Schuldenkrise: Troika zwingt Griechen zu weiteren Sparmaßnahmen
Um die nächste Rate der Rettungskredite zu erhalten, muss Griechenland schmerzhafte Einschnitte vorziehen. Kommende Woche reist Premier Papandreou nach Berlin - zu Bundeskanzlerin Merkel.
Bleibt das Geld aus, droht dem hoch verschuldeten Land Ende Oktober die Pleite. Der Staat könnte dann keine Gehälter und Renten mehr zahlen sowie seine Schulden nicht mehr bedienen. In fieberhaften telefonischen Verhandlungen mit der sogenannten Troika, den Vertretern der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF), versucht Finanzminister Evangelos Venizelos jetzt, die nächste Kreditrate locker zu machen. Nach einer ersten, relativ kurzen Telefonkonferenz mit der Troika am Montag fand am Dienstagabend eine zweite statt.
Die Telefonate scheinen sich gelohnt zu haben für die Griechen. Die EU-Kommission sieht „gute Fortschritte“ in den Verhandlungen. Ähnlich äußerte sich auch die griechische Seite. Allerdings musste Athen offenbar weitere Zugeständnisse machen und für später geplante Sparmaßnahmen vorziehen. Am Mittwochnachmittag will sich die Regierung zu den Details äußern. Im Gegenzug werden die Vertreter der Troika kommende Woche nach Athen zurückreisen.
Wie der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch mitteilte, wird sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 27. September mit dem griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou in Berlin treffen. „Die großen Themen liegen auf der Hand“, sagte Seibert. Die Bundesregierung warte das Ergebnis der „Troika“ ab. Dieses sei für weitere Beschlüsse entscheidend.
Ursprünglich war die Auszahlung der Kreditrate bereits für September geplant. Die Delegationschefs der Troika hatten jedoch Anfang des Monats ihre Prüfung unterbrochen und waren demonstrativ aus Athen abgereist, nachdem sie ein neues Milliardenloch im griechischen Haushalt entdeckt hatten. Der Fehlbetrag beträgt mindestens zwei Milliarden Euro. Griechenland hat sich verpflichtet, das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu begrenzen. Die EU erwartet in ihrer jüngsten Prognose allerdings ein Defizit von 9,5 Prozent. Griechenlands Finanzminister macht dafür vor allem die Rezession verantwortlich. Nach Meinung der Troika geht das Haushaltsdefizit aber zum größten Teil auf die ineffiziente Finanzverwaltung, halbherzige Sparmaßnahmen und die zögerliche Umsetzung der Strukturreformen zurück.
Die Troika verlangt jetzt auch möglichst schnell Klarheit über die Budgetplanung für 2012. Finanzminister Venizelos muss bis Anfang Oktober einen Etatentwurf vorlegen. Im nächsten Jahr soll er das Haushaltsdefizit auf 6,5 Prozent vom BIP drücken. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Regierung mindestens weitere 6,5 Milliarden Euro einsparen. Zur Diskussion stehen weitere Entlassungen im Staatsdienst, Gehalts- und Rentenkürzungen sowie die Streichung von Steuervergünstigungen. Finanzminister Venizelos unterstrich die Entschlossenheit der Regierung, „alle notwendigen Maßnahmen“ umzusetzen: „Wir müssen jetzt innerhalb weniger Wochen und Monate das tun, was wir in Jahren und Jahrzehnten versäumt haben“, sagte Venizelos bei einem Kongress in Athen. Mit ihrem Sparprogramm stößt die Regierung allerdings auf wachsende Widerstände. Die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst kündigten am Dienstag aus Protest gegen die drohenden Massenentlassungen einen landesweiten Streik für den 6. Oktober und tägliche Arbeitsniederlegungen an.
Die Zeit wird nun knapp für Athen: Die EU-Finanzminister wollen frühestens am 3. Oktober über die Freigabe der nächsten acht Milliarden Euro aus dem alten 110-Milliarden-Hilfsprogramm entscheiden. Dann könnte das Geld Mitte des Monats überwiesen werden. Bleibt der Kredit aus, droht dem Land die Zahlungsunfähigkeit. Nach Aussage von Regierungssprecher Ilias Mosialos reicht das Geld in der Staatskasse nur noch bis Ende Oktober. Am heutigen Mittwoch will Premier Papandreou das Kabinett zu einer Sondersitzung zusammenrufen und anschließend eine Erklärung abgeben.Griechenland beschafft sich unterdessen weiter kleinere Summen auf dem Finanzmarkt. Am Dienstag wurden nach Angaben des Finanzministeriums 1,625 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von 13 Wochen aufgenommen. Der Zinssatz beträgt 4,56 Prozent,ist also leicht höher als im August dieses Jahres.
Seit Wochen wird in Griechenland, aber auch in anderen Euro-Staaten zudem über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung diskutiert. Einen Zeitungsbericht, wonach Papandreou einen Volksentscheid über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone erwäge, dementierte die Regierung aber am Dienstag. Der Chef der größten privaten Bank Griechenlands sprach sich entschieden gegen die Rückkehr zur Drachme aus. Es sei „dumm und lächerlich“ zu glauben, dass Griechenland mit einer eigenen Währung wieder wettbewerbsfähig werden könne, sagte der Vorstandschef der National Bank of Greece, Vassilis Rapanos. Eine Wiedereinführung der Drachme werde nur die Inflation und die Kreditzinsen in die Höhe treiben, sagte der Bank-Manager. So könnten weder der griechische Staat noch die Griechen selbst ihre Schulden zurückzahlen. Für mehr Wettbewerbsfähigkeit brauche Griechenland Reformen. (mit rtr/AFP)