Diesel-Skandal: Tricksen die Autohersteller schon wieder?
Während die Regierungskoalition in Meseberg auch über Dieselautos debattiert, legt eine neue Studie den Verdacht nahe: Autohersteller manipulieren bei den Abgasstandards schon wieder.
Durch Dieselgate ist die europäische Autoindustrie offenbar nicht demütig geworden. Die Brüsseler Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) erhebt in ihrer am heutigen Dienstag veröffentlichten Studie „CO2 emissions from cars: The facts“ den Vorwurf, dass die Hersteller in zweierlei Hinsicht manipulieren würden. Sie nutzten Lücken in den Testverfahren aus, um die CO2-Grenzwerte für 2021 einzuhalten.
Im Anschluss versuchten sie, die CO2-Ausgangswerte für das neue Testverfahren WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) ab 2021 hochzurechnen, um die prozentualen Vorgaben für die CO2-Minderung bis 2025 und 2030 leichter zu erfüllen.
Zusätzlich, so T&E, bauten die Hersteller Techniken in ihre Wagen ein, die bei den CO2-Tests mehr bringen als in der Praxis. Dazu zählt die Organisation Plug-in-Hybride mit kurzen elektrischen Reichweiten, Start-Stopp-Systeme und Zylinderabschaltungen.
Nach der Studie müssen viele Produzenten bis 2021 mehr Fahrzeuge mit einem Ausstoß von weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer verkaufen, um die von der EU vorgeschriebenen CO2-Vorgaben zu erfüllen. T&E erwartet, dass der Anteil von rein elektrischen Autos und Plug-in-Hybriden in Europa bis 2021 auf fünf bis sieben Prozent der Neuzulassungen steigen wird.
Heute liegt der Anteil in den meisten EU-Ländern zwischen einem und zwei Prozent. Die größten Probleme, die Grenzwerte einzuhalten, haben nach Einschätzung von T&E Fiat-Chrysler, Honda und Hyundai-Kia. Ihnen drohen Strafzahlungen.
CO2-Emissionen offenbar auch 2017 wieder gestiegen
T&E erwartet, dass nach den bald vorliegenden Zahlen der Europäischen Umweltagentur auch 2017 die CO2-Emissionen von Pkw wieder gestiegen sind. In den vergangenen fünf Jahren habe es keine Fortschritte gegeben. Der Marktanteil von SUVs sei von vier Prozent im Jahr 2001 auf 26 Prozent 2016 gestiegen. Der durchschnittliche SUV stoße 132 Gramm CO2 pro Kilometer aus, ein vergleichbarer Mittelklassewagen 118 Gramm. Die Autos seien im Schnitt seit der Jahrtausendwende 124 Kilogramm schwerer geworden und hätten 28 Prozent mehr Motorleistung.
Die Nichtregierungsorganisation tritt auch der These entgegen, Diesel-Pkw seien notwendig, um die CO2-Ziele einzuhalten. Über den gesamten Lebenszyklus emittierten diese Autos mehr Treibhausgase als vergleichbare Benziner. Das liege am höheren Kohlenstoffgehalt von Diesel, dem höheren Energieaufwand bei der Raffinerie von Dieselkraftstoff und der höheren Fahrleistung dieser Autos pro Jahr.
Um die Klimaziele von Paris einzuhalten, ist nach Einschätzung von T&E ein Schub in Richtung E-Mobilität notwendig. Biokraftstoffe und synthetischer Sprit seien nur eine „Nebelwand“, hinter der sich Autos mit Verbrennungsmotor weiterhin verkaufen ließen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene CO2-Reduktion von 30 Prozent zwischen 2021 und 2030 sei – neben den Problemen mit dem Testzyklus – viel zu niedrig, um die Paris-Ziele zu schaffen. Dafür sei eine Minderung um 60 Prozent unabdingbar.
Dietmar Oeliger, Verkehrsexperte des Nabu, des deutschen Mitgliedsverbandes von T&E, sagte dem Tagesspiegel-Background, die Studie zeige, „dass die Industrie derzeit vor allem schwere und spritdurstige Modelle mit hohen Profiten verkauft und neue, effiziente Fahrzeuge oder gar Elektroautos bis zum letzten Moment zurückhält“. Die EU-Kommission müsse „die dringend notwendige Transformation zu Nullemissionsfahrzeugen durch ambitionierte Verbrauchsgrenzwerte forcieren“.
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