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Gib Gummi. Der Begriff Resilienz stammt vom lateinischen Wort „resilire“ und bedeutet „zurückspringen“ – so wie es ein elastisches Gummiband tut. Menschen, die von Natur aus resilient sind, schaffen es, trotz widriger Umstände ein glückliches Leben zu führen. Alle anderen können das in Resilienzkursen lernen.
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Resilienz-Schulung: Training für die Seele

Viele Berufstätige müssen mit widrigen Arbeitsbedingungen klarkommen, etwa mit befristeten Verträgen. Ein Training kann helfen: Dabei entwickelt man Widerstandskraft und psychische Flexibilität.

Als er noch ein Kind war, lebte Philip Oprong Spenner auf den Straßen Nairobis. Seine Eltern waren schon lange gestorben, er bettelte, klaute und es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre geendet wie sein bester Freund, der im Drogenrausch überfahren wurde. Heute unterrichtet Philip Oprong Spenner an einer Hamburger Brennpunktschule, er hat ein Buch geschrieben, eine Familie gegründet und engagiert sich für benachteiligte Kinder in Kenia. Ein Lebenslauf wie dieser ist sicher mit Glück, Zufällen und hilfsbereiten Mitmenschen zu erklären, vor allem aber mit der Fähigkeit, Krisen und Traumata erfolgreich zu bewältigen.

Der Trend kommt – wie so oft – aus den USA

„Wenn man Philip Oprong Spenner erlebt, dann weiß man, was Resilienz ist“, sagt Monika Gruhl, Autorin, Coach und Resilienztrainerin der ersten Stunde. Seit etwa 15 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema, vor 10 Jahren gründete sie mit ihrem Kollegen Hugo H. Körbächer das Resilienzzentrum, an dem man sich zum Resilienz-Coach ausbilden lassen kann. Seit einiger Zeit boomt die Resilienzforschung und -beratung, die in Amerika begann, auch in Deutschland.

Wer eine solche Beratung mitmacht, nimmt sich Menschen wie Philip Oprong Spenner zum Vorbild, und lernt, mit den Widrigkeiten des (Arbeits-)Alltags besser umzugehen: Der Begriff stammt vom lateinischen Wort „resilire“ und bedeutet „zurückspringen“ – so wie es ein elastisches Gummiband tut oder ein Schwamm, der nach dem Auswringen wieder in die alte Form zurückfindet.

Das Konzept der Resilienz wurde in den 1950er Jahren in den USA eingeführt, die prominenteste Studie stammt von der Psychologin Emmy Werner, die auf der Hawaii-Insel Kauai fast 700 Kinder aus schwierigen Verhältnissen beobachtete. Sie verfolgte deren Lebensweg über 40 Jahre lang und kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass immerhin ein Drittel von ihnen als Erwachsene ein glückliches und erfolgreiches Leben führten – trotz schwierigster Startbedingungen. Die Studie zeigt also, dass manche Menschen deutlich resilienter sind als andere. Was aber nicht automatisch bedeutet, dass sie alles abwehren und an sich abprallen lassen. Krisen, Ratlosigkeit, Trauer, Verlust und Wut gehören im Leben dazu, und die fühlen resiliente Menschen genauso wie alle anderen auch. Nur können sie sich meist besser wieder erholen und schneller wieder Sinn finden, sie verharren nicht in der passiven Opferrolle. Auch religiöse oder spirituell orientierte Menschen haben es leichter, Grundvertrauen zu entwickeln.

Monika Gruhl: „Ich zum Beispiel bin mein eigenes Studienobjekt"

In der Forschung wird Resilienz in sieben Faktoren unterteilt, die das Thema greifbarer und verständlicher machen. Dazu gehören unter anderem Akzeptanz, Lösungsorientiertheit sowie die Bereitschaft, ein Netzwerk aufzubauen und zu halten. Auch wenn manche Menschen von Haus aus bevorteilt sind, ist die gute Nachricht, dass Resilienz sich lernen lässt, sagt Monika Gruhl: „Ich zum Beispiel bin mein eigenes Studienobjekt, ich wurde nicht als Optimistin geboren und habe immer eher Befürchtungen und Bedenken gehabt. Im Laufe der Zeit habe ich aber gelernt, auch zuversichtlicher zu sein und die positiven Seiten zu sehen“. Dies habe nichts mit naivem positiven Denken zu tun, sondern eher mit der Einsicht, dass man auch Schweres bewältigen kann. Es sind also Denkmuster, die Optimismus aktivieren oder verhindern – und die lassen sich beeinflussen. Klar ist auch, dass eine gute Portion Resilienz nicht nur in der ganz großen Krise oder nach einem schlimmen Schicksalsschlag helfen kann. Widerstandskraft und psychische Flexibilität sind auch bei alltäglichen oder nur schwer greifbaren Sorgen hilfreich und wirken wie ein Immunsystem für die Seele.

