Wirtschaft: Traumrendite oder Albtraum
Unternehmensanleihen versprechen hohen Ertrag – ohne Garantie.
Katjes, Valensina, Underberg, das Traumschiff oder Hertha BSC. Diese Namen kennt jeder. Doch die Firmen haben mehr gemeinsam als ihr Markenimage. Sie alle geben Anleihen aus, über die sich Verbraucher an den Unternehmen beteiligen können. Zwischen vier und neun Prozent Zinsen versprechen Mittelständler den Verbrauchern für ihr Geld. Angesichts niedriger Sparzinsen klingt das verlockend. Noch dazu weckt das Wort „Mittelstandsanleihe“ Vertrauen – schließlich heißt es immer wieder, der Mittelstand sei das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Doch Verbraucherschützer warnen vor den Risiken. Längst nicht jede Mittelstandsanleihe hält, was sie verspricht.
Das Prinzip, das hinter diesen Finanzpapieren steckt, gleicht dem der Staatsanleihen: Wer sie kauft, leiht dem jeweiligen Mittelständler sein Geld – je nach Vereinbarung für einen Zeitraum von zwei bis zehn Jahren. Dafür verspricht das Unternehmen ihm nicht nur, das Geld am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen, sondern stellt auch noch hohe Zinsen in Aussicht. Wie bei Staatsanleihen gilt dabei: Je höher die Zinsen, desto höher das Risiko.
INTRANSPARENZ ALS RISIKO
Die Zahl der Mittelständler, die solche Papiere ausgeben, ist in der Vergangenheit deutlich gestiegen. Denn seit drei Jahren können Mittelständler ihre Anleihen auch an deutschen Börsen platzieren – vorher war das allein Großkonzernen vorbehalten. Seitdem haben die mittelgroßen Betriebe nach Angaben der Ratingagentur Scope Anleihen mit einem Volumen von 5,3 Milliarden Euro ausgegeben. Sie werden an den Börsen in Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf, München und Hamburg/Hannover gehandelt.
Für die Unternehmen sind die Anleihen attraktiv, weil sie sich damit unabhängiger von den Banken machen können. Genau darin liegt für die Verbraucher aber auch das Risiko: Manche Firmen geben nämlich nur deshalb Mittelstandsanleihen aus, weil die Banken ihnen keine Kredite mehr gewähren wollen. Und auf welche Unternehmen das zutrifft, ist für Anleger kaum nachvollziehbar. „Verbraucher können deshalb nur schwer einschätzen, wie hoch das Risiko ist“, sagt Doris Kappes von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Was viele Anleger zudem nicht wissen: Geht das Unternehmen Pleite, droht ihnen der Totalverlust. Denn bei einer Insolvenz werden Mittelstandsanleihen fast immer nachrangig bedient. Das heißt, Lieferanten oder Banken, die der Firma ebenfalls Geld geliehen haben, werden zuerst ausbezahlt. Nur wenn dann noch etwas übrig ist, bekommen die Kleinanleger ein Teil ihres investierten Vermögens zurück. Im schlimmsten Fall gehen sie komplett leer aus.
PRAKTIKER NUR DER ANFANG
Derzeit sind es die Anleger der Baumarktkette Praktiker, die um ihr Geld bangen müssen. Das Unternehmen, das im Juli Insolvenz anmelden musste, hatte noch vor zwei Jahren über eine Anleihe 250 Millionen Euro eingesammelt – und das nicht nur bei institutionellen Anlegern, sondern auch bei Verbrauchern. Ob sie etwas von ihrem Geld wiedersehen werden und wenn ja, wie viel, ist offen.
Fälle wie diese, glaubt die Schutzgemeinschaft für Kapitalanleger (SDK) werden in Zukunft keine Seltenheit mehr sein. „Wir rechnen in den kommenden Jahren noch mit einer Vielzahl an Insolvenzen“, sagt SDK-Vorstand Daniel Bauer. Nach einer aktuellen Untersuchung der Schutzgemeinschaft von 114 Papieren deutscher Unternehmen hat nur ein Drittel der Firmen 2012 genug Gewinne erwirtschaftet, um daraus die Zinsen und Rückzahlungen für die Anleihen zu bedienen. Verbraucherschützer raten deshalb, nur einen kleinen Teil des Vermögens in Mittelstandsanleihen zu anzulegen. „Sie sollten nur Geld investieren, das sie nicht dringend brauchen“, sagt Kappes.
VERWENDUNGSZWECK PRÜFEN
Wer den richtigen Riecher hat, kann allerdings mit Mittelstandsanleihen gut verdienen. Es gibt durchaus Papiere, die Experten für seriös halten. Dazu gehört zum Beispiel die Anleihe des Maschinenbauers Dürr, der Lackierstraßen für die Automobilproduktion fertigt. Der Mittelständler aus Stuttgart hat vor drei Jahren eine Anleihe mit einem Volumen von 225 Millionen Euro begeben, für die er 7,25 Prozent Zinsen zahlt. „Das ist eine Anleihe, die Anleger durchaus kaufen können“, meint Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt. „Das Unternehmen ist solide und die Branche steht gut da.“ Ähnliches gelte für den Schulbuchverlag Klett und den Schnapsproduzenten Underberg. Auch ihre Anleihen seien „grundsolide“, meint Schiereck.
Er rät, beim Anleihekauf darauf zu achten, was das Unternehmen mit dem eingesammelten Geld anstellen will: Will es in neue Maschinen investieren oder alte Schulden begleichen? Auch hilft ein Blick in die letzten Geschäftsberichte. „Wenn ein Unternehmen keine Gewinne oder nur sehr schwankende Ergebnisse aufweist, ist das riskant“, sagt Schiereck.
NAMEN SIND KEIN SELBSTLÄUFER
Auch sollten Anleger sich nicht rein vom bekannten Markennamen blenden lassen. Das beste Beispiel dafür ist Katjes. Denn herausgegeben hat die Katjes-Anleihen, die Anleger an der Börse kaufen können, nicht etwa der deutsche Süßwarenkonzern. Stattdessen stammen sie von der Tochter Katjes International. Und die hat nichts mit den Lakritzen und bunten Fruchtgummis zu tun: Sie ist eine reine Beteiligunggesellschaft, die Anteile ausländischer Bonbon- und Lakritzhersteller hält.
Ähnlich verlockend wie die Katjes-Anleihen sind die Papiere der MS Deutschland. Weil viele Verbraucher das Kreuzfahrtschiff aus der Sendung „Das Traumschiff“ kannten, griffen sie sofort zu, als die Betreibergesellschaft Ende vergangenen Jahres eine Anleihe auf den Markt brachte. 60 Millionen Euro konnte die Gesellschaft so bei den Anlegern einsammeln. Was den Verbrauchern vermeintliche Sicherheit versprach: Die Anleihe ist mit dem Schiff besichert. Das heißt, geht die Betreibergesellschaft Pleite, wird das Schiff verkauft und der Erlös an die Anleger ausgeschüttet. Allerdings warnt SDK-Vorstand Bauer: „Der Wert des Schiffes ist aus unserer Sicht deutlich zu hoch angesetzt worden.“
Carla Neuhaus
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