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Die Griechen im Blick haben IWF-Chefin Christine Lagarde und ihre Mitarbeiter schon lange. In manchen Punkten sind sie anderer Ansicht als die Kreditgeber aus der EU. Foto: Jacky Naegelen
© REUTERS

WikiLeaks-Enthüllung: Tsipras nutzt die IWF-Abhöraffäre

Das veröffentlichte Telefonat zwischen IWF-Vertretern erzürnt die Griechen. Dabei kommt die Affäre Alexis Tsipras nicht ungelegen.

Yiannis Roubatis gehört vielleicht jetzt zu jenen, die sich die Hände reiben. Der Chef des griechischen Geheimdienstes EYP, ein Tsipras-Mann, gilt als die denkbare Quelle des „leak“, das nun das ohnehin schwache Vertrauen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern erschüttert hat. Eine Telefonschalte zwischen einem Hotelzimmer im Athener Hotel Hilton und dem Hauptsitz des Internationalen Währungsfonds IWF in Washington ist abgehört und, wie berichtet, auf der Enthüllungsplatform Wikileaks verbreitet worden.

Poul Thomsen, der Europa-Verantwortliche des IWF, drängt in dem Gespräch mit der Griechenland-Vertreterin des IWF, Delia Velculescu, auf eine Verzögerung der Verhandlungen mit Athen. Die Transkribierung des Namen der rumänischen Unterhändlerin als „Velkouleskou“ deutet auf eine griechische Hand hin.

Tsipras kommt Enthüllung gelegen

Bei ihrer Rückkehr in Athen an diesem Montag wird sich die Geber-Quadriga von IWF, EZB, EU-Kommission und Euro-Rettungsschirm ESM auf einen frostigen Empfang einstellen müssen. Alexis Tsipras, der linke griechische Ministerpräsident, hatte noch am Samstag – nur Stunden nach Bekanntwerden der Wikileaks-Enthüllung – eine Krisensitzung seiner Regierung einberufen. Ihm kommt die Enthüllung des Telefongesprächs keinesfalls ungelegen.

Tsipras drängt schon seit Monaten auf den Ausstieg des Währungsfonds aus dem Lager der Kreditgeber. Es wäre ein symbolischer Erfolg für seine linke Wählerschaft, die perplex verfolgt hatte, wie der einstige Sparkursgegner im August vergangenen Jahres den dritten Milliardenkredit samt Auflagen unterschrieben hatte.

Thomsens Äußerungen sind starker Tobak

Tsipras verlangt nun eine Klarstellung von IWF-Chefin Christine Lagarde. Er werde nicht zulassen, dass Thomsen „Europa in Stücke“ reiße, so tönte der einstige linke Rebell. Denn Thomsens Äußerungen sind starker Tobak – für Athen, aber auch für Berlin. Der Däne machte in dem Telefonat klar, dass der IWF beim neuen Kreditprogramm für Griechenland auch Druck auf die deutsche Bundeskanzlerin ausüben würde: „Wir sagen: ,Sehen Sie, Frau Merkel, Sie stehen vor der Frage (...) was teurer ist: Ohne den IWF weitermachen – würde der Bundestag akzeptieren, dass der IWF nicht an Bord ist? Oder die Schuldenerleichterung wählen, von der wir denken, dass Griechenland sie braucht, um uns an Bord zu halten?“

Angela Merkel und die Unionsparteien sind bisher gegen weitere Schuldenerleichterungen oder gar einen neuerlichen Schnitt. Den wiederum würde die Links-Rechts-Koalition von Tispras in Athen gern haben, allerdings ohne die sehr viel kategorischere Haltung der Währungsfonds-Vertreter bei Spar- und Reformmaßnahmen in Griechenland. Dort dürfte die Staatsverschuldung in diesem Jahr nach einer Schätzung der EU-Kommission auf 185 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Keine tragfähige Schuldenrate, erklärte Thomsen unlängst erst wieder in einem Blog. Es sei auch nicht zu erwarten, dass sich Griechenland durch weitere fiskalische Maßnahmen aus der Krise „herausspare“.

Kampfansage für die griechischen Politiker

In dem abgehörten Gespräch vom 19. März gehen die IWF-Vertreter aber noch weiter. Es habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass sich die Griechen nur bewegten, wenn sie am Rand der Zahlungsunfähigkeit stünden, einem „Ereignis“, wie Thomsen es in dem Gespräch nannte. Delia Velculescu, die Unterhändlerin in Athen, stimmte ihm zu. Die Frage sei nun, wie man wieder ein solches „Ereignis“ herbeiführen könne, fuhr Thomsen fort. Für die griechischen Politiker ist das eine Kampfansage.

Dabei ist der IWF gar nicht wirklich an Bord. Am neuen 86-Milliarden-Kredit hat er sich bisher nicht beteiligt, eben weil es Differenzen mit den anderen Gebern in der Frage der Schuldenerleichterungen gibt. Zugleich aber hat der Bundestag seine Zustimmung zum Kredit von der IWF-Teilnahme abhängig gemacht. Der Währungsfonds spiele eine Rolle als „Input-Geber“ für Reformmaßnahmen, sagt Mano Giakoumis, ein Ökonom der Analyseplattform Macropolis, über die Zwitterstellung des IWF bei den laufenden Gesprächen in Athen.

Diese Überprüfung der bisherigen Sparschritte und der weiteren Reformen zieht sich jedoch in die Länge. Ein positiver Bescheid ist notwendig für die Auszahlung der nächsten Raten von 5,7 Milliarden Euro. Er würde Tsipras auch mehr politische Stabilität verschaffen. Die nächsten Reformen gelten als das bisher schwierigste Stück der Regierung: Vor allem der Umbau des Rentensystems trifft auf viel Widerstand aus allen Schichten der Gesellschaft.

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