Schelte aus dem Silicon Valley: US-Investor rechnet mit Berliner Start-up-Szene ab
Geoff Lewis, Investor aus San Francisco und gerade auf Tour durch Deutschland, vermisst die großen Visionen. Bislang finanziert er nur ein Berliner Unternehmen.
Er will sich nicht mehr auf das Silicon Valley konzentrieren, sagt Geoff Lewis. Das Zentrum der Internet-Innovationen werde allmählich zu teuer, um junge Talente anzuziehen. "Die nächste Innovationswelle wird geografisch breiter verteilt sein", glaubt er deshalb. Und natürlich habe er auch Deutschland – für ihn das Land der Ingenieure und Unternehmer – auf dem Schirm.
Der 31-jährige Kanadier arbeitet beim US-amerikanischen Founders Fund, wo er gemeinsam mit Internetgrößen wie Peter Thiel und Sean Parker erfolgversprechende Start-ups finanziert. Paypal-Gründer Thiel war Facebooks erster externer Investor, Parker ist bekannt als Wunderkind, seit er mit 19 Jahren den Musik-Streamingdienst Napster gegründet hat. Die beiden, die zu den weltweit wichtigsten Investoren der Szene zählen, sind der Welt spätestens seit dem Facebook-Film "The Social Network" ein Begriff. In dieser Liga also spielt Lewis.
Besuch lässt Start-ups hoffen
Mit dem lockeren Auftreten, den neongelben Turnschuhen und dem Zahnpastalächeln könnte er selbst eine Rolle in besagtem Film spielen. Lewis kann mit seinem iPad die Welt erobern – das sagt jedenfalls seine Ausstrahlung. Der US-Fernsehsender CNBC präsentiert den breitschultrigen Sunnyboy gern als Technikexperten. Mit ihm als Redner wollen Unternehmen rund um den Globus ihre Veranstaltungen aufwerten. Dass Lewis in diesen Tagen in der deutschen Hauptstadt weilt, um sich mit Gründern zu treffen, lässt die bejubelte Berliner Start-up-Szene hoffen.
Alle 20 Stunden werde in Berlin ein neues Internetunternehmen gegründet, heißt es. Den inoffiziellen Titel Gründerhauptstadt führt man an der Spree gern, entsprechend attraktiv ist die Stadt für Investoren. Wagniskapitalgeber, das sei "ein ziemlich gutes Geschäft", gibt Lewis vergangene Woche auf einer Veranstaltung nonchalant zu Protokoll. Immobilien Scout24 bietet an dem Abend acht Start-ups eine Bühne, um potenzielle Investoren zu finden.
Start-ups sollen Unruhe stiften
Bevor die jungen Wilden selber randürfen, soll Lewis erklären, worauf es in seinem Geschäft ankommt. "Die erste Regel: Wir investieren nur in die wichtigsten Tech-Unternehmen der Welt", sagt er. "Die zweite Regel: Es gibt keine anderen Regeln." Um an Gelder seines Fonds zu kommen, müssten die Start-ups "Unruhestifter" sein, den Markt gehörig durcheinanderbringen, lässt er die Zuhörer wissen. Sie müssten aus dem Nichts etwas Großartiges erschaffen und kleine Märkte in Windeseile monopolisieren. Unternehmen, die einfach andere kopieren, können demnach nichts erwarten.
Lewis war selbst Manager beim Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, bevor er 2010 mit TopGuest ein Belohnungsprogramm gründete, das unter anderem die Hotelkette Hilton und United Airlines einsetzen. Nur anderthalb Jahre später verkaufte er das Unternehmen für einen achtstelligen Betrag und nahm seine Position beim Founders Fund ein. Seitdem wähnt man ihn – wo er geht und steht – auf großer Shoppingtour.
Berlinern fehlt die Mission
Was ihm in Berlin geboten wird, lässt den Kanadier jedoch kalt: Die einen wollen Baugerät online vermitteln, die anderen Gassigeher, Lagerräume und Wohnungen. "Sie reproduzieren Ideen, die anderswo schon funktionieren", kommentiert Lewis trocken. Damit könne man sicher auch Geld verdienen, aber selbst in eines dieser Start-ups investieren? "Auf keinen Fall!", bricht es aus ihm heraus. Lewis befürchtet, dass der Hype um Berlin die Realität bereits hinter sich lassen könnte. "Ich habe das Gefühl, dass viele Unternehmer in Berlin Firmen gründen, weil es gerade in Mode ist – und nicht, weil sie eine wirkliche Mission haben."
Das sei vielleicht ein kulturelles Problem: Die Deutschen seien gerade in der digitalen Wirtschaft zu risikoscheu, meint Lewis. Einzig das Berliner Vorzeige-Start-up Researchgate hat es ihm und den anderen Investoren des Founders Fund angetan. Das soziale Netzwerk für Wissenschaftler hat allerdings schon einen prominenten Investor: Bill Gates. "Wir würden wirklich gern in Deutschland investieren", bekräftigt Lewis. Er sei auch sicher, dass es die passenden Start-ups gebe – nur habe er sie in Berlin bisher nicht gefunden.
Lukas Wohner