronomie, Energiewirtschaft und Textilindustrie, liegen zwischen 4,5 und 5,5 Prozent.

Der öffentliche Dienst übernimmt also die Tarifführerschaft im kommenden Jahr. Es geht dabei nicht nur um die rund eine Million Tarifbeschäftigten der Länder (ohne Hessen), sondern auch um die Einkommen von gut zwei Millionen Beamten und Versorgungsempfänger, auf die der Tarifabschluss in der Regel übertragen wird. Auch deshalb sitzt neben Verdi der Beamtenbund (dbb) aufseiten der Gewerkschaften am Verhandlungstisch. dbb-Chef Klaus Dauderstädt meinte am Mittwoch, „spürbare Gehaltszuwächse sind auch wichtig für die Konkurrenzfähigkeit der Länder auf einem immer umkämpfteren Arbeitsmarkt“. Die Arbeitgeber wiesen die Forderung als „überzogen und nicht akzeptabel zurück“. Die Schuldenbremse verbiete Gehaltssteigerungen in der gewünschten Größenordnung.

Alles in allem wollen Gewerkschaften und Beamtenbund sechs Prozent – doch es gibt auch spezielle Anliegen, etwa die Erzieherinnen und Erzieher in Berlin betreffend. Im vergangenen Jahr hatte Verdi für die Erzieher nach einem langwierigen Arbeitskampf eine Einkommenserhöhung abseits der normalen Tarifrunde für die Kommunen durchgesetzt. Da in Berlin das Kitapersonal aber nicht unter den kommunalen Tarif, sondern unter den Ländertarif fällt, wollen die Gewerkschaften hier im kommenden Jahr eine Angleichung durchsetzen.

Nach Angaben von Verdi fallen in Berlin und Brandenburg rund 200 000 Beschäftigte unter den Tarif, den Verdi, Beamtenbund sowie die Gewerkschaften der Lehrer und Polizisten mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) abschließen. Das Land Berlin hatte 2003 die TdL verlassen, um mit einer gravierenden Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich die Personalkosten zu drücken. Inzwischen gehört Berlin wieder zur TdL, und zum 1. Dezember 2017 wird die letzte Stufe zur Angleichung an das Tarifniveau der anderen Bundesländer genommen. Die Entgelttabellen steigen dann von 98,5 Prozent auf 100 Prozent, gleichzeitig erhöht sich die Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden und 24 Minuten.

Für alle Länder würden die Personalkosten nach Angaben der TdL um rund sieben Milliarden Euro steigen, wenn die Tarifbeschäftigten und die Beamten sechs Prozent mehr Geld bekämen. Der niedersächsische Finanzminister Peter- Jürgen Schneider (SPD), der als Vorsitzender der TdL die Verhandlungen auf Arbeitgeberseite führt, appellierte an die Gewerkschaften, „die Realität zu akzeptieren“. Fast jeder zweite Euro an Steuereinnahmen der Länder werde für Personal ausgegeben. „Wenn dieser Anteil steigt, fehlt das Geld an anderer Stelle“, meinte Schneider. Nun sind Tarifforderungen keine Abschlüsse. Vor zwei Jahren gingen die Gewerkschaften mit 5,5 Prozent und einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten ins Rennen. Am Ende gab es 2,1 Prozent im ersten und weitere 2,3 Prozent im zweiten Jahr.

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