"Oft haben Menschen das Gefühl, sie müssten ein total glückliches, tolles Leben führen"

Gib Gummi. Der Begriff Resilienz stammt vom lateinischen Wort „resilire“ und bedeutet „zurückspringen“ – so wie es ein elastisches Gummiband tut. Menschen, die von Natur aus resilient sind, schaffen es, trotz widriger Umstände ein glückliches Leben zu führen. Alle anderen können das in Resilienzkursen lernen.
Gib Gummi. Der Begriff Resilienz stammt vom lateinischen Wort „resilire“ und bedeutet „zurückspringen“ – so wie es ein elastisches Gummiband tut. Menschen, die von Natur aus resilient sind, schaffen es, trotz widriger Umstände ein glückliches Leben zu führen. Alle anderen können das in Resilienzkursen lernen.
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Monika Gruhls Klienten kommen aus unterschiedlichsten Gründen. Allgemeine Zukunftsängste spielen eine große Rolle, Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, Überreizung und Überforderung: „Viele kommen gar nicht mehr zu Ruhe, zerreißen sich zwischen Familie und Beruf, wollen alles 150prozentig machen und müssen ständig erreichbar sein“, sagt die Trainerin. Auch sei die Frustrationstoleranz deutlich geringer als früher: „Oft haben Menschen das Gefühl, sie müssten ein total glückliches, tolles Leben führen – was den Nachteil hat, dass alles, was darunter liegt, nicht mehr ausreicht. Die Fülle an Möglichkeiten in unserem Leben ist wunderbar, aber sie führt auch dazu, dass manche denken, sie müssten alles ausschöpfen“. Monika Gruhl betont, dass sich die Probleme der Menschen in den letzten Jahren zwar nicht verändert, wohl aber verschärft haben. „Tendenzen wie starke Erschöpfung oder Burn-Out sind viel stärker geworden. Wir machen dagegen keine Therapie, sondern arbeiten vorbeugend, damit man gar nicht erst in die Spirale der Erschöpfung hineingerät“. Besonders stark gelte dies beispielsweise für Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten: „Häufig können diese Menschen wegen des Stellenschlüssels gar nicht mehr das tun, was sie einmal als Beruf gewählt haben, nämlich sich kranken Menschen fachlich und menschlich zuwenden. Was eigentlich die eigene berufliche Identität ist und wo man sie noch finden kann, ist oft Thema.“

Widerstand gegen den belastenden Beurfsalltag entwickeln

Gerade in der modernen Arbeitswelt müssen viele Berufstätige mit Einjahresverträgen, drohenden Kündigungen und sich häufig verändernden Arbeitsbedingungen klarkommen. Ein Resilienztraining kann helfen, dabei auch Chancen zu ergreifen, anstatt sich nur in die Opferrolle zurückzuziehen. Monika Gruhl zeigt ihren Klienten, was gut gelaufen ist und wie sie sich in kleinen Schritten selbst wieder aufrichten können. „Die Frage ist nicht: Wie kann der Coach mich stabilisieren? Sondern: Was kann ich tun, damit ich mich selber schnell erhole und zu Kräften komme? Es geht um Selbstregulierung und Selbstpflege.“

Wer selbst gern resilienter werden möchten, kann sich coachen lassen, ein Seminar besuchen oder einen der inzwischen zahlreichen Ratgeber lesen. Und sich vor allem vergegenwärtigen, was man schon alles im Leben geleistet hat. Denn ob Schulabschluss, Ausbildung, Gründung einer Familie oder Führerschein - irgendetwas, worauf man stolz sein kann, hat jeder schon einmal geschafft.

Judith Hyams

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