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USA gibt China die Hand: Henry Kissinger begrüßt den chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Seattle.
© REUTERS

Xi Jinping in den USA: US-Politiker kritisieren Chinas Cyberangriffe

Chinas Präsident Xi Jinping reiste am Dienstag in die USA. Überschattet wird sein Besuch von Vorwürfen der Cyberspionage durch die Chinesen.

Fast 1000 Köpfe soll die Delegation umfassen, mit der Chinas Präsident Xi Jinping am Dienstagmorgen in Seattle gelandet ist. Mit an Bord: der Vorstandsvorsitzende der Industrial and Commercial Bank, der größten Bank der Welt, und Alibaba-Chef Jack Ma. Die Stadt begegnet dem mit einem Begrüßungsbankett, dessen Gästeliste Namen wie Bill und Melinda Gates, Jeff Bezos, Warren Buffet und Tim Cook bereithält. Lumpen lassen – das wurde schon im Vorfeld des Besuchs klar – will sich hier keiner.

Region um Seattle ist Chinas wichtigster Handelspartner

Seit Wochen ist die Metropole im Nordwesten der USA deswegen in Aufregung. Dass Xi seine USA-Reise hier beginnt, um erst am Donnerstag weiter in das andere Washington zu fliegen, ist eine Ehre – und sicher nicht allein der Tatsache geschuldet, dass Seattle quasi auf dem Weg liegt. Die Region ist Chinas wichtigster Handelspartner, kein Bundesstaat exportiert mehr in das Reich der Mitte, von Äpfeln über Babynahrung bis hin zu Flugzeugen. 90.000 Jobs in der Stadt, zu der Xi manch privaten Kontakt unterhält, hängen am Handel mit der Volksrepublik. Am Ende der zwei Tage wird er unter anderem bei Boeing und Microsoft eingekehrt sein. Der Präsident würdige damit Seattle als den Hightech-Standort der USA, freuen sich ansässige Firmen und Politiker.

Xis Reise wird von erheblichen Spannungen überschattet

Eine am Sonntag auf dem Cover der Seattle Times veröffentlichte Karikatur zeigt Xi umringt von Governeur Jay Inslee, Microsoft-CEO Satya Nadella und anderen. Umschmeichlung, Wein und Geschenke überall, eine große Party. Dabei gibt es eigentlich wenig Grund zu feiern: Xis Reise wird von erheblichen Spannungen überschattet. Am schwerwiegendsten sind dabei wohl die Vorwürfe, welche die USA gegen China wegen Cyberspionage erhebt. Doch auch anhaltende Territorialstreitigkeiten im südchinesischen Meer heizen die Situation an. Nach Ansicht der Amerikaner hat China dort Sand aufgeschüttet, um eine Landebahn für Militärflugzeuge zu bauen – auf Inseln, die andere Staaten gleichfalls für sich beanspruchen. Die USA fürchten deshalb auch um ihre Schifffahrtsrechte. Reine Naturschutzmaßnahmen, behauptet dagegen Xi.

Kritik aus politischen Kreisen

Nicht nur Donald Trump möchte ihm deshalb am liebsten den roten Teppich unter den Füßen weggezogen sehen. China versuche, die USA aus dem asiatischen Raum zu drängen und ihre Partnerschaften zu demokratischen Staaten wie Japan und den Philippinen zu untergraben, mahnte jüngst der republikanische Präsidentschaftskandidat Marco Rubio. Ein derart prunkvolles Dinner sei völlig inakzeptabel. Sein Parteikollege und Kontrahent Scott Walker, Gouverneur von Wisconsin, nannte Xi einen „strategischen Gegner“ und forderte sogar, das Treffen abzusagen. Im Bundesstaat Washington aber ignorierte das Planungskomitee, dem Persönlichkeiten wie Starbucks-Unternehmer Howard Schultz und Ford-Chef Mark Fields angehörten, die Einwände konsequent. In der Stadt Washington versicherte Barack Obama zumindest, die Cyberkriminalität nach ganz oben auf die Gesprächsagenda zu setzen.

