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Personal-Vorstand der Deutschen Bahn Ulrich Weber spricht im Interview darüber, wie die Bahn an ihren Nachwuchs kommen will - unter anderem mit zwei Programmen für Flüchtlinge.
© Robert Schlesinger dpa

Bahnvorstand Ulrich Weber: "Unser Bild als Arbeitgeber hat gelitten"

Die Deutsche Bahn will in die Top Ten der Arbeitgeber in Deutschland. Zwei Programme für Flüchtlinge und neue Angebote für Schüler und Studenten sollen ihr dabei helfen. Doch im Interview erzählt Bahnvorstand Ulrich Weber, wie sehr der Tarifkonflikt mit der GDL der Bahn geschadet hat.

Herr Weber, wäre die Bahn bereit, Flüchtlinge auszubilden oder zu beschäftigen?
Wir sollten und müssen uns als Wirtschaft insgesamt mehr um dieses Thema kümmern. Nicht nur, weil wir gesellschaftliche Verantwortung tragen, sondern auch aus eigenen, wenn Sie so wollen unternehmerischen Interessen. Wir planen konkret zwei regionale Ausbildungsprojekte für Flüchtlinge, beide Male im Süden, beide Male in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit.

Mit welchem Ziel?
Willkommenskultur, Qualifizierung und Integration. Wir wollen das mit zwei kleineren Pilotprojekten in Bayern ausprobieren: Einmal für erwachsene Flüchtlinge, die bereits in ihrem Heimatland einen elektrotechnischen Beruf erlernt haben. Das andere Projekt zielt auf junge Flüchtlinge, die wir zunächst auf eine Ausbildung bei der Bahn vorbereiten wollen – ähnlich wie bei unserem Programm „Chance plus“, in dem wir jedes Jahr rund 300 junge Menschen für den Einstieg ins Berufsleben fit machen.

Ist das Flüchtlingsprojekt eine Premiere für die Bahn?
Ja, wir haben zwar eine Multikulti-Belegschaft. Wie es in Europa funktionieren könnte, zeigt ein Pilotprojekt: In diesem Jahr beginnen erstmals 21 junge Spanier eine Ausbildung bei uns im Rahmen des EU-Förderprogramms MobiPro, das die berufliche Mobilität von jungen EU-Bürgern auf dem europäischen Arbeitsmarkt unterstützt. Es zeigt sich aber, wie hoch die rechtlichen, bürokratischen und auch sprachlichen Hürden sein können.

Die Bahn bietet vom Förster bis zum Fahrdienstleiter viele Berufe. Wo haben Sie die größten Probleme, geeignete Mitarbeiter oder Auszubildende zu finden?
Bei den Gleisbauern zum Beispiel müssen wir uns besonders viel Mühe geben oder bei Elektronikern und Mechatronikern. Generell ist es im technischen Bereich schwieriger als früher. Das zieht sich von den Facharbeitern bis zu den Bauingenieuren, die wir für unsere Bahnhöfe, Brücken und andere Bauwerke benötigen. Da werben wir mit der Attraktivität unserer Projekte. Ingenieure sollen sagen können: Wir waren bei Stuttgart 21 oder dem Berliner Hauptbahnhof dabei.

In Berlin der größte Arbeitgeber

Haben Sie zum Start dieses Ausbildungsjahres alle freien Lehrstellen besetzt?
Es wird uns wohl 2015 insgesamt wieder gelingen, alle freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Zuletzt waren noch etwa zehn Prozent der Stellen unbesetzt. 3700 Schulabgänger beginnen in diesem Herbst bei uns eine Berufsausbildung oder ein Duales Studium, damit kommen wir auf 22 000 in den letzten fünf Jahren.

Wie viele Auszubildende stammen 2015 aus der Region?
230 in Berlin und 60 in Brandenburg.

Wie viele Bewerbungen bekommt der Konzern insgesamt?
In diesem Jahr waren es wieder rund 200 000, davon gut 50 000 für einen Ausbildungsplatz. Das zeigt, dass wir nach wie vor als großer Arbeitgeber – in Berlin mit über 18 000 Beschäftigten der größte – gefragt sind. Aber wir müssen vor allem mit jungen Leuten anders umgehen.

Warum?
Es wird schwieriger, bei Bewerbern zu punkten. Da müssen sich Arbeitgeber etwas einfallen lassen. Wir treiben deshalb mehr Aufwand und gehen stärker auf die Bewerber zu – in Schulen, in Camps, in den sozialen Medien wie neuerdings in Azubi-Blogs. Wir haben auch das Bewerbungsverfahren geändert. Statt allein auf die Schulnote zu achten, haben wir einen Online-Test eingeführt, um zu schauen, was in den Bewerberinnen und Bewerbern steckt. Schulabgänger können sich inzwischen ja fast ihr Ausbildungsunternehmen aussuchen.

"Die Professionalisierung hat sich bewährt"

140 Bahn-Mitarbeiter beschäftigen sich nur mit Recruiting und Bewerbungen. Wird der Aufwand nicht zu groß?
Wir haben keine Wahl. Unsere Wettbewerber suchen ja auch gute Leute. Die Professionalisierung hat sich bewährt, aber sie kostet natürlich Geld. Wir sind als Konzern insgesamt in der glücklichen Lage, jedes Jahr tausende neue Mitarbeiter einzustellen. Von den 140 sind gut 100 allein mit der Rekrutierung beschäftigt. Das heißt, sie wählen aus den 200 000 Bewerbungen die richtigen Leute aus.

Brauchen Sie künftig nicht mehr als 4000 Azubis, um genug Nachwuchs zu haben?
Ich denke, wir werden stabil bei 3500 bis 4000 Schulabgängern bleiben. Da müssen wir auf die einzelnen Geschäfte schauen: Im Regionalverkehr haben wir Marktanteile verloren, damit auch die jeweiligen DB-Arbeitsplätze vor Ort. Im Infrastrukturbereich wird investiert, hier brauchen wir viele neue Mitarbeiter. Der Güterverkehr und die Dienstleistungen müssen produktiver werden. Den Fernverkehr stellen wir gerade neu auf.

Finden Sie nach dem Tarifstreit mit der GDL noch junge Leute, die Lokführer werden wollen?
Ja, das ist nach wie vor einer der beliebtesten Ausbildungsberufe.

Die Bahn muss 300 Lokführer zusätzlich einstellen. Wo finden Sie die alle?
Wir haben drei Quellen: Wir bilden aus – das ist die größte Gruppe –, wir schulen um oder wir haben Kollegen, die zum Beispiel aufgrund einer verlorenen Ausschreibung im Regionalverkehr nicht mehr an ihrem Heimatort arbeiten können, aber an anderer Stelle bei der DB.

Monatelang hat es Streiks und öffentliche Auseinandersetzungen mit den Lokführern gegeben. Das Bild der Bahn hat schwer gelitten. Hat das Bewerber abgeschreckt?
Unser Bild als Arbeitgeber hat durch neun unnötige Arbeitskämpfe definitiv gelitten. Die Streiks haben uns nicht nur wirtschaftlich geschadet, sie haben auch unser gutes Image als Arbeitgeber beschädigt. Ich habe es als keinen guten Stil empfunden, wie die GDL öffentlich über den Arbeitgeber DB gesprochen hat. Das nehme ich der GDL schon übel, weil sie als Gewerkschaft genau weiß, dass die Bahn gute Arbeitsbedingungen bietet. Sie hat sie ja auch selbst mit ausgehandelt. Aber wir werden das wieder drehen.

"Beim Fahrplan hört die Flexibilität auf"

Die Bahn will bis 2020 unter die Top Ten der besten Arbeitgeber kommen. Hat der Tarifkonflikt Sie zurückgeworfen?
Wir orientieren uns an Kennziffern für die verschiedenen Zielgruppen: Schüler, Studenten, Facharbeiter und Akademiker, wobei die Schüler und Facharbeiter den größten Einfluss haben. 2014 lagen wir nach einem sehr großen Sprung nach oben auf Rang 13 – diesen hohen Platz werden wir dieses Jahr vermutlich wieder einbüßen. In jedem Fall wird es uns mächtig anspornen, wieder nach vorne zu kommen. Unser Ziel, Top-Arbeitgeber zu sein, steht.

Es gibt entsprechende Zielvereinbarungen für Vorstände beim Thema Arbeitgeber-Image. Verdienen Sie jetzt weniger?
Es gibt in der Tat auf dem Weg bis 2020 Zwischenziele, die ihren Niederschlag in Zielvereinbarungen finden. Daran ist auch ein Teil unserer Bezüge gekoppelt.

Berlin ist eine Start-up-Stadt mit großer Anziehungskraft auf junge Kreative, die nicht mehr in einer riesigen Organisation arbeiten wollen. Ist ein Konzern wie die Bahn mit 300 000 Beschäftigten noch attraktiv?
Sie werden sich wundern, wie viel Start-up-Mentalität bei der Deutschen Bahn zu finden ist. Wir stehen auch im regen Kontakt zur Berliner Szene, wir schicken im Rahmen unseres Projekts „Start-up Safari“ zum Beispiel Führungskräfte und Mitarbeiter zum Austausch in junge Firmen. Mit dem DB Lab haben wir ein eigenes Innovationslabor eingerichtet. Wir wollen allerdings vermeiden, dass zwei Welten in einem Konzern entstehen: Hier diejenige, die alles dürfen – und dort jene, die unter strikten Regeln arbeiten und zuliefern. Wir müssen diese Welten zusammenbringen.

Schwierig bei einem Schienenunternehmen, das einen Fahrplan einhalten muss.
Das ist die Herausforderung. Beim Fahrplan hört die Flexibilität auf. Ein Lokführer kann nicht sagen: Ich komme heute eine Stunde später.

Ulrich Weber (65) ist seit Juli 2009 Personalvorstand der Deutschen Bahn. Der gebürtige Krefelder ist damit für die Belange von weltweit 300 000 Beschäftigten des Schienenkonzerns zuständig, 200 000 davon in Deutschland. Nach dem Jurastudium arbeitete Weber zunächst als Rechtsanwalt. Nach Stationen unter anderem bei der Ruhrkohle AG und der Westfälischen Berggewerkschaftskasse war Weber vor dem Wechsel zur Bahn seit 2006 Arbeitsdirektor bei Evonik. Fast ein Jahr lang rang Weber zuletzt mit der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) und deren Vorsitzendem Claus Weselsky um einen Tarifvertrag.

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