Xi unterstreicht die Wichtigkeit des chinesischen Marktes für die USA

Dass er dabei wirklich energisch vorgeht, bezweifeln viele. Zu wichtig ist der chinesische Markt für die USA, wie Xi mit seinem Halt in Seattle wenig subtil unterstreicht. Wie überhaupt schon im Vorfeld reichlich mit Muskeln gespielt wurde: So soll Xi auf einem Technologieforum bestanden und dessen Teilnehmer allein bestimmt, damit die Pläne des Gastgebers stark durcheinander gebracht haben. Und noch kurz vor seiner Ankunft erklärte er in einem Interview mit dem Wallstreet Journal, dass die Zensur des Internets für Seiten wie Google und das eingeschränkte Wirkungsrecht für ausländische Nichtregierungsorganisationen im Land nicht verhandelbar seien

An Machtkämpfen sei der chinesische Ministerpräsident nicht interessiert

Während Gary Locke, vormaliger US-Botschafter in China sowie Ex-Gouverneur Washingtons und damit bislang einziger US-Staatschef chinesischer Abstammung, zu Xis Begrüßung die Vielzahl gemeinsamer Interessen hervorhob, protestierten in der Innenstadt hunderte Landsleute gegen Unterdrückung, unfreiwillige Organentnahme und Folter. Von Hundertschaften Polizisten abgeschirmt, trat Xi am Abend unweit davon ans Mikrofon. Er sei kein Fremder in dieser Stadt, sagte er zu Beginn des Begrüßungsbanketts im Hotel The Westin – jeder in China kenne den Film „Schlaflos in Seattle“. Und blieb gleich in der Spur: An Machtkämpfen sei ihm nicht gelegen, „das hier ist nicht House of Cards“. Weder wolle er einen Währungskrieg, um die Exporte anzukurbeln, noch eine Vormachtstellung für China. Würde das Land noch so groß, niemals werde es nach Expansion streben. Betont harmoniebedürftig und gesellig also gibt sich Xi bei dieser ersten und mutmaßlich einzigen politischen Rede seines Aufenthalts.

Sensibles Thema: Cyberkriminalität

Am hellhörigsten aber wird das Publikum, als er auf das Thema Cyberkriminalität zu sprechen kommt. Die chinesische Regierung werde Betriebsspionage „in welcher Form auch immer“ weder betreiben noch unterstützen. Sein Land sei bereit, gemeinsam mit den USA gegen derlei Kriminalität einzutreten. Das passt zu Berichten, wonach beide Staaten sich darauf verständigen wollen, Angriffe auf infrastrukturelle Einrichtungen wie Kraftwerke, Bankensysteme, Mobiltelefon-Netzwerke oder den Betrieb von Krankenhäusern in Friedenszeiten zu unterlassen. Der New York Times zufolge ist die Vereinbarung seit Wochen in Planung. Sie soll das positive Signal sein, das Obama im Wahlkampf Druck von den Schultern nimmt und die Gemüter besänftigt.

25 Millionen Menschen der US-Bundespersonalverwaltung ausspioniert

Ein „weltweit einzigartiger Waffenkontrollvertrag“, sagen die einen – die anderen nennen es Heuchelei. Zwei wesentliche Bereiche berücksichtige das Abkommen, das sich offenbar an einem Entwurf der Vereinten Nationen orientiert, nicht: Die Militärindustrie, in der Amerika zuletzt schwere Spionageattacken verzeichnete, und die Verwaltung. Beim bisher massivsten Hackerangriff auf Dateien der US-Bundespersonalverwaltung sollen 2014 allein 25 Millionen Menschen ausspioniert worden sein.

So klein denkt Xi offenbar ungern. Er sei überzeugt, dass sowohl China als auch den USA an einem friedlichen Miteinander gelegen sei, versicherte er. Und verpackt in diesem Versprechen schließlich doch noch eine Drohung: Sollten sie „ernsthaft miteinander in Konflikt geraten, würde das in einem Desaster enden – für beide Länder und für die ganze Welt“.

Maris Hubschmid

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